TV-Kolumne „Plusminus“ - Länder sperren sich gegen Lauterbach-Gesetz – und kontern mit Bürokratie-Irrsinn
Eigentlich ist der Besitz von Cannabis legal. Doch weil die Bundesländer das Lauterbach-Gesetz mit Bürokratie torpedieren, leiden Konsumenten und Unternehmer. Dubiose Akteure hingegen profitieren von dem Blockade-Irrsinn.
Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sind seit dem 1. April rechtlich keine Betäubungsmittel mehr. Nun dürfen Erwachsene hierzulande bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen und bei sich tragen. Die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) initiierte Gesetzesänderung sollte Cannabis aus der Tabuzone herausholen. Der Schwarzmarkt könne gewissermaßen ausgetrocknet werden, war die Überlegung.
Die Mengen, die deutsche Konsumenten benötigen, sind indes riesig. Eine Studie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf aus dem Jahr 2021 kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen Kiel und Konstanz 3,6 Millionen Menschen Cannabis konsumieren. Das bedeutet, dass hierzulande eine Nachfrage von 400 Tonnen Cannabis pro Jahr besteht. Der Warenwert liegt bei 4,7 Milliarden Euro. Das ist eine Menge Geld, das sich bislang vorwiegend illegale Akteure geteilt haben.
Legalisierung könnte 27.000 Arbeitsplätze schaffen
Auch Geschäftsleute wie Sebastian Brebeck aus Wuppertal wollen nun von der Legalisierung des Kiffens profitieren. Immerhin rechnet die Studie vor, dass mit der Legalisierung der Droge 27.000 legale Arbeitsplätze möglich sind. Bislang investierte Brebeck 90.000 Euro, um in einer Lagerhalle eine Aufzucht zu starten. 600 Pflanzen will er im Rahmen eines Cannabis-Social-Clubs dort anpflanzen.
Seit mehr als vier Monaten versucht Bredecks Verein Wubatz, eine Genehmigung seitens des Bundeslandes NRW zu erwirken. Bislang vergeblich, wie es im ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ (ab sofort in der ARD-Mediathek) heißt. Offenbar versuchen die meisten deutschen Bundesländer, das von SPD-Mann Lauterbach erwirkte und umstrittene Gesetz mit Bürokratie vor Ort zu blockieren. Unterdessen laufen beim Verein Wubatz Tag für Tag weitere Kosten auf. Das „Plusminus“-Magazin hat in allen 16 Bundesländern nachgefragt. Das Ergebnis irritiert.
In Berlin ist noch keine Behörde zuständig
Nach „Plusminus“-Informationen seien bis zum 31. Juli bundesweit 167 Anträge auf Genehmigung eines Cannabis-Social-Clubs gestellt werden. Die meisten davon, nämlich 38, in Baden-Württemberg. In Berlin sei indes noch nicht mal die Behörde bekannt gegeben worden, die für derartige Anträge zuständig sei, heißt es.
Richtig Mühe macht sich bislang offenbar nur das Land Niedersachsen. Dort sind 21 Anträge eingegangen, von denen acht positiv und acht negativ beschieden worden waren. Alle anderen 15 Bundesländer haben bis Ende Juli keinen einzigen Antrag bearbeitet.
Dabei steckt sehr viel Fleiß in den Anträgen. Unzählige Papiere – etwa über die Sicherheit des Cannabis-Anbaus, über die Vernichtung des Cannabis-Überschusses oder über den Brandschutz – müssen beigebracht werden. „Ich kenne allein zwei Clubs, die nicht mehr eröffnen werden, weil es zu aufwendig ist“, erklärt Sebastian Brebeck vom Verein Wubatz.
Aktuell profitiert vor allem der Schwarzmarkt
Wenn Kiffen legal ist, aber zugleich kein legaler Anbau der Pflanzen stattfindet, freut sich der Schwarzmarkt. Denn das öffentlich genehmigte Rauchen von Cannabis hilft ohne legale Ernte vor allem dubiosen Produzenten. Zudem sind solche Produkte riskant.
Die Firma Aurora in Leuna stellt medizinische Cannabis-Produkte her und registriert seit dem 1. April einen wachsenden Bedarf. Die Ursache: Seit Cannabis nicht mehr auf der Liste verbotener Betäubungsmittel steht, muss es nicht mehr von speziellen Ärzten per Betäubungsmittelrezept verschrieben, sondern kann nun von jedem Arzt genehmigt werden.
Dirk Heitepriem von Aurora sagt: „Jedes Gramm, das wir vom Schwarzmarkt wegnehmen, ist ein gutes Gramm.“ Nur Produkte, die nicht vom Schwarzmarkt stammten, seien sichere Produkte. „Da sind keine Chemikalien drin und sie sind nicht gestreckt.“ Viele der neuen Aurora-Kunden hätten sich Cannabis-Medikamente früher offenbar vom illegalen Markt beschafft, gingen aber jetzt den offiziellen Weg, so Heitepriem.
Bundesländer kontern Lauterbach mit Bürokratie
Es scheint, als wollten die Bundesländer mit Bürokratie die Flamme des Kiffens einfach ersticken. Da soll Lauterbach doch sein Gesetz im fernen Berlin durchdrücken, vor Ort wird schlicht kein Cannabis-Club genehmigt. Basta. Ende.
Nebenbei werden auch noch die potenziellen Vereinsgründer abgeschreckt. Denn die, die es versuchen, müssen in der Wartezeit bis zur Genehmigung ihres Antrags kräftig draufzahlen. Da löst sich dann eine Menge Geld in Luft auf.
Man kann Lauterbachs Gesetz wahnwitzig finden, aber die vermeintliche Blockade-Haltung der Bundesländer spielt nur den Akteuren auf dem Schwarzmarkt in die Hände. Oder anders formuliert: Was weiß Niedersachsen, was andere Bundesländer nicht wissen?