TV-Kolumne „Markus Lanz - Amerika ungeschminkt“ - Und dann wird klar, wie wenig sich Markus Lanz und die Trump-Groupies unterscheiden

Der republikanische Präsidentschaftskandidat und frühere US-Präsident Donald Trump spricht während einer Wahlkampfveranstaltung am 28.09.24 in Prairie du Chien, Wisconsin.<span class="copyright">Brandon Bell / Staff / Getty Images</span>
Der republikanische Präsidentschaftskandidat und frühere US-Präsident Donald Trump spricht während einer Wahlkampfveranstaltung am 28.09.24 in Prairie du Chien, Wisconsin.Brandon Bell / Staff / Getty Images

Markus Lanz ist für das ZDF in die USA gereist, um die Stimmungslage vor der Präsidentschaftswahl auszuloten. Zurück brachte er 64 Minuten „Lanz und wie er die Welt sah“.

Die Zeiten, in denen Markus Lanz erst mit „Lanz kocht!“ und dann als Gastgeber von „Wetten, dass ..?“ im leichtfüßigen Boulevard- und Show-TV Fuß fassen wollte, sind lange vorbei.

Weil Lanz die lässige Geschmeidigkeit eines Thomas Gottschalks fehlte und er stets wie der Streber rüberkam, der am liebsten alle Wetten selbst gewinnen wollte, beendete das ZDF schließlich 2014 das unwürdige Dahinsiechen der vielleicht letzten großen Samstagabend-Show des deutschen Fernsehens. Lanz‘ letzte Worte damals: „Das Leben geht weiter - wetten, dass?“

Er behielt Recht. Heute gilt Markus Lanz als der härteste Hund des Polit-Talks oder wahlweise als „Deutschlands schönste Grillzange“ - ein Ehrentitel, den ihm Autor Micky Beisenherz verpasste. Trotz nachtschlafender Sendezeiten fährt „Markus Lanz“ in der Regel gute Quoten ein.

Wo „Markus Lanz“ draufsteht, ist Markus Lanz drin

Und das liegt vor allem daran, wozu Lanz seine Gäste immer wieder bringt: an den Rand der Verzweiflung, zur Weißglut – oder zum Schweigen.

2014 gab es sogar eine Online-Petition, in der Lanz‘ Entlassung gefordert wurde, da er Sahra Wagenknecht mit Suggestivfragen vorgeführt hatte und sie nicht ausreden ließ. 160.000 Menschen unterzeichneten die Petition. „Markus Lanz“ aber blieb.

Vielleicht, weil sich der gelernte TV-Journalist niemals dem journalistischen Imperativ namens „Sei objektiv!“ ergeben hat. Wo „Markus Lanz“ draufsteht, ist stets Markus Lanz drin: die korrekt gescheitelte Version des politisch korrekten Mainstreams mit leichtem Linksdrall.

Wer sich innerhalb seiner Leitplanken befindet, kann sich beruhigt zurücklehnen. Doch links und rechts dieser Hauptstraße wird gegrillt – gerne mit Extra-Öl im Feuer.

Ein „tief gespaltenes Land“ – schon wieder

Ein schöner Beleg zu dieser These ist die ZDF-Reportage „Markus Lanz - Amerika ungeschminkt“ (abrufbar in der ZDF-Mediathek), in der Lanz – wie schon in den Jahren 2016, 2017 und 2021 - auf Rundfunkbeitrags-Spesen durch die USA tingelt mit dem Ziel, den gesellschaftlichen Graben neu auszuloten.

Schon bei Donald Trumps erster Kandidatur erlebte Lanz „ein tief gespaltenes Land“. Dem will er auch im Sommer 2024, mehrere Wochen vor Trumps dritter Kandidatur, nichts Neues hinzufügen.

An der amerikanisch-mexikanischen Grenze redet Markus Lanz mit Flüchtlingen aus Mittelamerika, mit Helfern und Anwohnern. Die Geschichten der Geflüchteten „gehen uns an die Nieren“, berichtet der Journalist sichtbar angefasst, das alles sei „furchtbar“, „schlimm“, „echt hart“ und „unfassbar unfair“.

Markus Lanz sieht solche Reportagen auch immer als eine Chance, „Markus Lanz“ hinter sich zu lassen: Hier darf er endlich der Mann mit Herz sein und nicht derjenige, der sein Gegenüber auf Herz und Nieren prüfen muss.

Amerika in Schwarz und Weiß

„Amerika ungeschminkt“? Vor allem sehen wir hier Markus Lanz komplett ungepudert. In der Hitze von Mexiko, Texas und Florida ist er im T-Shirt unterwegs oder wahlweise auch im offenen Hemd – ungebügelt und verschwitzt.

Mit der Digitalkamera in der Hand macht er sich sein Bild von Amerika, die in dem ZDF-Report verwendeten Schwarz-Weiß-Bilder sind alle von ihm. Lanz‘ Scheitel sitzt trotz der Hitze unverrückt gerade.

Wer gegen Trump ist und sich für eine Verbesserung der Flüchtlingskatastrophe ausspricht, hat von Markus Lanz nichts zu befürchten: Er lässt seine Gegenüber ausreden, nickt freundlich, guckt betroffen.

Bei den weiblichen Trump-Groupies im Swing State Pennsylvania hingegen heizt Lanz den Grill so rapide hoch, dass es den Damen das Dauerlächeln vom Gesicht wischt. „Wir sind heute hier, um zu reden“, insistiert eine der Ladies erst verblüfft, als der nette Markus aus Deutschland plötzlich darauf besteht, Trump habe während der Corona-Pandemie nicht hart gearbeitet, sondern vor allem Golf gespielt.

„Leslie, Sie mögen meine Fragen nicht“, fasst Lanz diese ziemlich offensichtliche Tatsache zusammen. „Was für eine dämliche Unterhaltung“, bescheidet sie ihm. „Willst du über Themen reden oder über Blödsinn?“

Die ungestillte Sehnsucht nach Bestätigung

Dass die Damen illegale Einwanderer als „Aliens“, als „Kriminelle“ bezeichnen, stachelt Lanz nur an. Hier geht es ihm plötzlich nicht mehr darum, zu verstehen, sondern vielmehr darum, bloßzustellen.

„Die Trump-Ladies schaffen mich“, bekennt er am Ende. Weil jede Form von Kritik seinerseits als Majestätsbeleidigung empfunden werde, „nur Lob und Bewunderung für ihr Idol sind erlaubt: ein Leben in einer Bubble“.

Von Lanz als Experte befragt, meint Medienexperte Stephen Livingston, Professor an der Washington State University, in seinem Fazit zwar die Trump-Anhänger, doch es könnte auch für Lanz gelten: „Wenn ich dir etwas sage, das sich mit deiner bereits bestehenden Meinung deckt, akzeptierst du es unkritisch – selbst, wenn ich übertreibe.“

Wie die Trump-Groupies neigt auch Lanz dazu, bei der Recherche lediglich Bestätigungen für sein Weltbild zu suchen und es nicht durch den Versuch der Falsifikation herauszufordern. Was Lanz von den „Trumpies“ unterscheidet, ist allein die Möglichkeit, ganz ZDF-Deutschland seine „Bubble“ zu verkaufen.