TV-Kolumne „Die Tricks des Billigfliegers“ - Angst, Crew-Zoff, abgezockte Passagiere - ARD offenbart das „System Ryanair“

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Passagiere boarden einen Jet des Billigfliegers Ryanair in Berlin.Foto: AFP/JOHN MACDOUGALL

Was für ein Unternehmer-Traum: Schnalle deine Kunden einfach so in den Sessel, dass keiner weglaufen kann. Ryanair hat die Kunst perfektioniert, aus wenig Geld viel Gewinn zu machen. Eine ARD-Reportage zeigt die dunklen Seiten hinter dem Ferienflieger.

Alle sind für Klimaschutz. Also: theoretisch. Also: bald. Also: spätestens dann, wenn die Sommerferien wieder vorbei sind. Bis dahin gilt: freier Flug für freie Bürger.

Die Reiseanalyse 2024 bestätigt den Eindruck: Erstmals hat das Flugzeug bei der Wahl der Verkehrsmittel mit 46,8 Prozent zu 41 Prozent einen höheren Anteil als das Auto, inklusive Wohnmobil und Wohnwagen. Beliebtestes Auslandsreiseziel ist Spanien (14,4 Prozent). Fernreisen erreichen mit 9,3 Prozent einen Rekordwert. Besonders beliebt: Karibik, die Malediven, Thailand und Vietnam.

Viel Geld machen aus wenig Geld - das System Ryanair

Ich persönlich hatte mein Billig-Flugerlebnis vor einigen Jahren. Da war das Parken am Flughaften dreimal so teuer wie das Auslands-Ticket, hin und zurück. Das macht schon ein wenig nachdenklich. Auf die Kanaren fliegt übrigens fast jeder fünfte Urlauber mit Ryanair.

Mit dem „System Ryanair“ beschäftigt sich das Erste – und es verspricht einen Blick auf „Die Tricks des Billigfliegers“. Von Bordeaux nach London? 15 Euro. Von Marseille nach Brüssel? 17 Euro. Von Berlin auf die Kanaren? Weniger als 20 Euro.

Das klingt verheerend für ein Unternehmen. Und trotzdem gilt Ryanair als profitabelste Fluglinie Europas. Nettogewinn 2023: 1,4 Milliarden Euro. Viel Geld machen mit wenig Geld? Wie das funktioniert, versucht die ARD-Reportage herauszuarbeiten.

„Die Passagiere sollen einfach nur viel Geld ausgeben!“

Nehmen wir die ehemalige Flugbegleiterin Sara. Sie versichert, dass schon zehn Minuten nach dem Start mit dem Verkaufen der Zusatzleistungen begonnen werden muss: Schöne „Meals“ zum Bordtarif – eine Art McDonald’s über den Wolken. „Die Passagiere sollen einfach nur viel Geld ausgeben“, sagt Sara.

Kabinenchef Felipe ergänzt, dass „sehr gute Verkäufer“ sehr gute Aufstiegschancen bekommen. Und die guten Verkäufe sind transparent. Das baut Druck aufs Personal auf. Jedes Crew-Mitglied erfasst seinen persönlichen Absatz. Individuelle Vorgaben müssen erreicht werden. Smileys strahlen die guten Verkäufer an. Wenn einer sein Ziel verfehlt, dann kippen die Mundwinkel nach unten.

So schafft Ryanair nicht nur Transparenz. Sondern auch Konkurrenz unter den Crew-Mitgliedern.

Festgeschnallte Kunden? Was für ein Traum!

Das baut Druck aufs Personal auf. Gleich nach dem Essen kommt der Katalog mit den Geschenken. Und dann gibt es auch noch Rubbellose – eine Lotterie, bei der Taschen, Tablets oder Reisen zu gewinnen sind.

Die Situation ist ein Traum. Also: für ein Unternehmen. Wann hat man seine Zielgruppe schon im Sessel festgeschnallt und kann sie intensiv bearbeiten, ohne eine Chance, weglaufen zu können?

1200 bis 2000 Euro netto: Es zahlen auch die Mitarbeiter

Gefangen im System fühlen sich auch ehemalige Mitarbeiter. 1200 bis 2000 Euro netto verdient das Personal, versichert das Erste, je nach Land. Die Grundausstattung der Uniform ist zwar inklusive. Wer aber Teile ersetzen muss, der zahlt.

Und wenn der Winter kommt, dann kostet das 61,45 Euro extra. Denn die Ryanair-Winterjacke ist Pflicht im Dienst. Und muss in jedem Fall selber finanziert werden. „Man wird ganz schnell Kunde seines eigenen Arbeitgebers“, stellt eine Ex-Mitarbeiterin fest.

„Angst funktioniert super“, sagt der Ryanair-Chef

Chef Michael O’Leary spricht über den „Faktor Mensch“ bei einem öffentlichen Auftritt an einer Universität: „Angst funktioniert super“, verrät er da auf die Frage nach der Mitarbeiter-Motivation. „Leute zu terrorisieren, ist oft die effizienteste Art der Motivation.“

Der Chef der Fluggesellschaft ist immer für markige Worte gut. Den Rechtsstreit nach der Schließung des Standortes im südfranzösischen Marseille etwa hat er O’Leary mit einer Generalabrechnung gegenüber Frankreich kommentiert:

„Ihr Franzosen wollt euch einmauern – die gleiche beschissene Produktivität und dieselben beschissenen Gewerkschaften behalten wie in den letzten zehn, zwanzig Jahren. Das macht eure Wirtschaft kaputt. Ich liebe Frankreich. Aber man kann doch nicht bis 35 auf die Uni gehen, mit 37 in Rente und erwarten, dass der Staat einen finanziert. Wir werden also niemanden dort beschäftigen.“

Es ist wie ja oft im Leben. Wenn Dinge billig sind, dann zahlt eben ein anderer den Preis. Gut, dass wir alle Gutmenschen sind. Also: gleich wieder, direkt nach dem Ferienflug.