TV-Kolumne „Maischberger“ - In der ARD lesen überraschende Links-Rechts-Freunde Berlin die Leviten
Was für ein Schulterschluss: Gregor Gysi und Karl-Theodor zu Guttenberg fordern bei „Maischberger“ eine neue Form der politischen Debatte. Und gehen hart ins Gericht mit den angeblichen Volksparteien.
In Sachen Asylpolitik gibt Deutschland in diesen Tagen und Wochen ein peinlich planloses Bild ab.
Wie viele Menschen können und wollen wir künftig aufnehmen? Wie lässt sich die irreguläre Einwanderung begrenzen, wie können wir abgelehnte Asylbewerber erfolgreich zurück in ihre Heimatländer bringen?
Auf all diese Fragen – und auf viele weitere – müssten schnellstmöglich Antworten gefunden werden. Doch was macht die Politik? Streitet sich lieber. Und scheitert mit großer Geste.
Asylgipfel wäre echte Chance gewesen
Der Asylgipfel von den Ampelparteien und der Union wäre eine echte Chance für die Bundespolitik gewesen, sich doch noch als wahre Volksvertreter zu beweisen und am runden Tisch Lösungen zu finden für ein Problemfeld, das die Menschen in diesem Land besorgt.
Es wäre eine Chance gewesen, sich als handlungsfähig zu beweisen und der Rechtsaußen-Polemik etwas entgegenzusetzen.
Mit dem einseitigen Abbruch des Asylgipfels wurde dem Wähler nun ein weiteres Mal brutal vorgeführt: In Berlin geht es den großen Parteien nicht mehr um Problemlösung. Sondern nur noch darum, die anderen hinzuhängen.
Streiten – aber mit Respekt. Selbst über Fußball
Und dann sitzen an diesem Dienstagabend zwei Männer bei „Maischberger“, die aus parteipolitischer Sicht eigentlich gar nicht miteinander auskommen dürften: Der Edel-Linke Gregor Gysi und der adelige CSU-Mann Karl-Theodor zu Guttenberg führen vor, wie politische Auseinandersetzungen über Parteigrenzen hinweg auch ablaufen könnten: respektvoll. Humorvoll. Konstruktiv.
„Gysi gegen Guttenberg“ lautet der Titel eines Podcast, in dem die beiden Politmenschen miteinander über Kamala Harris diskutieren, über die Landtagswahlen in Ostdeutschland oder auch einfach über Fußball. Sie sind, gibt zu Guttenberg zu, selten einer Meinung – und trotzdem über die Jahre so etwas wie Freunde geworden. Weil es, wie Gysi sagt, doch „hochinteressant“ sei, wie unterschiedlich man Dinge sehen kann.
Es geht um „existenzielle demokratische Fragen“
Bei „Maischberger“ liest diese überraschende Bromance den Berliner Politikern – ob regierend oder in der Opposition – die Leviten.
Denn bei der aktuellen Asyldebatte gehe es schließlich „um existenzielle demokratische Fragen“, mahnt Gysi. „Und da müssen wir uns anders benehmen. Wir müssen wieder glaubwürdig werden.“ Seit Beginn der Migrationskrise, also seit satten neun Jahren passiere nichts, als dass man sich „im klein-klein zerlegt“, assistiert Karl-Theodor zu Guttenberg. Da frage man sich schon, „ob der Gong nicht gehört wurde“.
„Wir müssen wieder glaubwürdig werden“
Mit wenigen Sätze legen sie dar, woran die deutsche Politiklandschaft aktuell krankt: Es geht um nichts weniger als die Glaubwürdigkeit der Politik. Nicht um die der linken, der grünen oder der rechten Parteien, sondern um das Vertrauen in die Volksvertreter generell.
Denn es habe nicht geholfen, so Karl-Theodor zu Guttenberg, dass man sich in den letzten Jahren nur gestritten und dem politischen Gegner – oder wahlweise auch dem Partner – jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen habe.
Parteiübergreifender Stuhlkreis
Die Wähler würden sich nach dem Gefühl sehnen, endlich regiert zu werden „von Menschen, die einen Konsens suchen“. Und nicht von solchen, die ihre eigenen Maximalforderungen nur dafür nutzen, um in den verbliebenen Tagen bis zur nächsten Landtagswahl in Ostdeutschland Stimmung für die eigene Partei zu machen.
Gysi wünscht sich so etwas wie einen Gesprächskreis von CSU bis Linken, in dem man unter Ausschluss der Öffentlichkeit darüber nachdenkt, wie man zurückfinden könnte zu einer Politik, der die Menschen wieder vertrauen. Es wäre nicht der schlechteste Ansatz.
Mit Gysi und zu Guttenberg äußern sich hier natürlich zwei Männer, deren politische Zeiten längst passé und nur noch eine Fußnote in der deutschen Geschichte sind. Vermutlich ist es sehr viel einfacher, von der Seitenlinie des politischen Geschehens kritische Anmerkungen zu machen.
Doch angesichts des Asyldebakels an diesem Dienstag wünscht man sich einmal mehr Menschen als Volksvertreter, die sich weniger Gedanken um ihre politische Zukunft machen – und dafür ein paar mehr Gedanken um die Zukunft dieses Landes.