TV-Kolumne „Monitor“ - Und dann sagt Solingen-Opfer einen Satz, der zu denken geben muss

Die Fahndung nach dem Täter lief Polizeiangaben zufolge auf Hochtouren.<span class="copyright">Federico Gambarini/dpa</span>
Die Fahndung nach dem Täter lief Polizeiangaben zufolge auf Hochtouren.Federico Gambarini/dpa

Siavash Hosseini war, so erzählt er es, vermutlich die erste Person, auf die der Attentäter von Solingen einstach. Das Magazin „Monitor“ greift den Anschlag und seine Folgen auf. Was Hosseini sagt, ist besonders erstaunlich.

Ein Opfer entschuldigt sich für den Täter. Das gibt es auch nicht alle Tage. Siavash Hosseini war beim Anschlag in Solingen nach eigener Aussage „wohl die erste Person“, auf die es Issa Al H. bei seiner Attacke beim Solinger Stadtfest abgesehen hatte.

Drei Menschen hatte der Syrer getötet, acht weitere wurden schwer verletzt. Hosseini muss mit elf Stichen genäht werden. „Ich habe gesehen, wie er mit einer scharfen Sache kam“, erzählt er den Reportern von „Monitor“ mit dünner Stimme.

Er sieht, wie andere Menschen neben ihm verbluten. Der junge Mann ist vor einem Jahr aus dem Iran geflohen, nachdem sein Vater nach Protesten gegen die Regierung getötet worden war.

„Ich kann nur sagen, es tut mir leid“

Siavash Hosseini ist selbst kein Muslim. Aber er komme aus dem Iran und damit aus einer „islamischen Heimat“, wie er sagt. Und dann kommt ein Satz, der erstaunt und zu denken geben muss. „Ich kann nur sagen, es tut mir leid.“

Siavash Hosseini wird von einem radikalisierten Muslim verwundet und entschuldigt sich für den Mann, der die Tat begangen hat. Das Beispiel zeigt, wie Populismus und Vereinfachung selbst Menschen in Bredouille bringen, die weder aus dem Land des Täters stammen noch überhaupt Anhänger von deren Religion sind.

Augenscheinlich landet derzeit alles in einem Topf, was fremd erscheint. Das nennt man wohl Sippenhaft.

„Jetzt denken alle, dass wir Menschen töten“

Ein junges muslimisches Mädchen ist mutig genug, auch in „Monitor“ ihre Stimme zu erheben. Amal Akra’a geht in die zehnte Klasse der Gesamtschule, ist mit ihren Eltern 2015 aus Syrien geflohen und will Ärztin werden.

Sie sagt: „Mich stört, dass jetzt alle denken, dass wir Menschen töten und alle schlecht sind. Aber nicht alle Menschen sind gleich. Jeder schreibt sich selbst.“ Das Mädchen macht sich Sorgen, ob die Familie in Solingen „überhaupt sicher ist“.

Es kann nicht begreifen, dass nun - wie von vielen Parteien gefordert - die Einbürgerung der Familie infrage stehen könnte. „Wir machen doch alles, halten uns an die Regeln. Ich verstehe nicht, wenn es jetzt keine Einbürgerung gibt, weil jemand etwas Schlimmes gemacht hat.“

„Das macht mich psychisch krank“

„Monitor“ zeigt, wie Demonstranten durch die Solinger Straßen laufen und rechte Parolen skandieren. „Hier marschiert der nationale Widerstand“ und „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ ist zu hören. Lauthals schreiten die Marschierer an den Läden vorbei, die auch von Menschen mit Migrationshintergrund betrieben werden.

Einer von ihnen sagt: „Das macht mich krank, das macht mich psychisch krank.“ Auch eine ältere Frau, die vor 30 Jahren den rassistischen Brandanschlag in Solingen erlebt hat, bei dem fünf Menschen starben, wird befragt. Sie erklärt: „Die Wunden heilen auch nach 30 Jahren nicht. Wenn ich höre ,Deutschland den Deutschen, macht mir das Angst.“

„Sie machen hier unsere Gesichter und Namen kaputt“

Offenbar fällt es in diesen aufgeheizten Zeiten immer schwerer, zu differenzieren. Das führt dazu, dass die, die hier leben wollen, Schutz suchen und eine Zukunft planen, Angst haben müssen, mit denen, die straffällig werden, in einen Topf zu kommen.

Ein Syrer aus Solingen sagt: „Ich habe gebetet, dass es kein Syrer ist und auch kein Migrant. Wir sind vor solchen Menschen geflohen. Und jetzt machen sie hier unsere Gesichter und unsere Namen kaputt.“

Diese Angst geht so weit, dass sich nun sogar ein Opfer bemüßigt fühlt, sich für den Täter zu entschuldigen, weil das Land, aus dem er selbst vor der Obrigkeit geflogen ist, auch ein islamisches Land ist. Da lösen sich Grenzen auf.