+++ Dunkelflauten im Ticker +++ - Firmen-Chef über aktuelles Stromsystem: „Das ist der reine Irrsinn“
Am Donnerstag kam es in Deutschland erneut zu einer Dunkelflaute. Die Strompreise schossen daraufhin nach oben. Der Preis pro Megawattstunde lag am Donnerstag bei 936 Euro. Nun gibt es Kritik aus Schweden. Alle Entwicklungen im Ticker.
Was wirklich dran ist an Schwedens Dunkelflauten-Wut
13.51 Uhr: Schweden ist „sauer“ auf Deutschland. Die Energieministerin Ebba Busch beschuldigt Deutschland, an den hohen Strompreisen in ihrem Land Schuld zu sein. Aber hat sie damit wirklich Recht. FOCUS-online-Redakteur Florian Reiter hat die Vorwürfe untersucht und stellt fest: Schweden hat Recht - aber nicht mit allem.
Firmen-Chef über aktuelles Stromsystem: „Das ist der reine Irrsinn“
09.15 Uhr: Die Dunkelflaute und die damit einhergehenden hohen Strompreise treffen auch die energieintensiven Unternehmen (sofern sie nicht einen dauerhaft festgelegten Strompreis haben). „Die Preisspitze am Donnerstag hat uns hart getroffen. Wir mussten unsere Produktion um 30 Prozent runterfahren, eine Schicht kürzen und die Leute nach Hause schicken“, schildert Dirk Howe gegenüber dem „Handelsblatt“ die Situation in der vergangenen Woche. Howe ist der Geschäftsführer der Krefelder Gießerei Siempelkamp, die rund 400 Mitarbeiter beschäftigt. „Unser aktuelles Stromsystem zwingt uns dazu, ineffizient zu arbeiten. Das ist der reine Irrsinn.“
Dabei sind Unternehmen wie die Krefelder Gießerei besonders von den Preispitzen betroffen. Denn das Unternehmen kaufe am Spotmarkt den größten Anteil des Strombedarfs. „Langfristige Stromlieferverträge schützen zwar vor kurzfristigen Preissauschlägen. Doch diese Sicherheit erkauft man sich mit einem Preisaufschlag“, gibt Howe Einblicke. Die Gießerei verbrauche etwa 55 Gigawattstunden Strom pro Jahr, das entspricht dem Bedarf von 24.000 Haushalten.
Das sich in absehbarer Zeit an der Situation etwas ändern wird, denkt der Firmen-Chef nicht. „Die Versprechen des Bundeskanzlers, die Stromnetzentgelte dauerhaft auf drei Cent zu senken, sind nicht glaubwürdig“, so Howe weiter. „Weitere Versprechen helfen uns nicht. Wir brauchen Sofortmaßnahmen.“
Schweden-Ministerin legt in Dunkelflauten-Wut nach: „Nicht einmal der von Herrn Habeck“
Montag, 16. Dezember, 08.15 Uhr: Die schwedische Energieministerin Ebba Busch hatte am Donnerstagabend Deutschland wegen der Dunkelflaute scharf kritisiert. Nach einer Antwort durch das Bundeswirtschaftsministerium legt die Vize-Regierungschefin ihres Landes nun nach. Der „Bild“-Zeitung sagt Busch: „Es ist schwer für eine industrielle Wirtschaft, sich für ihren Wohlstand auf das Wohlwollen der Wettergötter zu verlassen.“ Die Abhängigkeit von „unsteten Energiequellen“ habe sich als Herausforderung gezeigt, so Busch.
Busch, die sagte, sie sei „sauer“ auf Deutschland, hält fest: „Ohne eine stabile, fossilfreie Grundlast wie die Kernenergie haben Länder wie Deutschland während der Dunkelflaute erhebliche Auswirkungen auf Preise in Nordeuropa.“
Auch Schweden war in den Strudel sehr hoher Strompreise als Folge der Dunkelflaute hineingezogen worden. Busch hatte Deutschland dafür die Schuld zugeschoben. Nun sagt sie der „Bild“: „Schwedens Regierung unterstützt erneuerbare Energien, aber kein politischer Wille ist stark genug, um die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen – nicht einmal der von Herrn Habeck.“
Bundesnetzagentur prüft Vorwürfe auf Marktmissbrauch
19.30 Uhr: Laut Bundesnetzagentur ist es nicht ausgeschlossen, dass in den nächsten Wochen ähnlich markante Preisausschläge auftreten. Die Bundesnetzagentur hält gesetzgeberische Maßnahmen für den Zubau steuerbarer Kapazitäten weiterhin für dringend geboten.
Die Regulierungsbehörde berichtete außerdem, dass sie Vorwürfe auf „marktmissbräuchliches Verhalten“ im Zusammenhang mit den Preisspitzen prüfe. Bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte werde man weitere Ermittlungsmaßnahmen einleiten. Einzelheiten nannte die Behörde nicht. Ein Marktmissbrauch liegt etwa dann vor, wenn Kraftwerkskapazitäten zurückgehalten werden, um den Strompreis nach oben zu treiben.
Eigentlich sollte der Zubau neuer Gaskraftwerke per Gesetz gefördert werden. Diese sollen künftig einspringen, wenn der Strombedarf durch erneuerbare Energien nicht zu decken ist - in Dunkelflauten, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht. Die Gaskraftwerke sollen später auf klimafreundlicheren Wasserstoff umgestellt werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die entsprechenden Pläne für ein neues Kraftwerksgesetz aber begraben, weil nach dem Ampel-Aus die erforderlichen Mehrheiten im Bundestag fehlen.
Experte zu hohem Börsenstrompreis: Kaum Folgen für Haushalte
19.10 Uhr: Zeitweise sehr hohe Stundenpreise an der Strombörse haben laut Experten so gut wie keine Auswirkungen auf Endverbraucher. Stromversorger würden ihren Strom in der Regel zu großen Anteilen über Langfristverträge beziehen, sagte der Energiemarktexperte Mirko Schlossarczyk vom Beratungsunternehmen Enervis der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Das heißt, die beschaffen deutlich früher und auch nicht auf Stundenbasis, sondern auf Monats- oder Quartalsbasis.“ Einzelne Extremstunden fielen da nicht ins Gewicht für Endverbraucher.
Relevanz haben solche hohen Preise laut Schlossarczyk nur für Verbraucher, die einen flexiblen Tarif haben, der an den Börsenstrompreis gekoppelt ist. „Das sind aber ganz, ganz wenige Verbraucher in Deutschland.“ Relevanter könnten solche hohen Preise nach Angaben des Experten aber für die Industrie werden. „Es gibt einige Industrieunternehmen, die ihren Restbedarf sehr, sehr kurzfristig beschaffen.“
Bundesnetzagentur: Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken haben wesentlich geringere Strommengen angemeldet
18.11 Uhr: Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind die deutschen Betreiber von Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken ihren Verpflichtungen über mehrere Tage nicht nachgekommen und haben an der Energiebörse wesentlich geringere Strommengen angemeldet. Auch die Betreiber von Gaskraftwerken beteiligten sich nicht an der Kompensation dieser Ausfälle, obwohl dies sowohl von der Bundesregierung als auch der Netzagentur ausdrücklich gefordert wurde. Stattdessen lieferten sie ebenfalls deutlich weniger Strom als üblich. Dieser Zustand ist möglich, da an der Energiebörse EEX alle Marktteilnehmer im Voraus weitgehend einsehen können, wer zu welchem Zeitpunkt wie viel Strom liefert und abnehmen möchte.
„So funktioniert der Stromhandel“: Habeck-Ministerium belehrt Schweden nach Wut-Angriff
15.33 Uhr: Am Freitagnachmittag hat sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zur aktuellen Dunkelflaute geäußert. Der Hauptgrund für die stark gestiegenen Strompreise am Donnerstag sei eine Kombination aus geringem Windaufkommen und einem stark erhöhten Stromverbrauch gewesen. Dennoch sei die Versorgungssicherheit zu jeder Zeit gewährleistet, teilte das Habeck-Ministerium auf X mit. Zusätzlich bereitgestellte Reserven hätten bei Bedarf aktiviert werden können. Mittlerweile seien die Strom-Großhandelspreise wieder deutlich gesunken.
Das Wirtschaftsministerium schickte noch eine kleine Erklärung hinterher und erinnerte daran, wie auch die Schweden von Deutschland profitieren: „Was bedeuten die gestern außergewöhnlich hohen Strompreise in Deutschland für z.B. Schweden? Deutschland und Schweden sind durch einen relativ kleinen Interkonnektor 'Baltic Connector' (600 MW) verbunden. Die Strompreise in Schweden werden hauptsächlich durch Faktoren innerhalb Schwedens bestimmt: z.B. lokale Produktion, Nachfrage & Infrastruktur, aber auch übergeordnete Faktoren wie Preise für Gas & CO2-Emissionszertifikate. Schweden hat vier Gebotszonen. In der südlichsten, mit der wir über den relativ kleinen Interkonnektor verbunden sind, gibt es nur wenige eigene Kraftwerkskapazitäten. In manchen Zeiten des Jahres profitiert Schweden von unseren Windkraft-Kapazitäten & bezieht günstigen deutschen EE Strom. In Zeiten von wenig Wind importieren wir Strom aus Schweden, der dort aus Wasserkraft mit großen Speicherseen erzeugt wird. So funktioniert der Stromhandel.“
Auch am Freitag erzeugt Deutschland wieder zu wenig Strom
10.21 Uhr: Auch am heutigen Freitag, 13. Dezember, erzeugt Deutschland wieder zu wenig Strom. Zwischen 7 und 8 Uhr verbrauchte die Bundesrepublik knapp 64 Gigawattstunden, erzeugte aber nur knapp 49 Gigawattstunden. Rund ein Viertel ihres Stromverbrauchs deckte sie durch Importe aus dem Ausland. Seitdem bleibt die Lücke ähnlich groß. Zwischen 8 und 9 Uhr importierte Deutschland rund 14 Gigawattstunden bei einem Verbrauch von knapp 65 Gigawattstunden. Am Freitagmorgen lag der Strompreis in der Spitze bei 253 Euro, am Donnerstag waren es dagegen über 900 Euro in der Spitze.
„Absolut beschissen“: Norwegen will Stromexporte nach Deutschland überdenken
08.55 Uhr: Auch Norwegen ist von den hohen Strompreisen betroffen und erwägt nun, seine Stromexporte nach Deutschland und Europa allgemein zu überdenken. Die Zentrumspartei, der kleinere Koalitionspartner in der norwegischen Regierung fordert ebenso wie die derzeit in Umfragen führende Fortschrittspartei, die bestehenden Verbindungen zu Deutschland und Großbritannien neu zu verhandeln. Der norwegische Energieminister Terje Aasland bezeichnete die Situation als „absolut beschissen“.
Der Strommangel in Deutschland und in der Nordsee hat die Strompreise in Südnorwegen auf den höchsten Stand seit 2009 gehoben – fast 20 Mal so hoch wie noch in der Vorwoche. Dennoch betont Aasland, „dass das System funktioniert“.
„Deutschland ist im Moment der Treiber“, sagt auch Olav Botnen, Experte für den norwegischen Strommarkt bei Volt Power Analytics, gegenüber NTB. Da es in Deutschland derzeit windstill und kälter als sonst sei und Norwegen selbst Probleme mit zu wartenden Wasserkraftwerken hat, muss es relativ viel Strom nach Deutschland exportieren.
Der Ausbau der Stromkabel ins Ausland, also auch nach Deutschland, habe die Idee einer solchen Stromknappheit auf einer Seite nicht berücksichtigt, erklärt Botnen. Er macht aber auch Hoffnung auf Besserung. „Wir sehen, dass der Wind sowohl auf dem Kontinent als auch in den nordischen Ländern zurückkehrt, und es wird an beiden Orten weniger kalt sein“, prognostiziert er.
In der EU wächst die Sorge davor, dass Norwegen seine Stromexporte reduziert oder gar einstellen könnte. „Dies ist ein kritischer Moment für die Beziehungen zwischen der EU und Norwegen. Eine Reduzierung der Stromverbindungen nach Europa würde nicht gut aufgenommen“, sagte ein EU-Botschafter in Oslo. Norwegen ist zudem der größte Erdölproduzent Westeuropas und hat für viele EU-Länder Russland als größten Gaslieferanten abgelöst.
„Bin wütend“: Schweden schießt scharf gegen deutsche Energiepolitik
Freitag, 13. Dezember, 06.40 Uhr: Die schwedische Energieministerin Ebba Busch regt sich laut der Zeitung „Aftonbladet“ über die deutsche Energiepolitik auf. So führt sie aus, dass die Entscheidung Deutschlands, seine Kernkraftwerke abzuschalten, erhebliche negative Auswirkungen auf die Strompreise in Schweden habe. „Ich bin sauer auf die Deutschen“, sagte sie. „Sie haben eine Entscheidung für ihren eigenen Bereich getroffen, zu der sie das Recht haben. Aber es hatte sehr große Konsequenzen“, so Busch.
Am Donnerstag herrschte eine Dunkelflaute in Deutschland. Auch in Schweden seien deshalb die Energiepreise nach oben geklettert, da Strom nach Deutschland exportiert wurde und dadurch das Angebot knapp wurde, so die Chefin der schwedischen Christdemokraten.
Die stellvertretende schwedische Ministerpräsidentin betonte, dass die deutsche Wettbewerbsfähigkeit deutlich gesunken sei, was die gesamte EU beeinträchtige. Ihrer Meinung nach hätte der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke positive Effekte für ganz Europa gehabt, da die Übertragungskapazität von Deutschland in andere Strompreisgebiete erhöht worden wäre, was die Preise für alle gesenkt hätte.
Nun fordert Busch, dass Deutschland im Norden eine Strompreiszone einführt. Diese würde den Strom im Norden Deutschlands billiger machen. Und damit den Strom in Schweden weniger verteuern. „Das Energiesystem Deutschlands ist nicht in Ordnung“, so Busch. Über Strompreiszonen wird aktuell auch in Deutschland diskutiert. Der Süden Deutschlands wehrt sich gegen die Einführung, obwohl Deutschland damit Milliarden sparen könnte.
Preis pro Megawattstunde lag am Donnerstag bei 936 Euro
Der Strompreis in Deutschland hat ein historisches Hoch erreicht. Am Donnerstagabend (zwischen 17.00 und 18.00 Uhr) lag der Preis für eine Megawattstunde an der Börse bei 936 Euro. Selbst auf dem Höhepunkt der Energiekrise waren die Preise nicht höher als 900 Euro gestiegen.
Diese Entwicklung hat erhebliche Auswirkungen auf Großverbraucher, die ihren Strom am tagesaktuellen Markt beziehen. Ein Beispiel hierfür ist das Elektrostahlwerk der Firma Feralpi in Riesa, Sachsen, das aufgrund der gestiegenen Stromkosten bereits am Mittwoch seine Produktion eingestellt hat, wie der Werksdirektor dem „Handelsblatt“ berichtete. Auch der Metall-Betrieb Anke GmbH in Essen lässt nach „Bild“-Angaben seine Öfen während der Preis-Spitzen abkühlen.
Werksdirektor: Produktionsstopps verursachen Kosten im sechsstelligen Bereich
In den letzten Wochen waren die Strompreise in Deutschland wiederholt ungewöhnlich hoch. An Tagen mit wenig Sonneneinstrahlung und Wind reicht die Stromproduktion nicht aus , um die Nachfrage zu den üblichen Preisen zu decken. Experten sprechen in solchen Fällen von einer „Dunkelflaute “. In solchen Situationen sind die Kapazitäten zur Energieerzeugung begrenzt und der Importbedarf steigt. Dann wird Strom aus dem Ausland importiert, weil dieser oft günstiger ist als der in Deutschlands Kohlekraftwerken produzierte Strom.
Riesa-Werksdirektor Uwe Reinecke sagte dem „Handelsblatt“: „Aufgrund hoher Strompreise im Spotmarkt mussten wir in diesem Jahr bereits mehrmals unsere Produktion im Elektrostahlwerk von Feralpi Stahl in Riesa stoppen.“ Laut Reinecke haben die Produktionsstopps am Mittwoch und Donnerstag Kosten im höheren sechsstelligen Bereich verursacht.
„Wir stoppen in solchen Phasen die Produktion im Stahlwerk, um uns vor noch größeren Verlusten zu schützen. Das geht klar zu Lasten von Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Wir erreichen unsere Jahresproduktionsziele nicht“, so Reinecke. Besonders ärgerlich sei, dass Deutschland diese Situation selbst geschaffen habe, ohne die Folgen für die energieintensive Industrie zu berücksichtigen.