TV-Kolumne zum ZDF-Sommerinterview - So viel Selbstverliebtheit wie Scholz bei Migration zeigt, kann man selten bestaunen
Die Ampel-Regierung kann es nicht? Und wie sie es kann, sagt Olaf Scholz. Der Kanzler kann nicht führen? Und wie er das kann, also er, glaubt Scholz. Und trotz schlechter Umfrageergebnisse ist sich der SPD-Politiker sehr sicher, 2025 erneut zum Kanzler gewählt zu werden.
Es gibt neuerdings das Revival einer Phrase, die mehr als 50 Jahre alt ist: „Fake it till you make it“. Was das heißt? Übersetzt bedeutet es: „Fälsche es, bis du es schaffst.“ So soll eine Person durch Nachahmung von Selbstvertrauen und Kompetenz irgendwann die gewünschten und echten Ergebnisse erzielen. Kanzler Olaf Scholz scheint die Hälfte davon schon erreicht zu haben. Sein Selbstbewusstsein ist überraschend ausgeprägt. Das zeigt er gerne. Mit einem Lächeln oder einer Kopfbewegung, die besagen: Alle ganz schön unterkomplex hier. Gut, dass ich den Durchblick habe! Als Einziger übrigens.
Scholz’sche Endlos-Sätze: Hat er jetzt wirklich gesagt, dass die Ampel super funktioniert?
Beim ZDF-Sommerinterview lässt sich wieder einmal besichtigen, wie bockstark das Vertrauen des SPD-Mannes in sich selbst ist. Eine Vertrauensfrage im Bundestag? Süffisantes Lächeln vorneweg. „Das ist doch ein kleines Oppositions-Ideechen, dass man mal immer so alle drei Wochen dieses Wort sagt“, sagt Scholz.
Vertrauen hat der Kanzler auch in die Fähigkeiten der Zuschauer, seine Endlos-Sätze dechiffrieren zu können. Möglicherweise gibt es aber gar nicht so viel zu entdecken im Scholz’schen Wortgewimmel. Das klingt dann so: „Und deshalb kommt es darauf an, dass wir einen Stil miteinander zustande bekommen, in dem die Tatsache, dass Parteien miteinander regieren, die das vielleicht nicht bei ihrer Geburt gedacht haben, trotzdem so ausgeht, dass man was schafft.“ Hat er jetzt gerade wirklich gesagt, dass die Ampel-Regierung eigentlich super gut funktioniert?
Scholz glaubt, er „habe die größte Wende im Umgang mit Migration zustande gebracht“
Olaf Scholz strahlt pure Zuversicht aus beim Interview mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen. Nein, sagt er energisch, die Ampel-Regierung habe das Thema Migration nicht unterschätzt. Im Gegenteil. Er nimmt verbal Fahrt auf. Und feiert sich mit den Sätzen: „Ich habe die größte Wende im Umgang mit Migration zustande gebracht in der Geschichte der letzten 10, 20 Jahre“, befindet Scholz. „Wir haben dafür gesorgt, dass jahrzehntelang nicht durchsetzbare Entscheidungen durchgesetzt worden sind, was die Frage betrifft des Managements der irregulären Migration.“ Wenn da nicht gleich die Sektkorken knallen. So viel Selbstverliebtheit kann man wirklich selten bestaunen.
Und natürlich ist auch die Rente sicher. Es soll das Rentenpaket II im Kabinett verabschiedet werden. Die FDP zieht da nicht richtig mit. Aber, weil Führungsstärke ja der zweite Vorname des Kanzlers ist, postuliert er im ZDF-Sommerinterview: „Es wird beschlossen werden. Wir haben es auf den Weg gebracht als Regierung.“ Gibt es eigentlich irgendetwas, das die Ampel-Regierung unter der Führung des Kanzlers nicht stemmt?
Blöd nur, dass eine große Mehrheit den SPD-Kanzler für führungsschwach hält
Gehen wir nochmals zurück zu „Fake it till you make it“. Selbstvertrauen und Kompetenz täuscht man vor, bis man es kann. Blöd nur, dass eine große Mehrheit der Deutschen den SPD-Kanzler für führungsschwach hält. In einer Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer gaben 77 Prozent der Befragten an, Scholz setze sich nicht durch. Das ficht den Kanzler indes nicht an. Trotz schlechter Umfrageergebnisse glaubt der Politiker, er rechne „fest damit, dass die SPD und ich 2025 ein so starkes Mandat bekommen, dass wir auch die nächste Regierung anführen werden“.