TV-Kolumne zu Wahl-Berichterstattung - Das härteste Anti-Scholz-Statement macht SPD-General Kühnert im ZDF

Hinter sich nur Linke: Kanzlerkandidat Olaf Scholz und stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, Kevin Kühnert.<span class="copyright">Bayerischer Rundfunk</span>
Hinter sich nur Linke: Kanzlerkandidat Olaf Scholz und stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, Kevin Kühnert.Bayerischer Rundfunk

Brandenburg fährt mit Vollgas gegen die Ampel. Der SPD-Generalsekretär leugnet seinen Kanzler, und auch der Spitzenkandidat kennt Olaf Scholz kaum mehr. Die FDP findet nicht mehr statt. Die CDU holt das schlechteste Ergebnis der Geschichte. Und Olaf Scholz ist noch mehr als die 6.369,78 Kilometer Luftlinie nach New York von einer siegreichen SPD entfernt.

Die AfD ist gut für die Demokratie. Indirekt! Sie funktioniert wie eine Impfung. Sie weckt das Immunsystem. Zumindest steigert sie die Wahlbeteiligung. So zeigt es auch die Landtagswahl in Brandenburg an diesem Sonntag. Die 2,1 Millionen Wahlberechtigten haben die höchste Wahlbeteiligung in der Landesgeschichte geschafft. Das bestätigt: Es geht sehr vielen um das Große, das Ganze, das Grundsätzliche – gerade bei dieser Landtagswahl. Das zeigt auch die Berichterstattung an diesem Wahlsonntag in den großen Fernsehsendern. Das ZDF beginnt um 17.39 Uhr, und schon da fällt das Wort von der „Schicksalswahl“. Geht es tatsächlich um die Frage: Demokratie oder AfD?

AfD wirbt mit Stichwaffen zur Selbstverteidigung

Der SPD-Ministerpräsident und Wahlsieger Dietmar Woidke hat sich diese Frage sehr offensiv zum Thema gemacht. Wie hat er es zuletzt plakatiert: „Wenn Glatze, dann Woidke“.  Das ZDF zeigt dieses SPD-Wahlplakat noch einmal. Fast zeitgleich sendet die ARD eine Straßenumfrage. Da sagt eine Frau: „Gehn‘ Se mal durch die Stadt, wern‘ Se einfach umgebracht!“ Das beschreibt das Kippen der Stimmung sehr deutlich. Meinungsumfrage: Kann Deutschland die vielen Flüchtlinge verkraften? 2019 haben 57 der Befragten mit „Ja“ geantwortet. 2024 sagen 62 Prozent: „Nein.“ Noch vor der Schließung der Wahllokale in Brandenburg und vor der 18-Uhr-Prognose erinnert die ARD an die AfD-Forderung in Brandenburg, Geflüchteten grundsätzlich den Besuch von Volksfesten zu verbieten. Und berichtet, dass an AfD-Wahlständen Stichwaffen zur Selbstverteidigung als Wahlgeschenk abgegeben wurden.

Olaf Scholz? Das Schweigen tut in den Ohren weh

18 Uhr: In ihrer ersten Prognose sieht die ARD noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD mit 31 Prozent und AfD mit 30 Prozent. Das ZDF weist zeitgleich schon einen deutlichen Vorsprung aus: 32 zu 29 Prozent – ein sicherer Sieg für den Spitzenkandidaten Dietmar Woidke. Der hatte, wir erinnern uns, zuletzt noch seine persönliche politische Zukunft an den Wahlsieg geknüpft. Diesen persönlichen Einsatz scheinen die Wähler gewürdigt zu haben. Die Generalsekretäre der Parteien sind die ersten Gesprächspartner.

ARD, 18.03 Uhr: Kevin Kühnert lobt die „furiose Aufholjagd von Dietmar Woidke“. Gleich danach bestätigt im ZDF CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, das Brandenburger Wahlergebnis sei „nicht schön“ für den frisch ausgelobten Unions-Spitzenkandidaten Friedrich Merz. Aufregender ist Kühnert um 18.10 Uhr im ZDF. Er wird gefragt, ob der Wahlsieg in Brandenburg auch ein Erfolg sei für den Bundeskanzler Olaf Scholz. Kühnert gibt eine Antwort, ohne den Namen des Kanzlers auch nur zu nennen. Ist Scholz für die Bundestagswahl kommendes Jahr gesetzt als Nummer 1? Wieder vermeidet der SPD-Generalsekretär den Namen Scholz. Dieses Schweigen ist so laut, dass es schon fast in den Ohren weh tut – und sicher auch bis New York tönt, wo der Bundeskanzler an diesem Wahlsonntag gerade in New York beim UN-Zukunftsgipfel auftritt.

„Von den Öffentlich-Rechtlichen permanent beschimpft“

Und der Zweitplatzierte dieser Landtagswahl? Die AfD kommt bei ARD und ZDF deutlich später. Um 18.09 Uhr schaltet das ZDF erstmals zur AfD. Kommentar: „Die versuchen, sich das Resultat schönzureden.“ Das Erste zeigt um 18.19 Uhr die AfD-Bundesprecherin Alice Weidel im Angriffsmodus: „Die ganzen Auswüchse sind den Medien zu verdanken – auch Ihnen mit Gebührengeld. Sie werden sehen, was die Bundestagswahlen zeitigen.“ Ganz ähnlich attackiert im ZDF um 18.20 Uhr der andere Bundessprecher Tino Chrupalla: „Von den öffentlich-rechtlichen Medien wurden wir permanent beschimpft – auf dieser Grundlage ist dieses Ergebnis sehr akzeptabel.“

Ein Erfolg für die SPD? Bestenfalls zartbitter

Die AfD sieht die Schuld für den verpassten Wahlsieg also bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern. Abgestraft wird an diesem Sonntag die Ampel-Koalition. Die Grünen fallen unter die fünf Prozent. Die FDP taucht mit kaum einem Prozent unter den „Sonstigen“ unter – neben Bewerbern wie der Tierschutzpartei und der Bauernpartei DLW. Für den Wahlsieger bleibt das Ergebnis bestenfalls zartbitter.

Der alte und wahrscheinlich neue Ministerpräsident Dietmar Woidke freut sich: „Unser Ziel war es, zu verhindern, dass unser Land einen großen braunen Stempel kriegt. Es scheint so zu sein, dass wiederum – wie so oft in der Geschichte – es Sozialdemokraten waren, die Extremisten auf dem Weg zur Macht gestoppt haben.“ Das sagt er in der ARD. Und im ZDF? Da wird er gefragt: „Was kann Olaf Scholz von Ihnen lernen?“ Wahlsieger Woidke findet kein Wort zu Scholz. Tatsächlich ist der Bundeskanzler von einer erfolgreichen und siegreichen SPD noch weiter entfernt als 6.369,78 Kilometer Luftlinie nach New York.