Tänzerische Reise in die Zeit von Jane Austen

Ein Ausflug in die Vergangenheit: Teilnehmer am Kontratanz beim Jane-Austen-Ball. Foto: Timm Schamberger

Die Pemberley Players beginnen zu spielen. Und einen Moment lang ist die Illusion perfekt - eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert. Hübsch zurechtgemachte Damen mit bodenlangen, bunten Empire-Kleidern und hochgesteckten Kringellöckchen stehen in langen Reihen Herren in Kniebundhose und Frack gegenüber.

Sie fassen sich an den Händen, tanzen leichtfüßig umeinander herum oder in Seitschritten durch die Reihe. Mitten drin ist Britta Garstka. Die 37-Jährige mit grünem Kleid und Blumen im dunklen Haar hat keine Probleme mit der Choreographie. Schon seit vielen Jahren tanzt sie historische Tänze. Sie ist eine von knapp 100 Gästen beim großen Jane-Austen-Ball.

Die gebürtige Berlinerin ist dieses Wochenende extra aus dem südwestlichsten Zipfel von Baden-Württemberg ins fränkische Erlangen gekommen. Getanzt wird im barocken Redoutensaal. Historische Bälle seien eine schöne Möglichkeit, die Vergangenheit nachzuerleben, sagt die studierte Historikerin. «Man kann in die Zeit eintauchen, als wäre es echt.» Daher nehme sie an dem Abend auch kein Handy mit und benutze ein Stofftaschentuch. «Man muss sich darauf einlassen.»

Etwas Besonderes seien nicht nur die alte Musik und die aufwendigen Gewänder. «Es sind die besonderen Örtlichkeiten, das Benehmen und die Sprache - alles war galanter.» Heutzutage führe kaum noch ein Mann die Dame an den Platz zurück und rücke ihr den Stuhl zurecht.

Und das Flirten komme auch nicht zu kurz - schließlich tanze man in jeder Strophe in einer anderen Konstellation. Denn bei den sogenannten Kontratänzen gibt es keine festen Zweierpaare, sondern es wird immer wieder durchgewechselt. «Man findet leichter zusammen über diese Art des Tanzens und kann zusammen lachen, wenn mal etwas schief geht», sagt auch Henriette aus Wien. «Und man darf sich anschauen - anders als etwa im Standard-Tanzen.»

Die 57-Jährige und ihr Mann Harald (60) waren schon auf mehr als 20 historischen Bällen. «Wir sind Wiederholungstäter. Das hat Suchtpotenzial.» Für sechs verschiedene Epochen haben sie Kostüme - etwa für Barock oder Biedermeier. Ihr Vorteil: Henriette ist Schneiderin und kann die Kleider selbst machen.

Sonst ist dieses Hobby nämlich ein recht kostspieliges Vergnügen: Zu den 140 Euro für die Eintrittskarten kommen Anreise, Hotel, Kostüm und Kosten für eventuelle Tanz- und Frisuren-Workshops. Wer sich ein Kostüm leiht, muss zwischen 75 und 160 Euro für ein Wochenende hinlegen - für Männer ist es teurer als für Frauen, weil sie nicht nur ein Kleid und Schmuck brauchen, sondern Hose, Weste und Frack.

Harald sagt: «Die Atmosphäre ist viel schöner als auf einem modernen Ball. Die Kleider der Damen sind so schön bunt. Heute tragen sie auf einem Ball alle schwarz. Das ist wie auf einer Beerdigung.»

Neben Bällen wie dem in Erlangen gibt es deutschlandweit inzwischen einige Angebote für alle, die eine Reise in längst vergangene Zeiten unternehmen wollen - etwa in die Goldenen Zwanziger.

Angelika Jobst trägt ein goldenes Kleid und einen roten Umhang. Die 31-Jährige aus Cham in der Oberpfalz war früher eine Anhängerin der Gothic-Szene. Heute hat sie ein selbst gemachtes Gewand aus Taft und Samt an und ist gestylt bis hin zu Goldbrosche, Fächer und Diadem. «Es ist die ganze Atmosphäre hier und dass man sich mal so richtig aufbrezeln kann», erklärt sie ihre Leidenschaft. Sie ist mit einer Freundin hier. Überhaupt: Nur etwa ein Viertel der Gäste sind Männer.

Ein Teil der Damen tanzt daher den Part der Herren, was aber nicht weiter auffällt, da die Schritte recht ähnlich sind. Etwas gestört wird die Illusion der Zeitreise lediglich von Tanzmeister Peter Hoffmann, der in den Musikpausen immer wieder Anweisungen geben muss. «Aufstellung bitte in drei Gassen», kommandiert er etwa oder «aufeinander zu, voneinander weg». Denn nicht jeder tanzt die Gruppentänze so perfekt wie in den Jane-Austen-Verfilmungen.

Jane Austen Ball Erlangen