TV-Kolumne zu „Maischberger“ - Und wieder fällt das Schimpfwort dieses Sommers: Du „Populist“!
Die Gefahr kommt mit der AfD von rechts? Links der Mitte giftet man sich furchtbar an. Kevin Kühnert von der SPD und Amira Mohamed Ali vom BSW finden keine Gemeinsamkeit. Deutschland sucht bei „Maischberger“ weiter Orientierung. Nur CDU-Mann Armin Laschet bringt gute Laune mit.
Sachsen. Thüringen. Alles gesagt? Beim ARD-Spättalk „Maischberger“ zeichnet sich eine neue Linie ab, um der AfD die Erfolge bei den Landtagswahlen streitig zu machen.
Wir hören den alten Mann der „Tagesthemen“, Ulrich Wickert. Der ist inzwischen 81 Jahre alt, aber eindeutig in seiner Position. Ist die AfD eine Volkspartei?
„Das sehe ich bei der AfD nicht.“ Hat die AfD die Wahl in Thüringen gewonnen? „Nach unserem Wahlrecht ist der Sieger, der 50 plus 1 Sitz hat.“ Willkommen in einem Deutschland, das auch jenseits der sächsischen und thüringischen Landesgrenzen Orientierung sucht.
Nachspielzeit der Landtagswahlen. Wie nochmal läuft das beim Fußball?
Eben noch hat Jessy Wellmer, vor zehn Monaten vom ARD-Sport zu den „Tagesthemen“ gewechselt, in den Nachrichten an ihre Kernkompetenz Fußball erinnert: Da bewirke ein Trainerwechsel ja oft Wunder. Und in der Politik? Da gilt zwar die SPD inzwischen als Abstiegskandidat.
Und doch bemüht sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bei „Maischberger“ um so etwas wie Normalität. Aber wir wissen ja vom Fußball, wie das oft endet, wenn der Verein sein volles Vertrauen zum Trainer versichert. Willkommen in der Nachspielzeit zu den Landtagswahlen in der ARD.
Wenigstens bleibt Saskia Esken der SPD an diesem Abend erspart
Was ist das Positive? SPD-Vorsitzende Saskia Esken sitzt nicht vor den Kameras. Das ist gut, zumindest für ihre Partei. So hat es sogar ihre Brandenburger Genossin, Vize-Vorsitzende und Finanzministerin Katrin Lange ausgesprochen und so etwas wie ein Talkshow-Verbot für Esken gefordert.
Zu schädlich findet sie deren TV-Auftritte. Das kann man nachvollziehen. Nicht nur zwei Wochen vor der Wahl in Brandenburg. Macht es SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert besser?
Der findet den Vorstoß seiner Parteifreundin „hart an der Grenze zum Populismus“. Damit nutzt der 35-Jährige das Schimpfwort, das gerade Hochsaison hat. „Du Populist“ – das klingt nach Höchststrafe und das klingt nach Verdammnis.
Weg vom Populismus? Das bringt die SPD auf den Weg zur Minderheitenpartei
Wenn wir uns einen Moment erinnern: Wir leben in einer Demokratie. Demokratie lebt von Mehrheiten. Mehrheiten für Parteien entstehen dort, wo die Parteipolitiker die Stimmung des Volkes aufnehmen, sie ernst nehmen und versuchen, sie glaubhaft in Politik umzusetzen.
Die Stimme des Volkes heißt lateinisch: vox populi. Das macht den „Populisten“ als Schimpfwort so schwierig. Wenn sich also die SPD, wie es Kühnert eben wieder versucht, in sichere Distanz von der „Grenze zum Populismus“ zu bringen, dann entfernt er sich auf Dauer von jeder politischen Mehrheit und macht die SPD mit Ansage zur Minderheitenpartei.
Womit wir wieder in Sachsen und Thüringen sind. Sandra Maischberger spielt ein Zitat des Bundeskanzlers ein: „Kämpfen lohnt“, hat er gesagt, „die düsteren Prognosen sind nicht eingetreten.“ Da sieht Olaf Scholz schon einen Hoffnungsschimmer, nur weil ein Glühwürmchen durch die finsterste Nacht fliegt.
Wie nur wollen SPD und BSW in dieser Verfassung zu einer Koalition kommen?
Im ARD-Talk geraten sich Kühnert und Amira Mohamed Ali in die Haare. Die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht macht der SPD den umgekehrten Populismus-Vorwurf: „Die Partei hat über Jahre ihre Wähler enttäuscht.“ Die Attacken gehen weiter. „Ich glaube, dass die Regierung die AfD groß gemacht hat“, wirft Ali vor, „Sie haben ein großes Politik-Enttäuschungs-Paket gebaut.“
Irgendwann in dieser Nacht staunt dann Sandra Maischberger: Diese beiden Parteien, SPD und BSW, wollen gerade gemeinsam Koalitionen aufbauen?
„Mein Denkfehler“, sagt die Moderatorin. Sie meint: kaum vorstellbar bei so vielen Gegensätzen und der einzigen Gemeinsamkeit, die AfD von der Macht fernhalten zu wollen.
Das Allerwichtigste? In keinem Land darf die AfD in die Verantwortung kommen
Darin ist auch Armin Laschet einig mit SPD und BSW. Auffallend gut gelaunt setzt sich der CDU-Politiker im Sommeranzug vor die ARD-Kameras. „Das Allerwichtigste ist“, befindet der Mann, der schon einmal auf dem Weg zur Kanzlerschaft war, „in keinem Bundesland darf ein Minister der AfD Verantwortung übernehmen.“
Das ist seine Botschaft. Und die ist ihm so wichtig, dass er sie in Variationen wiederholt. „Die AfD hat 70 Prozent gegen sich. Deshalb hat sie nicht gewonnen“, hört der Zuschauer. Und: „Wir regieren mit denen nicht. Mit denen wird nicht geredet.“ Und auch noch:
„Ich erwarte, dass sie ihren immer radikaler werdenden Kurs fortsetzt. Warum sollen wir mit denen reden?“ Die Tür zur AfD drückt Laschet mit Macht zu.
Die Tür nach der anderen Seite öffnet er mit Vorsatz. Hatte seine CDU nicht 2018 die Brandmauer zur Linkspartei aufgebaut? „Jetzt“, befindet er, „haben wir ein Wahlergebnis, aus dem man herauskommen muss.“
Blöd nur: Gegen jemanden zu sein, taugt noch lange nicht als Basis für eine tragfähige Gemeinsamkeit.