TV-Kolumne „Maybrit Illner“ - Wagenknecht spielt virtuos mit unserer Angst – bleibt in einem Punkt aber nebulös
Putin lässt Kinderkliniken bombardieren und hat kein Interesse an Verhandlungen. Sahra Wagenknecht ignoriert das nachhaltig. Stattdessen schürt sie Angst im Kampf um Wählerstimmen.
Sahra Wagenknecht, Gründerin ihrer Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), ist grundsätzlich eine selbstbewusste Person. Seit den starken Ergebnissen bei der Europawahl ist ihre Zuversicht noch größer geworden. Das BSW will keine restriktiven Sanktionen gegen Russland. Das BSW will keine militärische Hilfe für die Ukraine. Das BSW will die Zuwanderung von Migranten nach Deutschland mindern.
Bei „Maybrit Illner“ spricht Wagenknecht – wie immer – ruhig und klar. Aber die Aussagen sind doch hart. Wie sie den Wahlkampf in den USA sieht? „Es ist eine Tragödie.“ Es treten ihrer Meinung nach als Kandidaten an: „ein Dementer und ein Unzurechnungsfähiger.“ Also, gemeint sind Joe Biden und Donald Trump. Man stelle sich nur vor: Wäre Wagenknecht in einer deutschen Regierungsfunktion – die USA müssten ihr nach so einer Aussage die Tür knallend zuschlagen. Zurecht.
Wagenknecht schürt Angst vor einem Atomkrieg
Wagenknecht wehrt sich gegen weitere Waffen für die Ukraine. Sie behauptet: „Wir sind heute einem Atomkrieg nahe.“ Es spricht zwar nichts für diese These, aber die Chefin des BSW kann eines wirklich perfekt: unsere Angst schüren. Durch Waffenlieferungen, sagt sie, „kann man uns in einen Krieg hineinziehen“. Nebulös schlägt sie vor: „Wir müssen uns eigenständig verhalten.“
Auch herunterfallende Raketen-Teile würden Menschen in der Ukraine verletzen und töten, weicht Wagenknecht auf einen Nebenschauplatz aus. Die anderen in der Runde schütteln den Kopf, widersprechen. Russland habe alle Verhandlungsgespräche abgebrochen, sagt etwa Grünen-Chef Omid Nouripour. „Fahren Sie doch mal in die Ukraine!“, regt sich Nouripour auf. „Es werden auch russische Kinder getötet“, entgegnet die ehemalige Linken-Politikerin. Und: „Sie reden abenteuerliches Zeug“, wehrt Wagenknecht den Grünen-Parteivorsitzenden ab.
Ganz links und ganz rechts sind sich einig
„Natürlich ist es nicht so: Hallo, Putin, wir machen Frieden!“, gibt Wagenknecht immerhin zu. Sie sagt dennoch: „Aber es gibt keine diplomatischen Bemühungen.“ Sie will eine Zahl anbringen: 72 Prozent der Ukrainer wünschten sich diplomatische Verhandlungen. Während die USA und Europa ständig, so sagt sie, die roten Linien austesten. Während wir, so sagt sie, einen Krieg auch hierzulande riskieren. Da ist er wieder, der Trigger – wir handeln fahrlässig, wir riskieren alles. Wie müssen Angst haben, heißt das im Subtext.
Claudia Major, renommierte Verteidigungsexpertin, unterstellt Wagenknecht bei „Maybrit Illner“ einen sehr kreativen Umgang mit Fakten. Wen wundert das? Sahra Wagenknecht pusht ihre Partei. Es stehen die Wahlen in Ostdeutschland an. Das Narrativ von der Kriegs-Angst bedient auch die AfD vehement. Ganz links und ganz rechts sind sich sehr einig in diesem Thema. Das bringt Stimmen. Schlimm genug.