TV-Kolumne „Wut. Eine Reise durch den zornigen Osten“ - Keine Kneipe, kein Freibad, aber Gender-Sprache – TV-Doku offenbart die Ost-Wut
Bald wird in drei ostdeutschen Bundesländern gewählt. Ein Fernsehteam reist dorthin, um die Stimmung einzufangen. Wir erleben viel Zorn. Die Ampelregierung und die Presse werden übel beschimpft. Und es gibt erstaunliche Erklärungen.
Zu Beginn der TV-Reportage im MDR sagt der Autor einen merkwürdigen Satz. Er klingt wie eine Warnung à la Risiken und Nebenwirkungen bei Medikamenten: „Nichts an diesem Film ist repräsentativ.“
Wie auch. Es kommen Menschen zu Wort, die gerne ihre Kritik äußern. Aber andere wollen erst gar nicht vor die Kamera. Beim Titel des Themas drückt sich mancher wohl lieber weg. „Wut. Eine Reise durch den zornigen Osten“.
„Diese Ossis – sie jammern nicht, sie wählen“
Man erinnere sich an die Euphorie nach dem Mauerfall. Die Ostdeutschen fühlten sich befreit, im Westen herrschte Willkommenskultur. Und jetzt 35 Jahre nach dem Mauerfall? In Sachsen und Sachsen-Anhalt liegt die AfD fast gleichauf mit der CDU. In Thüringen steht die AfD bei 30 Prozent laut Umfragen, die CDU nur bei etwa 22 Prozent.
Die Menschen in der Region sind sauer – auf die Regierung, auf die Flüchtlinge. Und sie haben das Gefühl, ihre Ost-Identität werde missachtet. Ein interessanter Punkt, den eine ARD-Journalistin aus Mecklenburg-Vorpommern anbringt: „Diese Ossis – sie jammern nicht, sie wählen“, hat Marieke Reimann nach der Europawahl kommentiert.
Was sie und andere damit ausdrücken wollen: Man müsse sich nicht wundern. Wenn Menschen sich nicht gehört fühlen, wählen sie halt im Zweifel AfD.
Zu viel Bürgergeld, zu wenig Lust auf Arbeiten
Auch das Bürgergeld treibt die Menschen im Osten um. Wie ein Fuhrunternehmer in der TV-Reportage meint: „Wenn ich Leute mit Bürgergeld ausstatte, damit die sorgenfrei leben können, dann muss ich mich nicht wundern, dass ich kein Personal mehr bekomme.“ Zu viele Geflüchtete überfordern manche kleinen Gemeinden. Eine Metzgerin sagt: „Ja, wir sind wütend!“
Die Unzufriedenheit wird sich in den Wahlergebnissen spiegeln, so viel scheint sicher. Interessant, dass die Unzufriedenheit im Osten offenbar kein neues Phänomen ist, sondern vor 35 Jahren ihren Anfang nahm. So erklärt Steffen Mau, Soziologe und Buchautor von „Ungleich vereint“, dass viele Menschen nach der Wende eine „Entwertungserfahrung“ gemacht haben. „Der Osten hat die Spielregeln nicht mitschreiben dürfen damals.“
Wie empfindet das ein Friseur in seinem Geschäft? „Eigentlich redet man beim Friseur nicht über Politik, aber Kunden und Mitarbeiter haben mittlerweile eine kürzere Zündschnur.“ Und er fügt an: „Du bist entweder Kommunist oder Nazi“, sagt er, „das kann es nicht sein!“
Keine Kneipen, kein Freibad, aber dafür Gender-Sprache
Keine Kneipen, kein Freibad mehr, aber dafür Gender-Sprache. „Die Leute haben die Schnauze voll von der Sprache“, sagt einer. Ein anderer gibt zu: „Ich empfinde eine Selbstzensur in der Sprache.“
Heißt das wirklich, man darf nicht mehr sagen, was man meint? Eine Lehrerin sagt, dass sie gegen den Ukraine-Krieg ist. Andere würden sich so eine Äußerung nicht trauen, meint sie.
Weitere Stimmen: „Es muss doch möglich sein, dass man in dem Land eine klare Meinung hat.“ Und: „Wenn Sie das Wort Frieden in den Mund nehmen, werden Sie gleich als Rechte abgestempelt.“ Oder: „Man darf nicht sagen, dass man sein Land liebt.“
„Die Altparteien und die Presse: Dumm wie Stulle!“
Alles darf man übrigens zwar sagen, die ARD will es aber nicht senden. Einer schimpft übel in einer Versammlung: „Die Altparteien und die Presse: Dumm wie Stulle!“
Seine folgenden Tiraden bringt der TV-Beitrag nicht. Sie seien nicht sendefähig, heißt es. Sicherlich sind auch darüber wieder einige im Osten zornig.