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Ukraine-Krieg: Die Ereignisse am Freitag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Hier gibt's die aktuellen Entwicklungen.

Ukraine-Krieg: Die aktuellen Entwicklungen. (Symbolbild: Getty)
Ukraine-Krieg: Die aktuellen Entwicklungen. (Symbolbild: Getty)

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen.

  • Behörden schließen Exhumierungen in Isjum ab - 436 Leichen

  • Teilmobilmachung: Angst vor Kriegsdienst treibt Russen ins Ausland

  • Scheinreferenden: Kreml will ukrainische Gebiete rasch annektieren

  • Kreml beklagt Hysterie nach Mobilmachung

  • Russische Kriegsdienstverweigerer - Bundesregierung will EU-Lösung

  • Berlusconi mit Aufreger kurz vor Wahl: Putin wurde zu Krieg gedrängt

  • Selenskyj fordert Russen zum Protest auf

  • Scheinreferenden in besetzten Gebieten in Ostukraine begonnen

Die Newslage im Livestream:

+++ Behörden schließen Exhumierungen in Isjum ab - 436 Leichen +++

In der kürzlich von ukrainischen Truppen zurückeroberten östlichen Stadt Isjum stehen die Exhumierungen in einem Waldstück mit mehr als 400 neuen Gräbern vor dem Abschluss. «Insgesamt wurden 436 Leichen gefunden», teilte der Gouverneur des Gebiets Charkiw, Oleh Synjehubow, am Freitag im Nachrichtendienst Telegram mit. Von diesen sei die Mehrzahl eines gewaltsamen Todes gestorben. 30 Leichen wiesen Folterspuren auf, erklärte er weiter. Der Verkehrsknotenpunkt Isjum war ukrainischen Angaben nach vom 1. April bis zum 10. September von russischen Truppen besetzt gewesen.

Gouverneur Synjehubow erklärte, es habe Tote gegeben, die eine Schlinge um den Hals geschnürt hatten, es habe gefesselte Hände, gebrochene Gliedmaßen und Schusswunden gegeben. «Bei einigen Männern sind die Genitalien amputiert worden», schrieb Synjehubow. Die Mehrzahl der Toten seien Zivilisten gewesen, aber auch 21 Soldaten seien dort begraben worden. Die Angaben des Gouverneurs ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Synjehubow zufolge wurden in Isjum noch mindestens drei weitere Stellen mit Gräbern gefunden. Zudem sei dem Chef der ukrainischen Polizei, Ihor Klymenko, zufolge im Gebiet Charkiw im Ort Kosatscha Lopan ein Massengrab gefunden worden. Dieses werde demnächst von Spezialisten untersucht, erklärte er.

Nach der Rückeroberung Isjums waren in dem Waldstück an einem Friedhof über 440 mit Kreuzen gekennzeichnete Gräber gefunden worden. Russland begann seinen Angriffskrieg gegen die benachbarte Ukraine vor sieben Monaten.

+++ Nawalny nennt Putin Verbrecher und geht erneut in Einzelhaft +++

Der inhaftierte Kremlkritiker Alexej Nawalny ist nach seiner Kritik an der von Präsident Wladimir Putin befohlenen Teilmobilmachung erneut in Einzelhaft verlegt worden. «Was ich zur Mobilisierung gesagt habe, hat nicht gefallen - also kriegst Du, Nawalny, zwölf Tage (Karzer)!», sagte der Oppositionelle am Freitag dem Internetportal Mediazona zufolge während einer Gerichtsverhandlung. In einer Verhandlung zuvor am Mittwoch hatte er Putin vorgeworfen, «Hunderttausende in seine Verbrechen» zu verstricken, indem er sie in den Krieg gegen die Ukraine schicke.

Nawalny wurde damit bereits das fünfte Mal hintereinander in die Isolierzelle geschickt. Der 46-Jährige betonte, dass er sich davon nicht einschüchtern lassen wolle. Am Freitag wiederholte er daher seine Vorwürfe gegen Kremlchef Wladimir Putin. «Putin fesselt Hunderttausende mit Blut, seinen Mobilmachungen und «Referenden»», kritisierte der Politiker.

Nawalny sitzt seit 2021 im Gefängnis, nachdem er nach einem gescheiterten Giftanschlag gegen ihn in seine Heimat zurückgekehrt war. Nach Angaben von Amnesty International wird dem russischen Oppositionellen, der wegen angeblichen Betrugs zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, unter anderem der vertrauliche Austausch mit seinem Anwalt verweigert.

+++ EU-Ratschef Michel fordert Suspendierung Russlands aus Sicherheitsrat +++

EU-Ratspräsident Charles Michel hat die Suspendierung Russlands aus dem UN-Sicherheitsrat gefordert. «Wenn ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates einen nicht provozierten und nicht zu rechtfertigenden Krieg auslöst, einen Krieg, der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verurteilt wurde, sollte seine Suspendierung vom Sicherheitsrat meiner Meinung nach automatisch erfolgen», sagte der Belgier am Freitag bei der UN-Generalversammlung in New York.

Faktisch ist es allerdings nicht möglich, Entscheidungsprozesse in dem mächtigsten UN-Gremium gegen den Willen einer Vetomacht wie Russland durchzusetzen.

Ein robustes multilaterales System setze gegenseitiges Vertrauen voraus, sagte Michel. Das aktuelle System sei jedoch nicht ausreichend integrativ und repräsentativ. «Der Gebrauch des Vetorechts sollte die Ausnahme sein, wird aber zur Regel. Eine Reform ist dringend erforderlich», sagte Michel. Der für 2024 geplante UN-Zukunftsgipfel sei eine «historische Gelegenheit», um solch radikale Änderungen vorzunehmen.

+++ Teilmobilmachung: Angst vor Kriegsdienst treibt Russen ins Ausland +++

Nach Beginn einer Teilmobilmachung in Russland fliehen Männer im wehrfähigen Alter in Scharen ins Ausland, um sich vor einem drohenden Einsatz im Ukraine-Krieg in Sicherheit zu bringen. Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit seiner Anordnung am Mittwoch, nach militärischen Rückschlägen 300 000 Reservisten zu mobilisieren, in vielen Familien Panik ausgelöst. Am Freitag informierte die an Russland grenzende zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik Kasachstan über vermehrte Einreisen aus Russland. Zuvor hatten etwa auch die Ex-Sowjetrepubliken Armenien und Georgien im Südkaukasus über massenhafte Einreisen gesprochen. Flüge sind über Tage ausgebucht und mit mehreren Tausend Euro so teuer, dass es sich viele schlicht nicht leisten können.

Die Ziele in früheren Sowjetrepubliken sind besonders beliebt, weil Russen dort kein Visum brauchen. Außerdem ist die russische Sprache verbreitet. Auch die Türkei ist ein Ziel für Kriegsdienstverweigerer. Von den EU-Staaten, die an Russland grenzen, ließ vor allem Finnland noch Russen einreisen. Allerdings nur mit einem Schengen-Visum.

In den von Moskau besetzten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine haben am Freitag die Scheinreferenden über einen Beitritt der Regionen zur Russischen Föderation begonnen. Der Kreml geht von einem Ja für einen Beitritt aus und hat eine rasche Annexion der Gebiete angekündigt. Es handelt sich um Scheinreferenden, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. Auch eine freie Arbeit internationaler unabhängiger Beobachter ist nicht möglich.

+++ Scheinreferenden: Kreml will ukrainische Gebiete rasch annektieren +++

Der Kreml geht bei den Scheinreferenden in den besetzten ukrainischen Gebieten von einem Ja für einen Beitritt zu Russland aus und hat eine rasche Annexion der Gebiete angekündigt. Das Verfahren für eine Aufnahme der Regionen könne schnell gehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge am Freitag. Zugleich betonte er, dass dann Versuche der Ukraine, sich die Gebiete zurückzuholen, als ein Angriff auf die Russische Föderation gewertet würden. Kremlchef Wladimir Putin hatte bereits erklärt, die Gebiete mit allen Mitteln zu verteidigen.

«Zunächst gehen wir davon aus, dass die Sicherheit garantiert ist für das entsprechende Niveau der Abhaltung der Referenden», sagte Peskow. Die vom Westen und der Ukraine nicht anerkannten Scheinabstimmungen sind am Morgen in den von russischen Truppen besetzten Teilen der Gebiete Donzek, Luhansk, Saporischschja und Cherson angelaufen. Die Menschen dort haben bis Dienstag Zeit, über die Frage zu entscheiden, ob sie für oder gegen einen Beitritt zur Russischen Föderation sind.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (Bild: Sputnik/Sergey Guneev/Kremlin via REUTERS)
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (Bild: Sputnik/Sergey Guneev/Kremlin via REUTERS)

Russland beruft sich auf das «Selbstbestimmungsrecht der Völker». Weder die Ukraine noch die internationale Gemeinschaft erkennen diese Abstimmung unter der Besatzungsmacht Russland und bewaffneten Truppen an. Es handelt sich um Scheinreferenden, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. Auch eine freie Arbeit internationaler unabhängiger Beobachter ist nicht möglich.

Zugleich machte Kremlsprecher Peskow deutlich, dass es derzeit keine Grundlage gebe für Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Präsident Wladimir Putin habe erklärt, dass die ukrainische Regierung aus den Gesprächen ausgestiegen sei und entschieden habe, den Konflikt auf dem «Schlachtfeld» zu entscheiden. Putin habe darauf reagiert, meinte Peskow. Der Kremlchef hatte wegen Rückschlägen bei seinem Angriffskrieg gegen das Land in dieser Woche eine Teilmobilmachung angeordnet, um mehr Personal zu haben für die Kämpfe.

+++ Kreml beklagt Hysterie nach Mobilmachung +++

Nach dem Befehl von Kremlchef Wladimir Putin zur Teilmobilmachung für den Krieg in der Ukraine hat die Führung in Moskau «Hysterie» im Land beklagt. Zugleich schloss sie Reservisten mit bestimmten Berufen von der Zwangsrekrutierung aus. So würden etwa IT-Spezialisten, Experten zur Sicherung des Finanzsystems oder auch Mitarbeiter der Massenmedien, die zu den «systemerhaltenden» Berufen gehörten, nicht eingezogen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit.

Angesichts der Einberufung von Reservisten für den Krieg in der Ukraine verließen Tausende Männer fluchtartig das Land. Der Exodus gilt als Gefahr auch für die russische Wirtschaft. Schon nach dem von Putin angeordneten Einmarsch in die Ukraine im Februar hatten Zehntausende Menschen das Land verlassen. Für den Krieg in dem Nachbarland will Putin mindestens 300 000 Reservisten einziehen lassen.

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+++ EU-Krisentreffen zu russischen Kriegsdienstverweigerern angesetzt +++

Der Umgang mit russischen Kriegsdienstverweigern soll auf EU-Ebene koordiniert werden. Die derzeitige tschechische EU-Ratspräsidentschaft berief für kommenden Montag eine Sitzung der 27 EU-Botschafter unter dem sogenannten Krisenreaktionsmechanismus, wie eine Sprecherin mitteilte. Dies zeige, «wie ernst wir die aktuellen Entwicklungen in Russland und der Ukraine nehmen und wie entschlossen wir sind, eine wirksame Reaktion zu koordinieren».

Die Botschafter sollten von Experten gebrieft werden. Zudem sollten die «Perspektiven und Bedenken» der verschiedenen Länder berücksichtigt werden. Bislang sind die 27 Staaten weit von einer gemeinsamen Linie im Umgang mit jenen Männern, die nicht für Russland gegen die Ukraine kämpfen wollen, entfernt. Die Bundesregierung dringt auf eine einheitliche Position.

+++ Berlusconi mit Aufreger kurz vor Wahl: Putin wurde zu Krieg gedrängt +++

Italiens früherer Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat kurz vor der Parlamentswahl mit einer Aussage über Wladimir Putin für Aufsehen gesorgt. Der 85-Jährige behauptete in einem TV-Interview am Donnerstagabend, der Kremlchef sei zum Einmarsch in die Ukraine gedrängt worden. «Putin wurde von der russischen Bevölkerung, von einer Partei, von seinen Ministern gedrängt, sich diese Spezialoperation auszudenken», sagte Berlusconi im Sender Rai.

Berlusconi ist ein Freund des russischen Präsidenten und zögerte nach Kriegsausbruch lange, die Invasion zu verurteilen. Nun sagte er: «Putin ist in eine wirklich schwierige und dramatische Situation gerutscht.» Er benutze diesen Ausdruck bewusst, weil Putin von Vertretern der zwei selbst ernannten Republiken im Donbass im Februar aufgefordert worden sei, einzuschreiten. Diese hätten Putin überredet mit der Behauptung, die Ukraine greife die Gebiete immer heftiger an.

Berlusconi ist ein Freund des russischen Präsidenten Putin (Bild: AFP)
Berlusconi ist ein Freund des russischen Präsidenten Putin (Bild: AFP)

Des Weiteren sagte der Parteichef von Forza Italia, der als kleinerer Partner einer Rechts-Koalition beste Chancen auf einen Wahlsieg am Sonntag hat, Putin habe die Regierung in Kiew von Wolodymyr Selenskyj austauschen wollen «mit einer Regierung von anständigen Leuten».

Die Aussagen des Medienunternehmers, der neben seiner Politik durch Skandale aufgefallen war, alarmieren all jene, die eine Zuwendung Italiens an Russland nach der Wahl fürchten. Neben Berlusconi ist auch Matteo Salvini Teil des Rechtsblocks - der Lega-Chef war jahrelange Fan Putins und kritisiert die Sanktionen des Westens gegen Moskau.

«Wirklich tragisch» nannte Zentrums-Spitzenkandidat Carlo Calenda den Auftritt Berlusconis und nannte den Forza-Italia-Gründer «irgendetwas zwischen Pressesprecher Putins und Militärberater». Der frühere Ministerpräsident Enrico Letta von den Sozialdemokraten twitterte am Freitag: «Es gibt keine Worte, um das zu kommentieren.»

Am Donnerstag hatte die russische Botschaft in Rom mit einem Beitrag bei Facebook provoziert, in dem sie Fotos italienischer Politiker bei deren Treffen mit Putin aus den vergangenen Jahren veröffentlichte. Darunter waren Berlusconi und Salvini, aber auch andere Wahlkämpfer wie Letta, Giuseppe Conte, Matteo Renzi oder Luigi Di Maio und sogar Staatspräsident Sergio Mattarella und Vorgänger Giorgio Napolitano. «Aus der jüngeren Geschichte der russisch-italienischen Beziehungen», stand daneben. «An einige müssen wir uns erinnern.»

+++ Kiew: Russische Scheinreferenden sind «Propagandashow» +++

Die Ukraine hat die von Russland organisierten Scheinreferenden in den besetzten Gebieten im Osten und Süden des Landes als «Propagandashow» des Kreml bezeichnet. «Heute gibt es in den besetzten Gebieten keinen juristischen Vorgang, der "Referendum" genannt werden kann», schrieb der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, am Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter. Die «Show» diene lediglich als Hintergrund für die Teilmobilmachung in Russland. Zugleich sagte Podoljak, dass die besetzten Gebiete «unverzüglich befreit» werden müssten.

In den russisch kontrollierten Teilen der Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson begannen Scheinreferenden über den Beitritt zu Russland. International wurden diese bereits als juristisch nichtig bezeichnet. Kiew drohte den Organisatoren des Vorgangs mit Strafverfolgung wegen Hochverrats. Zudem werde vor allem bei Mitarbeitern staatlicher Verwaltungen die Annahme russischer Pässe rechtlich geahndet. In den Gebieten gibt es viele Kollaborateure.

+++ Barbra Streisand unterstützt ukrainische Spendenplattform United24 +++

Die US-Schauspielerin und Sängerin Barbra Streisand (80) hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ihre Unterstützung als Botschafterin für die Spendenplattform United24 zugesagt. «Ich bin bewegt von der Widerstandsfähigkeit und dem Mut des ukrainischen Volkes», schrieb die mehrfache Oscar- und Grammygewinnerin am Donnerstagabend (Ortszeit) auf Twitter und veröffentlichte ein Foto, das sie im Videotelefonat mit Selenskyj zeigte.

In einer Mitteilung der Crowdfunding-Plattform hieß es, Streisand habe im Gespräch mit Selenskyj ihre persönliche Verbindung zur Ukraine betont. Ihre Großeltern seien von dort aus in die USA eingewandert. Streisand schrieb auf Twitter, sie werde die Initiative künftig dabei unterstützen, Mittel für medizinische Hilfe zu beschaffen, und warb um Unterstützung für ukrainische Ärzte: «Sie brauchen uns jetzt mehr denn je». Ihre Glückszahl sei 24, deshalb habe sie selbst 24 000 Dollar (knapp 24 600 Euro) gespendet.

«Die Welt ist es vielleicht ein wenig leid, täglich an die Ukraine zu denken», schrieb Selenskyj auf Instagram und dankte der Schauspielerin für ihre Unterstützung. Es sei sehr wichtig für das osteuropäische Land, dass talentierte und berühmte Menschen wie Streisand die Plattform unterstützen.

+++ Missbrauch, Folter, Tod: UN-Report zu russischen Kriegsverbrechen +++

Eine UN-Untersuchungskommission hat eigenen Angaben zufolge verschiedene russische Kriegsverbrechen in der Ukraine festgestellt. Die Experten haben unter anderem sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalttaten mancher russischer Soldaten dokumentiert, wie der Kommissionsvorsitzende Erik Møse am Freitag in einem ersten mündlichen Zwischenbericht erklärte. Die Opfer dieser Verbrechen seien zwischen 4 und 82 Jahre alt, sagte er im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf.

Die Untersuchung der Menschenrechtsexperten konzentrierte sich vorerst auf die Anfangsphase der Invasion im Februar und März und auf die Regionen Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy. Bei Besuchen an diesen Kriegsschauplätzen fiel der Kommission eine hohe Zahl an Exekutionen auf. Opfer seien oft vor ihrem Tod festgenommen und gefesselt worden. Tote wiesen Schusswunden in den Köpfen und aufgeschlitzte Kehlen auf. Derzeit liefen Untersuchungen in 16 Orten, hieß es weiter in dem Bericht, der keine Opferzahl nannte.

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+++ Rufe nach erleichterter Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer +++

Nach der Teilmobilmachung in Russland machen Politiker aus Koalition und Opposition sich für die erleichterte Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer und Deserteure in Deutschland stark. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte der «Rheinischen Post» (Freitag): «Wer sich als Soldat an dem völkerrechtswidrigen und mörderischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nicht beteiligen möchte und deshalb aus Russland flieht, dem muss in Deutschland Asyl gewährt werden.»

SPD-Faktionsvize Dirk Wiese sagte der Zeitung, allein die verschärften Strafen, die Menschen bei Entzug der Einberufung drohten, «halte ich bereits nach jetziger Rechtslage für ausreichend als Asylgrund». Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, die Menschen, die sich jetzt gegen die Einberufung wehrten, seien «ungeheuer mutig». «Solche Menschen zu
unterstützen, solchen Menschen Zuflucht zu geben, das halte
ich wirklich für selbstverständlich», sagte Weil in der RTL/ntv-Sendung «Frühstart».

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag), humanitäre Visa müssten jetzt großzügig und umfassend ausgelegt werden. «Das muss auch für Soldaten gelten, die sich offen gegen das Putin-Regime stellen.»

+++ Kasachstan berichtet über vermehrte Einreisen aus Russland +++

Immer mehr Russen fliehen aus Angst vor der von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Teilmobilmachung für seinen Krieg gegen die Ukraine ins Ausland. Am Freitag informierte auch die benachbarte zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik Kasachstan über vermehrte Migration aus Russland. Die Zahlen der Einreisen mit dem Auto stiegen an verschiedenen Übergängen, teilte der Grenzschutz in der Hauptstadt Astana mit. Die Lage sei unter «besonderer Kontrolle», hieß es. Zuvor hatten etwa auch die Ex-Sowjetrepubliken Armenien und Georgien im Südkaukasus über massenhafte Einreisen gesprochen. Flüge sind über Tage ausgebucht. Viele Russen fliehen mit dem Auto.

Diese Ziele sind besonders beliebt, weil Russen dort kein Visum brauchen. Außerdem ist die russische Sprache verbreitet. Viele Russen fliehen, um nicht für den Krieg gegen die Ukraine eingezogen zu werden. Putin will 300 000 Reservisten mobilisieren. Das hatte Panik ausgelöst in vielen Familien.

Derweil wachsen in den Ex-Sowjetrepubliken angesichts der Vielzahl an Russen, die schon zu Beginn des von Putin angeordneten Krieges gegen die Ukraine eingereist sind, die Sorgen. So stiegen etwa wegen der Nachfrage nach Wohnraum die Mietkosten und die Preise für Eigentum, wie etwa der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan beklagte.

Das kasachische Außenministerium bestätigte, dass es Sorgen bei den Einheimischen gebe. «Die Stabilität unseres Staates unter den Bedingungen von Turbulenzen um ihn herum wird ernsthaft auf den Prüfstand gestellt», hieß es in der Mitteilung. Die nationale Sicherheit habe in der «schweren geopolitischen Situation» Vorrang.

+++ Selenskyj fordert Russen zum Protest auf +++

In vier von Russland besetzten ukrainischen Gebieten laufen die letzten Vorbereitungen für Scheinreferenden über einen Beitritt zu Russland. Die Abstimmungen unter Kriegsrecht in Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja sollen am Freitag beginnen und sind ohne Chance auf breite internationale Anerkennung. Mit der von ihr initiierten Teilmobilisierung stößt die Führung in Moskau derweil auch im eigenen Land auf Widerstand, den die Ukraine zusätzlich zu schüren versucht: Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Russen in seiner täglichen Videobotschaft am Donnerstag dazu auf, gegen die Mobilisierung zu protestieren und sich der Einberufung zu entziehen.

«Protestiert! Kämpft! Lauft weg! Oder begebt Euch in ukrainische Kriegsgefangenschaft! Das sind die Varianten für Euch zu überleben», sagte Selenskyj in seiner auf Russisch vorgetragenen Ansprache. Seinen Angaben nach sind bereits 55 000 russische Soldaten in der Ukraine ums Leben gekommen, laut Moskau sind es knapp 6000. Mit einem Appell wandte sich Selenskyj an die Mütter und Ehefrauen der Einberufenen: «Zweifelt nicht daran, dass die Kinder der Führung Eures Staats nicht am Krieg gegen die Ukraine teilnehmen. Diejenigen, die die Entscheidungen in Eurem Land treffen, schützen ihre Kinder. Und Eure Kinder werden nicht einmal beerdigt.»

An die eigenen Landsleute gerichtet erklärte Selenskyj, die Mobilisierung in Russland sei ein Zeichen der Stärke der Ukraine. Mit der Entscheidung werde der Krieg für die Russen nicht mehr nur ein Ereignis aus dem Fernsehen sein, sondern ins reale Leben einziehen. Für die Ukrainer hingegen ändere sich dadurch nichts, sie würden weiter für die Befreiung ihres Landes kämpfen, gab er sich überzeugt. Mit Blick auf die UN-Vollversammlung erklärte der ukrainische Präsident, dass die Ukraine nun von einem noch größeren Kreis an Staaten der internationalen Gemeinschaft unterstützt werde.

+++ Scheinreferenden in besetzten Gebieten in Ostukraine begonnen +++

In den von Moskau besetzten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine haben am Freitag die Scheinreferenden über einen Beitritt der Regionen zur Russischen Föderation begonnen. Von einem historischen Tag sprach der Separatistenchef Denis Puschilin in der von Russland anerkannten «Volksrepublik Donezk». «Dieses Referendum ist entscheidend, es ist der Durchbruch in eine neue Realität», sagte er in einem im Nachrichtenkanal Telegram veröffentlichten Video.

Auch die Regionen Luhansk und Saporischschja informierten über den Start der Abstimmungen. Angesetzt war zudem ein Scheinreferendum in der südukrainischen Region Cherson. Die Hunderttausenden Menschen haben bis zum 27. September Zeit, ihre Stimmen abzugeben. Das Gebiet Luhansk teilte mit, dass auch nach Russland geflohene Bürger dort abstimmen könnten.

Russland will sich mit Hilfe des Ergebnisses die Gebiete einverleiben und beruft sich auf das «Selbstbestimmungsrecht der Völker». Weder die Ukraine noch die internationale Gemeinschaft erkennen die Abstimmung unter der Besatzungsmacht Russland an. Es handelt sich um Scheinreferenden, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. Auch eine freie Arbeit internationaler unabhängiger Beobachter ist nicht möglich.

«Wir kommen nach Hause zurück», sagte Puschilin. Das sei nicht nur ein Gewinn für die Menschen im Donbass, sondern auch für Russland, das dann wachsen werde. «Der Donbass ist Russland.»

+++ London: Russlands entscheidende Kriegsziele in Ukraine in Gefahr +++

Die ukrainische Armee setzt nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten die russischen Besatzer inzwischen in Gebieten unter Druck, die Moskau für seine Kriegsziele als entscheidend ansieht. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London am Freitag hervor.

So bröckle bereits die Verteidigungslinie, auf die sich die Russen nach jüngsten Gebietsverlusten im Nordosten des Landes zurückgezogen hatten. Als Hinweis dafür sehen die Briten, dass die Ukrainer bereits Brückenköpfe am östlichen Ufer des Flusses Oskil im Oblast Charkiw errichtet haben. Die Russen wollten den Fluss demnach eigentlich in eine befestigte Verteidigungslinie integrieren.

Etwas südlicher, im Oblast Donezk, dauern den Briten zufolge die Kämpfe bei Angriffen der Ukrainer auf die Stadt Lyman am Ostufer des Flusses Siwerskyj Donez an. Russlands Invasionstruppen hatten die Stadt im Mai erobert.

+++ Diplomatischer Schlagabtausch bei den Vereinten Nationen +++

In New York, wo Selenskyj am Vortag seine Rede vor den Vereinten Nationen gehalten hatte, gingen derweil die verbalen Auseinandersetzungen zwischen Russland und der vom Westen unterstützten Ukraine weiter. Moskau habe keinerlei Interesse an Friedensgesprächen und «sucht nur nach einer militärischen Lösung», sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba vor dem UN-Sicherheitsrat. Russischen Diplomaten warf er ein «außergewöhnliches Maß an Lügen» vor. Mit Blick auf den russischen Außenminister Sergej Lawrow, der den Saal bei dem Treffen zur Ukraine rund 90 Minuten zu spät betreten und dann direkt nach seiner Rede wieder verlassen hatte, sagte Kuleba: «Ich habe heute auch bemerkt, dass russische Diplomaten genauso fliehen wie russische Soldaten.»

Lawrow wiederum warf dem Westen wegen dessen Waffenlieferungen und der Unterstützung für Kiew eine direkte Einmischung in den Krieg vor. «Diese Politik, Russland zu zermürben und zu schwächen, bedeutet die direkte Einmischung des Westens in den Konflikt und macht ihn zu einer Konfliktpartei», sagte Lawrow bei seinem Kurzauftritt in der Sitzung des UN-Sicherheitsrats. Die Position jener Staaten, «die die Ukraine mit Waffen vollpumpen und ihre Soldaten ausbilden», sei besonders zynisch. Ziel dieser Unterstützung sei offensichtlich, die Kämpfe «trotz der Opfer und der Zerstörung so lange wie möglich hinauszuzögern», sagte Lawrow.