Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Donnerstag
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.
Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen:
Selenskyj fordert mehr Militärhilfe zur Flugabwehr
Teenager in Südukraine durch russischen Beschuss getötet
Ukraine will Techniksanktionen gegen Moskau
Schäden am AKW Chmelnyzkyj
EU nimmt russischen Diamantenhandel ins Visier
Die aktuelle Newslage:
+++ Selenskyj fordert mehr Militärhilfe zur Flugabwehr +++
Nach Schäden an Gebäuden des ukrainischen AKW Chmelnyzkyj hat Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr Waffenhilfe zur Abwehr russischer Luftangriffe gefordert. «Dieser Angriff auf das Kernkraftwerk ist eine weitere Erinnerung an alle unsere Partner, wie wichtig es ist, die Luftverteidigung der Ukraine zu stärken», sagte Selenskyj am Mittwochabend in seiner Videoansprache. Der Angriff zeige auch, wie leicht Russland immer noch Sanktionen umgehen und westliche Teile in seine Drohnen und Raketen einbauen könne.
Bei einem russischen Drohnenangriff in der Nacht zu Mittwoch waren im westukrainischen Gebiet Chmelnyzkyj 16 Menschen verletzt worden. Durch die Druckwelle von Explosionen in der Nähe des AKW barsten nach Angaben des ukrainischen Energieministeriums an mehreren Verwaltungsgebäuden die Fenster.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) bestätigte die Schäden. «Dieser Zwischenfall unterstreicht erneut die sehr prekäre Lage der nuklearen Sicherheit in der Ukraine, solange dieser tragische Krieg andauert», sagte IAEA-Direktor Rafael Grossi in Wien. Nicht nur Fenster und Gebäude seien beschädigt worden. Durch Stromausfälle in der Umgebung hätten Strahlenmessstationen rund um das Kernkraftwerk zeitweise mit Notstrom arbeiten müssen.
+++ Ukrainische Notenbank erhöht Wachstumsprognose auf fast fünf Prozent +++
Die ukrainische Notenbank hat die Prognose für das Wirtschaftswachstum trotz des russischen Angriffskrieges angehoben. Die Wirtschaft werde in diesem Jahr voraussichtlich um 4,9 statt wie bisher angenommen um 2,9 Prozent wachsen, teilte die Zentralbank am Donnerstag mit. Zugleich sinken die Erwartungen für die Inflationsrate von 10,6 auf 5,8 Prozent. Wirtschaft und Bevölkerung haben sich dem Zentralbankbericht zufolge inzwischen besser auf den Kriegszustand eingestellt.
Höhere Ernteschätzungen, neue Exportwege und erhöhte Haushaltsausgaben verbessern ebenfalls den Ausblick. Kiew erwartet demnach für dieses Jahr ausländische Gelder von umgerechnet mehr als 42 Milliarden Euro. Damit werde vor allem das Haushaltsdefizit von 29 Prozent der Wirtschaftsleistung gedeckt, hieß es. Bei ihrer monatlichen Sitzung hatte die Notenbank zudem den Leitzinssatz von 20 auf 16 Prozent abgesenkt.
+++ Ukraine-Verbrechen: Clooney-Stiftung kontaktiert Bundesanwaltschaft +++
Wegen mutmaßlicher russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine hat sich die Clooney Foundation for Justice an die Bundesanwaltschaft gewandt. Die Stiftung des US-Schauspielers George Clooney sieht in drei Komplexen Kriegsverbrechen durch Berichte von Opfern oder ihren Familien und durch Fotos, Videos sowie Satellitenbildern belegt. Eine Sprecherin der obersten deutschen Anklagebehörde bestätigte am Donnerstag die Vorlage der Fälle. Weitere Auskünfte dazu gab sie nicht.
In den von der Stiftung vorgelegten Fällen geht es einmal um einen Raketenangriff auf einen Touristenort in der Odessa-Region, bei dem im Sommer vor einem Jahr 22 Zivilisten getötet und 40 weitere schwer verletzt worden sein sollen. In einem zweiten Fall sollen russische Bodentruppen im damals besetzten Gebiet Charkiw zwischen März und September 2022 vier Männer gefoltert und hingerichtet haben. Ein dritter Vorgang identifiziert demnach Kommandeure russischer Einheiten, die während der Okkupation in der Region Kiew im März 2022 an Hinrichtungen, Folterungen, sexueller Gewalt und Plünderungen beteiligt gewesen sein sollen.
Die Clooney Foundation for Justice kämpft gegen Menschenrechtsverletzungen. Der politisch engagierte Hollywoodstar hat die Stiftung mit seiner Ehefrau, der Anwältin Amal Clooney, gegründet.
+++ Russland will ein Drittel seines Etats ins Militär stecken +++
Russland plant im Zuge seines Angriffskriegs gegen die benachbarte Ukraine die Erhöhung seines Militärbudget auf fast ein Drittel des Gesamthaushalts. Nach Aussagen von Finanzminister Anton Siluanow bei einer Plenarsitzung des Parlaments am Donnerstag soll der Verteidigungsetat 2024 auf 10,8 Billionen Rubel (etwa 110 Milliarden Euro) ansteigen. Insgesamt belaufen sich die Ausgaben im kommenden Jahr auf geplant 36,7 Billionen Rubel (370 Milliarden Euro). Der Sieg sei das Hauptziel, worauf das Staatsbudget und die Staatsressourcen fokussiert werden müssen, sagte Siluanow.
Im laufenden Jahr war nur etwa die Hälfte dieses Geldes für den Verteidigungshaushalt geplant. Medienangaben zufolge wurde diese Summe allerdings schon zur Jahresmitte überschritten und das Militärbudget deutlich aufgestockt.
+++ Russlands Vizeaußenminister spricht mit Hamas-Führung über Geiseln +++
Die russische Führung hat eigenen Angaben zufolge in Katar mit Hamas-Vertretern über das Schicksal der von der islamistischen Palästinenserorganisation gefangen gehaltenen Geiseln verhandelt. «Natürlich haben wir uns mit der politischen Führung (getroffen)», sagte Vizeaußenminister Michail Bogdanow am Donnerstag laut russischen Nachrichtenagenturen. Ergebnisse des Gesprächs teilte er nicht mit. Die Hamas hält im Gazastreifen nach israelischen Angaben mehr als 220 Menschen fest, die bei dem beispiellosen Angriff auf Israel am 7. Oktober verschleppt wurden. Mindestens zwei davon besitzen nach Angaben aus Moskau die russische Staatsbürgerschaft. Unter den Geiseln sind auch deutsche Staatsbürger.
Russland hat Beziehungen zur arabischen Welt, aber auch eine Vielzahl an Landsleuten, die in Israel leben. Vor diesem Hintergrund hat Moskau sich seit dem Ausbruch des Gaza-Kriegs mehrfach als Vermittler angeboten. Zugleich hat Präsident Wladimir Putin den USA die Verantwortung für das Aufflammen der Gewalt in Nahost zugeschoben und behauptet, die US-Nahostpolitik sei nicht auf die Bedürfnisse der Palästinenser eingegangen. Russland selbst wiederum wird vorgeworfen, die Eskalation in Israel auszunutzen, um von seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine abzulenken.
+++ Lage um umkämpfte Stadt Awdijiwka in Ostukraine verschärft sich +++
Bei der umkämpften Stadt Awdijiwka im Osten der Ukraine hat sich die Lage für Kiews Truppen verschärft. «Hier findet eine Schlacht statt, in die der (russische) Feind seine Hauptkräfte wirft», schrieb der gut im Militär vernetzte Journalist Jurij Butussow am Donnerstag bei Telegram. Russisches Militär hat nach seinen Angaben entlang eines Eisenbahndamms nördlich der Stadt ein Gebiet von etwa einem Kilometer Breite erobert.
Vorstöße über den Damm werden in Richtung der Dörfer Stepowe und Berdytschi und das Gelände der stadtprägenden Koksfabrik erwartet. Verschiedenen Quellen zufolge hat sich der ukrainisch kontrollierte Nachschubkorridor auf sechs bis acht Kilometer verringert.
Von einst über 30 000 Einwohnern sind in der stark zerstörten Industriestadt nur noch etwa 1000 verblieben. Awdijiwka ist bereits mehr als zur Hälfte von russischen Truppen eingeschlossen. Dem ukrainischen Generalstab zufolge sind in Stadtnähe im Verlauf des vergangenen Tages 15 russische Angriffe abgewehrt worden.
+++ Teenager in Südukraine durch russischen Beschuss getötet +++
In der südukrainischen Region Cherson ist offiziellen Angaben zufolge ein 13 Jahre alter Teenager durch russischen Beschuss getötet worden. Nach Angaben der ukrainischen Behörden vom Donnerstag seien zudem mindestens vier weitere Menschen durch die Angriffe verletzt worden. Der regionale Militärgouverneur Olexander Prokudin rief vor diesem Hintergrund Eltern dazu auf, ihre Kinder aus der Region zu evakuieren. «Sorgen Sie für ihre Sicherheit! Ihr seht, wie intensiv der Beschuss ist», schrieb er auf Telegram. Am Mittwoch hatten die Chersoner Behörden bereits über den Tod eines 42 Jahre alten Mannes berichtet.
+++ Ukraine will Techniksanktionen gegen Moskau +++
Vor dem EU-Krisengipfel am Donnerstag fordert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schärfere Techniksanktionen gegen den Angreifer Russland. «Die Sanktionen gegen Russland müssen ausgeweitet und verstärkt werden», sagte Selenskyj in einer Videoansprache. Genau dies werde er den EU-Staats- und Regierungschefs sagen, die sich ab Donnerstag in Brüssel versammeln. Der ukrainische Präsident soll per Video zu dem Treffen zugeschaltet werden. Die europäische Unterstützung für sein angegriffenes Land ist ein Thema des Gipfels, neben dem zweiten Krisenherd in Nahost.
In den Kampfdrohnen und Raketen, die Russland gegen die Ukraine einsetze, seien viele Teile aus anderen Ländern verbaut, auch von westlichen Firmen, sagte Selenskyj. Moskau könne die Sanktionen zu leicht umgehen. Jeder russische Angriff auf die ukrainische Infrastruktur sei «ein Beleg dafür, dass der Druck auf den Terrorstaat nicht ausreicht».
+++ Schäden am AKW Chmelnyzkyj +++
Selenskyj forderte von den Partnerländern auch mehr Flugabwehrwaffen, nachdem Explosionen Schäden an Gebäuden des AKW Chmelnyzkyj angerichtet haben. «Dieser Angriff auf das Kernkraftwerk ist eine weitere Erinnerung an alle unsere Partner, wie wichtig es ist, die Luftverteidigung der Ukraine zu stärken.» Das sagte Selenskyj am Mittwochabend in seiner Videoansprache in Kiew.
Ein russischer Drohnenangriff hatte in der Nacht zuvor das westukrainische Gebiet Chmelnyzkyj getroffen. Durch die Druckwelle von Explosionen in der Nähe des AKW barsten nach Angaben des Energieministeriums an mehreren Verwaltungsgebäuden die Fenster.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) bestätigte die Schäden. «Dieser Zwischenfall unterstreicht erneut die sehr prekäre Lage der nuklearen Sicherheit in der Ukraine, solange dieser tragische Krieg andauert», sagte IAEA-Direktor Rafael Grossi in Wien.
+++ Selenskyj: Russische Luftwaffe zieht sich zurück +++
Nach erfolgreichen ukrainischen Angriffe auf russische Fliegerhorste in Luhansk und Berdjansk beobachtet die Ukraine nach Angaben Selenskyjs, dass die russische Luftwaffe Fluggerät auch von der Halbinsel Krim abzieht. Bei den Attacken setzte Kiew mutmaßlich die von den USA gelieferten ATACMS-Raketen ein und viele russische Hubschrauber und Flugzeuge außer Gefecht. «Erst flieht die russische Marine, und jetzt flieht die russische Luftwaffe», sagte Selenskyj zur Lage auf der Krim. Die Ukraine werde alle besetzten Gebiete ohne Ausnahme befreien, versprach er. Er dankte den Partnern, die seinem Land Waffen mit größerer Reichweite geliefert hätten.
+++ Kaum Veränderungen an der Front +++
An der fast 1000 Kilometer langen Front im Osten und Süden der Ukraine gab es nach Angaben des ukrainischen Generalstabs zwar schwere Gefechte, aber kaum Veränderungen. Die ukrainische Armee habe russische Sturmangriffe bei den Orten Kupjansk, Lyman, Bachmut und Awdijiwka zurückgeschlagen, hieß es im Lagebericht für Mittwoch. Ihrerseits setze die Ukraine Angriffe bei Bachmut im Osten und Werbowe im Süden fort. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Der Kiewer Generalstab äußerte sich nicht zu angeblichen ukrainischen Vorstößen auf dem russisch besetzten Dnipro-Ufer im südlichen Gebiet Cherson. Davon berichteten Militärblogger.
+++ EU nimmt russischen Diamantenhandel ins Visier +++
In der EU wird an einem zwölften Paket mit Sanktionen gegen Russland gearbeitet. Wie ranghohe EU-Beamte in Brüssel sagten, gibt es Pläne für die Beschränkung des Handels mit Diamanten aus Russland. Zudem könnte es unter anderem ein Importverbot für Aluminium geben sowie Exportbeschränkungen für weitere Güter, die sich zivil und militärisch nutzen lassen.
Es sei unglaublich, was für Bauteile von den Ukrainern in russischen Raketen gefunden würden, sagte ein Beamter zu Gütern mit doppeltem Verwendungszweck. Manchmal würden Mikrochips entdeckt, die normalerweise in Kühlschränken verbaut seien. Genau auf dieses Problem weist auch Selenskyj hin.
Die neuen EU-Sanktionen sollen im Idealfall noch dieses Jahr beschlossen werden. Schon länger gibt es weitreichende Einfuhrverbote für Rohöl, Kohle, Stahl, Gold und Luxusgüter aus Russland. Dazu kommen Strafmaßnahmen gegen Banken und Finanzinstitute.
+++ Russland lässt seine Atomstreitkräfte üben +++
Russland hat nach Kreml-Angaben bei einer Übung der Nuklearstreitkräfte zwei Interkontinentalraketen und mehrere Marschflugkörper abgefeuert. Das Manöver fand demnach unter Leitung des Oberkommandierenden, also Präsident Wladimir Putin, statt. Eine Interkontinentalrakete sei von einem Atom-U-Boot abgeschossen worden, eine zweite von einer mobilen Abschussrampe auf dem Gelände des nordrussischen Weltraumbahnhofs Plessezk. Die Marschflugkörper seien von strategischen Langstreckenbombern des Typs Tupolew Tu-95MS aus gestartet worden.
Unterdessen kündigte der russische Sicherheitsrat eine Vergrößerung der Armee an. Anlass seien die Kämpfe in der Ukraine und die Erweiterung des militärischen Potenzials der Nato. Das sagte Ex-Präsident Dmitri Medwedew, jetzt Vizesekretär des Sicherheitsrates. Seinen Angaben nach sollen 2024 ein neues Armeekorps, 7 Divisionen, 19 Brigaden, 49 Regimenter und eine Marineflotille aufgestellt werden.