TV-Kolumne - Im Sommerinterview predigt Ricarda Lang Veränderung – und zwar bei allen anderen

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Ricarda Lang im SommerinterviewZDF

Nach der Europawahl-Schlappe und vor diversen Landtagswahlen sowie der Bundestagswahl 2025 müssen die Grünen über eine Neuerfindung nachdenken. Die Parteivorsitzende der Grünen behauptet im ZDF-Sommerinterview: Wir haben verstanden – und beweist dann das Gegenteil.

Den Grünen ist es in den letzten Monaten ziemlich nass reingefahren, und da ist nicht vom Wetter die Rede: In der Europawahl im Frühsommer ist keine Partei vom Wähler so abgewatscht worden wie Bündnis 90 / Die Grünen. Gerade die jungen Erstwähler, die angebliche „Fridays for Future“-Generation, hat sich von der Weltverbesserungspartei abgewandt. Wenn nicht einmal die Gen Z wie Zukunft ihr Kreuz bei der gealterten Turnschuhpartei machen will, wer denn dann noch? Im Video sehen Sie, worauf Sozialforscher Andreas Herteux die massiven Stimmenverluste der Grünen zurückführt.

„Es kann kein ‚Weiter so‘ geben“, verkündete die Parteivorsitzende Ricarda Lang nach der Europawahl. Um dann – einfach so weiterzumachen.

Im „ZDF-Sommerinterview“ legt Lang nun nach und beteuert, dass ihre Partei bis zur kommenden Bundestagswahl zur „führenden Kraft der linken Mitte“ und eine „führende Orientierungspartei“ werden wolle und auch müsse. Von der Verbotspartei zur „Volkspartei“? Dafür bräuchte es nach aktuellem Stand ein mittelgroßes Wunder. Sollte Sankt Ricarda das tatsächlich bewirken, müsste Papst Franziskus sie definitiv auf die Liste der nächsten Heiligsprechungen setzen.

Ricarda Lang: „Wir haben unfassbar viel geschafft“

Sicherheitshalber schon einmal in Mutter-Maria-Blau gewandet, erzählt Ricarda Lang ZDF-Moderatorin Diana Zimmermann von den ganz großen Zielen der Grünen: mehr Gerechtigkeit zwischen Ost und West, Antworten in der Migrationsfrage, bessere Integration trotz knapper Haushaltsbudgets und auch das Dauer-Desaster Bildungspolitik müsse angegangen werden. Als Partner wolle man  „pragmatische Lösungen“ liefern. Nach mehr als drei Jahren in der Regierung hört sich das nach erschreckend vielen offenen Baustellen an. Ricarda Lang aber zieht eine andere Bilanz: „Wir haben unfassbar viel geschafft.“

Angesichts der aktuellen Zustimmungswerte der Grünen ist dieses „unfassbar viel“ beim Wähler nicht angekommen. Moderatorin Zimmermann fragt ganz direkt nach Ricarda Langs Mitschuld am Absacken der Grünen in der Volksbeliebtheit: Die Parteichefin sei für viele Menschen ein „Wutmagnet“. Doch die geht auf diesen persönlichen Aspekt lieber nicht ein, spricht stattdessen vom anonymen „Wir“, das nun zum Feindbild hochstilisiert werde.

Die wohlfeile Suche nach den Schuldigen

Die Schuld dafür sieht sie bei den anderen Parteien, namentlich CDU-Boss Friedrich Merz. Und schon ist er zurück, der Zeigefinger: „Ich kann alle nur ermahnen, im Osten nicht die Koalitionsfähigkeit aufs Spiel zu setzen.“ Immer wieder klingt in dem, was Ricarda Lang im Sommerinterview anspricht, durch, dass sich doch bitteschön erstmal die anderen Parteien ehrlich machen und Fehler zugeben sollten. Etwa die Unions-Parteien hinsichtlich dessen, was sie zu ihren Regierungszeiten angerichtet haben.

Mehr Veränderungswillen: Das ist etwas, das Grüne am liebsten den anderen – ob Parteien oder Bürgern – verordnen.

Auf die To-do-Liste der Grünen schreibt Ricarda Lang hingegen vage, dass man künftig Klimapolitik sozial verträglicher gestaltet müsse. Und dass es zentrale Aufgabe der Grünen sei, Deutschland zu einem Land zu machen, „in dem die Dinge wieder funktionieren“. Womöglich ab 2025 mit einem neuen Koalitionspartner, für den Lang gleich das Bewerbungsschreiben formuliert: „Wir als Grüne haben bewiesen, dass wir verlässliche Partner sind.“

Lediglich die Liebe der Bienen zu den Grünen scheint ungebrochen: Eine Vertreterin der Gattung umschwirrt Ricarda Lang hartnäckig während des „ZDF-Sommerinterviews“, vielleicht wurde sie magisch vom Blau des Kleides angezogen. Doch Lang scheint wenig dankbar für diese Zuneigung. Und verscheucht auch diesen letzten Fan.