Ukraine-Hilfen, Rüstung, Klimaschutz - 50 Milliarden Euro sparen? So realistisch ist Wagenknechts 5-Punkte-Plan

Sahra Wagenknecht, Parteivorsitzende des BSW.<span class="copyright">Foto: dpa/Michael Reichel</span>
Sahra Wagenknecht, Parteivorsitzende des BSW.Foto: dpa/Michael Reichel

Während die Ampel-Koalition noch darüber berät, wo sich 12 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt im kommenden Jahr auftreiben lassen, hat die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht einen Plan, der viel mehr Geld sparen soll.

In Berlin wird dieser Tage mit chirurgischer Präzision um jede Milliarde im Bundeshaushalt zwischen SPD, Grünen und FDP gefeilscht. Noch immer fehlen für eine sichere Finanzierung der Ausgaben im kommenden Jahr rund 12 Milliarden Euro. Kein Wunder, dass in einer solchen Situation auch die Opposition mit eigenen Vorschlägen vorschnellt, besonders angesichts der nahenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen in knapp zwei Wochen und Brandenburg in rund einem Monat. Die Union aus CDU und CSU hatte bereits vor einem Monat einen Plan vorgelegt, der vor allem Kürzungen bei Sozialleistungen wie Bürgergeld und der Entwicklungshilfe vorsieht. Jetzt hat auch die Gründerin und Vorsitzende des nach ihr benannten Bündnisse Sahra Wagenknecht (BSW) einen Sparplan vorgelegt. Er umfasst fünf Punkte und würde den Bundeshaushalt nach ihren Angaben um rund 50 Milliarden Euro pro Jahr entlasten. Das wäre ein Vielfaches der jetzigen Lücke. Sie selbst nennt die Kürzungen, die sie vorschlägt, „vernünftig“ – aber sind sie das auch?

1. Militärhilfen für die Ukraine streichen

Was will Wagenknecht? Wagenknecht möchte die im Bundeshaushalt vorgesehenen Mittel, mit denen die Ukraine militärisch unterstützt wird, spätestens ab kommendem Jahr komplett streichen. Noch dieses Jahr solle dazu ein Waffenstillstand geschlossen werden. Wie das gelingen soll, verrät sie nicht – übrigens ein Muster, dass sich bei einigen anderen Punkten wiederholen wird. Russland weigert sich, sich für einen Waffenstillstand aus den besetzten Gebieten der Ukraine zurückzuziehen, diese wiederum, einen Waffenstillstand zu akzeptieren, während Russland noch Teile des Landes besitzt.

Was würde das bringen? In diesem Jahr sind im Bundeshaushalt acht Milliarden Euro eingeplant, für 2025 sollen die Militärhilfen bei vier Milliarden Euro liegen. „Kein anderes Land schröpft seine Steuerzahler so stark wie Deutschland, um Waffen für diesen sinnlosen Krieg zu finanzieren“, schimpft Wagenknecht in ihrer gewohnt martialischen Art. Das ist aber nur teilweise richtig: In absoluten Zahlen zahlt Deutschland der Ukraine die meiste Militärhilfe. 18,6 Milliarden Euro wurden seit Kriegsausbruch zugesagt, 10,2 Milliarden Euro bisher davon ausgegeben. Hinter uns folgen Großbritannien mit bisher 8,9 Milliarden Euro tatsächlicher Ausgaben und Dänemark mit 6,4 Milliarden Euro.

Aber: Gerechnet nach Wirtschaftskraft oder pro Steuerzahler liegen andere Länder vorne. Demnach hat Deutschland gerade einmal 0,26 Prozent seines Bruttoinlandproduktes (BIP) aus dem Vorkriegsjahr 2021 investiert. Das reicht unter 42 Geberländern gerade einmal zum 16. Platz. Vorne liegt Dänemark mit 1,72 Prozent seines BIP, also mehr als sechsmal so viel, vor den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen mit 1,2 bis 1,5 Prozent ihres BIP.

Was wären die Folgen? Sollte ein Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine geschlossen werden oder besser noch, der Krieg dieses Jahr ganz enden, würden die Militärhilfen für die Ukraine sowieso wegfallen. Wagenknecht verrät aber wie gesagt nicht, wie ein solches Szenario in den kommenden vier Monaten erreicht werden soll und auch nicht, was mit den Militärhilfen passieren soll, wenn kein Waffenstillstand erfolgt. In diesem Sinne ist ihr erster Vorschlag also kaum realistisch umsetzbar.

2. Flüchtlingspolitik nach dänischem Vorbild

Was will Wagenknecht? Die Ausgaben für Flüchtlinge seien zu hoch, sagt Wagenknecht. 29,8 Milliarden Euro seien es allein im vergangenen Jahr gewesen. Eine Politik nach dänischem Vorbild würde diese Ausgaben kurzfristig – also schon 2025 - halbieren. Wagenknecht möchte also allein mit diesem Punkt 14,9 Milliarden Euro einsparen.

Was würde das bringen? Tatsächlich hat der Bund nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr die von Wagenknecht genannte Summe für Flucht und Migration ausgegeben. Was die BSW-Gründerin verschweigt: Schon in diesem Jahr soll diese Summe auf 24,9 Milliarden Euro sinken, für 2025 sind sogar nur 17,4 Milliarden Euro eingeplant. Der Bund arbeitet also sowieso schon daran, diese Kosten fast zu halbieren. Außerdem: Ein Großteil des Geldes, im vergangenen Jahr rund 10 Milliarden Euro, werden nicht für die Flüchtlinge hierzulande ausgegeben, sondern für die Bekämpfung von Fluchtursachen in deren Heimatländern, um künftige Fluchtursachen zu vermeiden.

Das „dänische Vorbild“, welches Wagenknecht preist, ist vor allem knallhart gegenüber Asylbewerbern. Ihnen werden Geld und Schmuck in bestimmtem Umfang abgenommen, sie dürfen nicht arbeiten, nur dort wohnen, wo der Ausländer-Anteil noch unter 30 Prozent liegt, müssen ihre Kinder in den Kindergarten schicken und werden von der Justiz härter bestraft, wenn sie Straftaten in festgelegten „sozialen Brennpunkten“ begehen. Zwischenzeitlich überlegte Dänemark auch, Asylbewerber nach Ruanda auszufliegen, um dort über ihren Antrag zu entscheiden, und abgelehnte Asylbewerber aus Syrien wieder in das Land zurückzuschicken -nur, um dann zu merken, dass das gar nicht geht.

Was wären die Folgen? Wagenknechts Vorschläge sind auch hier kaum umsetzbar. Den höchsten Anteil der Kosten für Flucht und Migration verursachen die Asylbewerber und anerkannten Flüchtlinge, die bereits im Land sind – überwiegend Ukrainer. Zweitteuerster Punkt ist die Bekämpfung von Fluchtursachen. Wo genau sie hier sparen möchte, verrät sie nicht. An beidem würde ein „dänisches Modell“ kaum etwas ändern, es würde lediglich dazu führen, dass weniger Asylbewerber in Zukunft nach Deutschland kämen. Das wäre aber nur ein kurzfristiger Erfolg, denn die Menschen fliehen ja weiterhin. Sie gehen dann eben in andere europäische Länder und wenn dann alle strenge Regeln nach dänischem Vorbild erlassen haben, dann steigen auch die Zahlen in Deutschland wieder, weil andere Länder dann nicht mehr attraktiver sind.

3. Abschaffung des Gebäudeenergiegesetzes

Was will Wagenknecht? Die BSW-Vorsitzende bezeichnet des Gebäudeenergiegesetz erst einmal fälschlich als „Heizungsgesetz“ und dann als das „das wahrscheinlich unsinnigste Gesetz dieser Regierung“ gegenüber dem Spiegel . Sie fordert, es sofort zurückzunehmen. Das würde 16,7 Milliarden Euro pro Jahr sparen.

Was würde das bringen? Zunächst einmal operiert Wagenknecht hier mit falschen Zahlen. Sie suggeriert, dass die Bundesregierung im Haushalt 16,7 Milliarden Euro für die Förderung neuer Heizungen eingeplant hätte, die laut Gebäudeenergiegesetz jetzt notwendig wären. Das ist Quatsch. Die maximale Fördersumme für eine Wärmepumpe liegt bei 21.000 Euro. Mit 16,7 Milliarden Euro ließen sich also fast 800.000 Heizungen dieser Art einbauen. Von so viel träumen nicht einmal die Grünen.

Tatsächlich sind die 16,7 Milliarden Euro die Fördermittel, die im Bundeshaushalt für alle energetischen Gebäudesanierungen vorgesehen sind. Dazu zählen zwar auch Heizungsanlagen nach dem neuen GEG, aber auch viel teurere Sanierungen wie neue Dämmungen von Dächern und Wänden, neue Fenster und Türen, die Förderung von Photovoltaikanlagen, Solarthermie und so weiter. Wenn Wagenknecht sagt, sie will das Heizungsgesetz stoppen, will sie also in Wirklichkeit jedwede energetische Sanierung in Deutschland stoppen.

Was wären die Folgen? Sie wären dramatisch. Auch eine Sarah Wagenknecht kann sich nicht dem Klimaschutzgesetz widersetzen, wonach Deutschland bis 2045 Co2-neutral werden muss. Das hat das Bundesverfassungsgericht eben allen Politikern im Land auferlegt. Wenn Sie also jegliche energetische Sanierung in Deutschland nicht mehr fördern will, dann ist die Frage, wie sie dieses Ziel in nur 21 Jahren zum Nulltarif im Gebäudesektor erreichen möchte. Realistisch ist das nicht, weswegen auch dieser Punkt auf Wagenknechts Liste nur heiße Luft ist.

4. Missmanagement bei der Bundeswehr beenden

Was will Wagenknecht? Neben den Militärhilfen für die Ukraine will sie auch an den Ausgaben für die Bundeswehr sparen. Allerdings geht es hier nicht um eine tatsächliche Kürzung der Leistungen, sondern um eine bessere Beschaffung von Waffen und Ausrüstung: „Missmanagement und Steuergeldverschwendung bei der Rüstungsbeschaffung lassen die Sektkorken bei der Rüstungsindustrie knallen, die Rechnung erhält der Steuerzahler“, sagt Wagenknecht.

Was würde das bringen? Die Frage lässt sich schwer beantworten, weil unklar ist, was Wagenknecht hier genau will. Sie beruft sich auf den aktuellsten Rüstungsbericht des Bundesverteidigungsministeriums und will hier 14 Milliarden Euro einsparen. Der Bericht selbst listet tatsächlich Mehrkosten in dieser Höhe bei 13 zentralen Beschaffungsmaßnahmen der Bundeswehr auf. Allerdings handelt es sich dabei um Mehrkosten aus den vergangenen Jahrzehnten. Der Löwenanteil mit 9 Milliarden Euro entfällt etwa auf die Mehrkosten der Entwicklung und Lieferung des Kampfjets „Eurofighter“. Der Bundestags-Beschluss dazu stammt aus dem Jahr 1988, der letzte Jet wurde 2019 bereits ausgeliefert. Die Mehrkosten verteilen sich hier also auf 31 Jahre. Ähnlich sieht es beim zweitgrößten Posten aus, der Bestellung des Flug-Transporters A400M, bei dem die Kosten gegenüber dem Bundestags-Beschluss vom Mai 2003 später um 1,6 Milliarden Euro anstiegen.

Was wären die Folgen? Auch wenn Wagenknecht die Zahlen hier maßlos übertreibt, haben viele Projekte der Bundeswehr in den vergangenen Jahrzehnten Mehrkosten angehäuft und damit tatsächlich Steuergeld verschwendet. Fraglich ist, ob sich so etwas bei Großprojekten immer vermeiden lässt und Wagenknecht verrät auch nicht, wie sie das erreichen möchte, aber gehen wir vom besten Fall aus. Bei den seit 2021 beschlossenen Rüstungsprojekten stiegen die Kosten bisher um insgesamt um rund 2 Milliarden Euro gegenüber dem ursprünglichen Plan an. Pro Jahr wären hier also rund 670 Millionen Euro Sparpotenzial vorhanden – nur knapp 5 Prozent der von Wagenknecht behaupteten Summe.

5. Abschaffung der Ökostrom-Förderung

Was will Wagenknecht? „Die Steuerzahler dürfen nicht länger zur Entschädigung für negative Strompreise zur Kasse gebeten werden“, sagt sie gegenüber dem Spiegel. Was sie damit meint, muss erklärt werden : An besonders sonnigen oder windigen Tagen speisen Solaranlagen und Windräder sehr viel Strom aus erneuerbaren Energien ins Stromnetz. Weil dieser sehr günstig ist, fallen unter dem Überangebot die Preise – teilweise sogar in den negativen Bereich. Wer Strom kauft, bekommt dann dafür sogar Geld. Die TU Darmstadt hatte zuletzt für das Handelsblatt ausgewertet, dass das im ersten Halbjahr 2024 insgesamt 224 Stunden lang passierte. Tendenz steigend. Den Staat kostet das Geld, weil er Solarstromerzeugern über die Einspeisevergütung einen Mindestpreis garantiert. Je tiefer also der Börsenstrompreis sinkt, desto mehr muss der Staat als Ausgleich zahlen. Gezahlt wird über das EEG-Konto, auf das früher die Einnahmen der EEG-Umlage von Verbrauchern flossen, bevor die Bundesregierung diese Kosten im Zuge der Energiekrise 2022 übernahm. Für 2024 waren 10,6 Milliarden Euro für das EEG-Konto im Bundeshaushalt vorgesehen, absehbar ist, dass es bis Jahresende aber bis zu doppelt so viel kosten könnte.

Was würde das bringen? Wagenknecht sagt, eine Abschaffung dieser Förderung würde eine zweistellige Milliardensumme pro Jahr sparen. Unklar ist, was sie genau ändern will. Sollte die Einspeisevergütung nur bei negativen Strompreisen nicht mehr gezahlt werden, dann käme ein solche Summe nicht einmal ansatzweise zu Stande. Möchte sie die Einspeisevergütung stark kürzen oder gänzlich abschaffen, dann wäre das möglich. Aber: Die Vergütung ist Besitzern von Solaranlagen für 20 Jahre Betriebsdauer garantiert und die Anlagen wurden unter diesen Bedingungen gebaut. Der Staat kann die Vergütung also nicht einfach abschaffen oder stark kürzen. So etwas würde unter Garantie von Gerichten wieder einkassiert werden.

Was wären die Folgen? Was Wagenknecht fordert, setzt die Bundesregierung schon um: Für neue Anlagen gibt es ab 2025 keine Einspeisevergütung bei negativen Strompreisen mehr. Sie wurde auch bisher schon unter bestimmten Bedingungen gestrichen. Auch sollen neue, große Solaranlagen schrittweise in den kommenden Jahren von der Vergütung ausgenommen werden. Das könnte dann tatsächlich mehrere Milliarden Euro pro Jahr sparen.

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