TV-Kolumne „Maischberger“ - Wie Maischberger Lindner zum Ampel-Aus verhört, ist scheinheilig und unfair
Hat der FDP-Chef das Ampel-Ende aus strategischem Kalkül provoziert? Bei „Maischberger“ in der ARD soll Christian Lindner als böswillig nachtretender Schuldiger vorgeführt werden. Fair ist das nicht.
Seit 1977 wird in Deutschland die Schuldfrage bei einer Scheidung nicht mehr gestellt, und das aus gutem Grund. Denn in der Regel hat jeder Ehepartner sein Teil zum Beziehungs-Crash beigetragen. Beim Ampel-Aus allerdings ist das „Blame Game“ in vollem Lauf: Wer hat der Ampel endgültig den Strom abgedreht.
Laut einer Infratest-Umfrage sehen die Deutschen die Schuldfrage erstaunlich klar: 40 Prozent der Befragten schieben Ex-Finanzminister Christian Lindner und seiner FDP den Schwarzen Peter zu. Ein Narrativ, das SPD und Grüne initiiert haben, Stichwort „Vertrauen missbraucht“. Und Lindner?
„Maischberger“ in der ARD: Spaltung kritisieren, Spaltung provozieren
Der würde lieber heute als morgen von der Schuldfrage zum Zerrüttungsprinzip wechseln: Schuld sind irgendwie alle und damit auch die anderen, und können wir nun bitte über etwas anderes reden? Pech für ihn, dass es bei „Maischberger“ in der ARD allerdings eigentlich um nichts anderes geht als darum, wer in der vergangenen Woche was wann und warum getan hat.
Auf ihre Moderationsagenda hat sich Sandra Maischberger diesmal offenbar nur einen Punkt geschrieben: Christian Lindner als Schuldigen zu überführen und zur üblen Nachrede zu verführen. Ein Vorhaben, das leicht scheinheilig rüberkommt: Kann man tatsächlich die FDP als Spaltpilz der Regierung kritisieren, wenn man selbst ihren Chef hartnäckig auffordert, schlecht über die ehemaligen Koalitionspartner zu reden?
Fast muss man Mitleid haben mit Lindner, der bei „Maischberger“ auf einem extrem heißen Stuhl sitzt: Die Moderatorin lässt nichts unversucht, den FDP-Chef doch noch zur üblen Nachrede über seine beiden Ex-Lebensabschnittsparteien zu verführen. Doch Lindner gibt sich maximal moralisch: „Ich werde keinen Stein aufheben, der mir hinterhergeworfen ist, und zurückwerfen."
Geht da was mit der Union?
Lieber nützt Lindner die Talkrunde für die Suche nach einem neuen Politpartner und flirtet mit verführerischen Worten gen Union: Anstelle Haushaltsmittel etwa für Bürgergeld und Bürokratismus rauszuhauen, würde er es – als Finanzminister unter einem Kanzler Friedrich Merz? – gerne investieren in Bildung, Steuersenkungen und die Sicherheit des Landes und der Ukraine. Deutlicher kann man gar nicht Richtung Union zwinkern.
Im Polit-Tinder vermittelt Lindner deutlich, dass das Trennungstrauma längst bewältigt ist: Er fühle sich nun „seelisch befreit“ und bereit zum Neuanfang: „Ich habe das Gefühl, ich bin noch am Anfang meiner politischen Karriere.“ Doch nur für den Fall, dass das jemand falsch verstehen könnte: „Eine Kanzlerkandidatur gibt’s nicht, die kann ich ausschließen.“ Friedrich Merz wird das gerne vernommen haben.