TV-Kolumne „Im Osten ganz rechts“ - ZDF-Doku untersucht den „rechten Osten“ - plötzlich ist von Migranten-Neid die Rede

Migranten gehen über das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZABH)<span class="copyright">Patrick Pleul/dpa</span>
Migranten gehen über das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZABH)Patrick Pleul/dpa

Kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen untersucht eine ZDF-Doku die historische Entstehung von rechten Strömungen in Ostdeutschland. Ein Soziologe bringt plötzlich „Neid als starken Treiber“ dieser beängstigenden Entwicklung ins Spiel.

„Rechts wählen ist für junge Leute Teil der Jugendkultur geworden, wie Techno und Skateboard fahren.“ Diesen Satz sagte der Parteigründer der DVU, Gerhard Frey, bereits 1998, als die Frey-Partei in Sachsen-Anhalt satte 12,9 Prozent der Stimmen gewann. Freys Einschätzung und das beachtliche Ergebnis waren erschreckende Übergriffe auf Ausländer beziehungsweise Migranten in Ostdeutschland vorausgegangen.

1990 umstellten Skinheads einen Angolaner in Eberswalde und traten ihn zu Tode. 1991 waren 30 Rechtsextreme in ein Wohnheim in Winterberge eingedrungen und drängten zwei Männer aus Namibia über den Balkon im fünften Stock. Schwere rassistische Ausschreitungen gab es 1991 in Hoyerswerda oder auch 1992 in Rostock-Lichtenhagen. Während der Mob tagelang wütete, sahen die Rostocker dem Treiben tatenlos zu.

Aufmarschfeld für rechtsextreme Wessis

„Das ist ein ostdeutsches Spezifikum“, wertet Historikerin Franka Maubach in der ZDF-Dokumentation „Im Osten ganz rechts“. Der Film geht der Frage nach, warum im Osten extrem rechte Parteien so viele Wähler hinter sich vereinen können.

„Ein stabiler Teil teilt hier die Ideologie. Das sind um die 30 Prozent“, meint Soziologe Oliver Decker und sieht eine der Ursachen darin, dass nach der Wende rechtsextreme Parteien aus dem Westen den Weg in die neuen Bundesländer gesucht haben. „Die haben das als Aufmarschfeld sofort begriffen.“

Das rechtsextreme Potenzial war entgegen der offiziellen Politik in der DDR nie erloschen. Auch damals hatte es rassistische Vorteile gegenüber den Vertragsarbeitern aus Vietnam, Algerien, Kuba und Moçambique gegeben. Es hieß, die Zuwanderer hätten Privilegien, würden deutschen Männern ihre Frauen wegschnappen, erklärt Historikerin Maubach. „Mancherorts war die Stimmung radikal aufgeladen.“

„Rechtsextremismus ist der Kitt“

„Der Rechtsextremismus könnte während der Wende groß werden, weil er gar nicht erst benannt wurde. Wenn man so tut, als wäre etwas nicht da, führt es in der Regel nicht dazu, dass etwas verschwindet“, sagt Sozialpsychologin Pia Lamberty.

Die AfD ist die Partei, die am meisten von dieser rechten Strömung profitiert. Von der Europakritik ist die Partei inzwischen abgekommen und führt Migrationsthemen ins Feld. „Der Rechtsaußen-Flügel um Björn Höcke gewann immer mehr an Bedeutung. Es fand eine Verschiebung der Themen statt“, sagt auch Extremismusforscher Tom Mannewitz.

Die Pediga-Demonstrationen hatten zugleich dazu geführt, dass viele rechtsextreme Gruppen plötzlich unter einer Fahne marschierten und sich diesem Umfeld auch bislang unpolitische Menschen anschlossen. „Rechtsextremismus ist der Kitt, der diese Gruppe zusammenhält“, sagt Sozialpsychologin Lamberty.

„Neid als starker Treiber“

„Die AfD hat es geschafft, dass sie Teil des Diskurses wird, dass die Ablehnung nicht mehr da ist“, meint Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen. Man habe in einigen Bundesländern im Osten die Situation, dass die AfD als „erwiesen rechtsextrem“ eingestuft werde, trotzdem wählen die Leute die „erwiesen rechtsextreme Partei“.

„Früher gab es einen Igittigitt-Faktor, der davor bewahrt hat, dass man Rechtsextremen eine Stimme gibt“, so Nattke. Soziologe Oliver Decker führt aus: „Die AfD ist eine völkische Partei und sie treffen damit auf einen Nerv in der Bevölkerung.“

Dabei schürt die Partei Neid. „Generell ist Neid ein starker Treiber. Das Gefühl, selber viel aufgegeben zu haben“, führt Decker weiter aus. „Die Fantasien über Migranten sind ja häufig, dass sie nicht arbeiten müssen für das schöne Leben. Da kommt wahnsinnig Neid auf, umso mehr braucht man ein Ventil.“ Die AfD greift die Demokratie von unten an.

„Gesichert rechtsextreme Bestrebung“

Nationalismus und Fremdenhass fallen im Osten offenbar stärker auf fruchtbaren Boden als im Westen. Republikaner, NPD und DVU haben dort schon in den 1990er-Jahren deutlich mehr Zulauf als in den westlichen Bundesländern. „Es gab Rechtsextreme im Westen, die verstanden haben, da gibt es eine Chance, da sind Momente, in die du reingehen kannst“, erklärt Sozialpsychologin Pia Lamberty.

Hinzu kämen Nachwende-Erfahrungen wie das Gefühl von Ungerechtigkeit. Etwa als damals Westdeutsche in den neuen Bundesländern Positionen besetzt hätten, die Ostdeutschen vorenthalten blieben. Der Zuwachs bei der AfD ist also auch historisch erklärbar und gewachsen.

Gelöst werden muss das Thema allerdings im Hier und Jetzt. Nur was kann einen AfD-Wähler noch abschrecken, wenn die gewählte Partei von Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextreme Bestrebung“ gewertet wird?