TV-Kolumne „Monitor“ - Asyl-Abzocke - wie ein britisches Unternehmen den deutschen Staat ausnimmt

Neuangekomme Flüchtlinge gehen mit ihren Koffern in eine Aufnahmeeinrichtung.<span class="copyright">Harald Tittel/dpa</span>
Neuangekomme Flüchtlinge gehen mit ihren Koffern in eine Aufnahmeeinrichtung.Harald Tittel/dpa

Asyl ist ein lukratives Geschäft. Eine „Monitor“-Recherche zeigt nun, wie ein britisches Privatunternehmen den deutschen Staat ausnimmt und die Sozialarbeit vernachlässigt.

Der Name Mamadou Diallo steht auf dem Kreuz. Es ist ein unscheinbares Grab in Berlin-Pankow. Bis Mitarbeiter Diallos Leiche im Oktober vergangenen Jahres in seinem Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft in Steglitz-Zehlendorf fanden, vergingen vier lange Wochen.

Der stark verweste Körper des 24-Jährigen blieb erschreckend lange unentdeckt. Wie ist das möglich? Gibt es in der Unterkunft keine Betreuer?

„Es ist keine Vermisstenanzeige erstattet worden. Es gab auch keine Meldung, dass da irgendwie jemand nicht im Zimmer sich befinden könnte“, erklärt Sebastian Büchner von Staatsanwaltschaft Berlin. „Es scheint auch offensichtlich in diesem verbliebenen Monat – zwischen dem letzten Mal sehen und dem Auffinden – jetzt niemand großartig danach geguckt zu haben, was mit ihm passiert ist.“

Nach Recherchen von „Monitor“ (aktuell in der ARD-Mediathek) fühlte sich offenbar niemand für den Flüchtling aus Guinea verantwortlich.

Der Staat als zahlungskräftiger Geschäftspartner

Das Asylwesen ist ein einträgliches Geschäft. Es geht auch in diesem sensiblen Bereich vorwiegend um den Profit. Der Staat ist ein guter Geschäftspartner: Das Geld kommt prompt und sicher. Zugleich lässt sich unbemerkt am Personal sparen. Das erhöht den Gewinn.

Betrieben wird die Berliner Flüchtlingsunterkunft vom Privatunternehmen ORS. Hinter ORS steckt die britische Serco Group, die weltweit über fünf Milliarden Pfund Umsatz macht. Laut Selbstdarstellung bietet ORS „beste Betreuungsdienstleistungen im Asylwesen“.

Das Unternehmen, das mit preiswerten Angeboten lockt, spart aber offenbar an den Personalkosten. Eigentlich müsste ORS den Aufenthalt von Geflüchteten regelmäßig dokumentieren.

Eine Bewohnerin der Unterkunft aber erklärt: „Bei denen war das Büro immer geschlossen, die Fenster, die Jalousien waren immer runter. Es waren sehr wenige Betreuer da und so, was Familien angeht, die halt auch sehr viel Probleme mit der Sprache haben. Die haben auch nicht so geholfen, so papierkrammäßig.“

35 Vertragsstrafen gegen ORS

Das Unternehmen Serco weist die Vorwürfe, bei der Sozialarbeit zu schlampen, zurück und erklärt stattdessen, die Mitbewohner hätten gesagt, es sei alles in Ordnung. Sozialarbeit und Beaufsichtigung der Bewohner hätten überdies nicht zu den vertraglichen Pflichten des Unternehmens gehört.

Hingegen teilt das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten mit, „die Betreuung der Bewohner durch qualifizierte Sozialarbeiter und Sozialassistenten“ sei sehr wohl Vertragsinhalt.

Die Methode der ORS ist mittlerweile auch in anderen Bundesländern bekannt. Zwei Regierungspräsidien – etwa in Baden-Württemberg – verhängten in den zurückliegenden Jahren deswegen insgesamt 35 Vertragsstrafen gegen ORS.

Ersichtliche „gravierende Mängel“

Tatsächlich bestätigt ein ehemaliger ORS-Mitarbeiter die Vorwürfe. „Wir haben die Anzahl, die erfordert wurde oder die vertraglich festgehaltene Anzahl der Mitarbeiter nie erreicht.

Sei es in der Kinderbetreuung, in der Hausbetreuung selber oder Freizeitgestaltung, was auch gefordert wurde. Die Unterbesetzung war schon 50 Prozent, teilweise auch darunter. Vor allem in den Nachtschichten war es extrem.“

Die Stadt Berlin hat deshalb im März den Vertrag mit ORS für drei Unterkünfte außerordentlich gekündigt. Es seien „gravierende Mängel“ und „umfangreiche strukturelle Probleme“ ersichtlich geworden. Laut ARD und SZ weist ORS auch das zurück.

Ein Heim als reine Verwahranstalt

Serco ist mit rund 130 Einrichtungen in Deutschland der größte private Anbieter in diesem Bereich. Eine Entwicklung, die der Betriebswissenschaftler Werner Nienhüser kritisiert. Seit Jahren beschäftigt sich der Professor der Universität Duisburg-Essen mit der Privatisierung von Flüchtlingsunterkünften und den negativen Auswirkungen.

„In erster Linie geht es darum, Gewinne zu erzielen, gute Renditen zu erzielen und sichere Renditen zu erzielen“, so Nienhüser. „Wenn ich Dienstleistungen anbiete, wo der Kunde letztlich der Staat ist, habe ich immer einen sicheren Kunden, einen zahlungskräftigen Kunden. Und die Renditen in diesem Bereich sind außerordentlich hoch. Und darum geht es.“

Am Ende fließt das Geld ab, ohne dass den Flüchtlingen bei der Integration zielgerichtet geholfen wurde. Das Heim wird zur reinen Verwahranstalt.