Umwelt-Talk bei "Maischberger": Gehen Fahrverbote zu weit?

In ihrer Sendung fragt Sandra Maischberger: “Geht der Umweltschutz zu weit?” – und entfacht dabei eine hitzige Debatte. (Foto: Screenshot ARD)
In ihrer Sendung fragt Sandra Maischberger: “Geht der Umweltschutz zu weit?” – und entfacht dabei eine hitzige Debatte. (Foto: Screenshot ARD)

Nach dem Diesel-Skandal rollt eine Welle der Empörung durchs Land. Sie spaltet die Bevölkerung in Fahrverbot-Befürworter und -Gegner. Bei Maischberger gibt es einen Schlagabtausch zwischen beiden Seiten. Porsche-Fan Ulf Poschardt nimmt dabei die deutsche Autoindustrie in Schutz.

Die Gäste zum Thema: “Glaubenskrieg ums Auto: Geht der Umweltschutz zu weit?”

  • Franz Alt (ehemaliger Moderator des ARD-Politmagazin “Report”): fordert strengere Regeln von der Bundesregierung, die vor der Autolobby in die Knie gehe.

  • Marin Ivankovic (Diesel-Fahrer): wäre vom geplanten Fahrverbot in Stuttgart betroffen.

  • Wolfgang Kubicki (stellvertretende FDP-Parteivorsitzender): zweifelt, dass Diesel-Autos die Gesundheit gefährden.

  • Barbara Metz (stellvertretende Geschäftsführerin der Deutsche Umwelthilfe): will die Autoindustrie zur Verantwortung ziehen, da sie den Schaden angerichtet hätten.

  • Mai Thi Nguyen-Kim (Wissenschaftsjournalistin des WDR-Magazins “Quarks”): meint, die von Lungenärzten ausgelöste Debatte sei eine unwissenschaftliche Stellungnahme.

  • Ulf Poschardt (“Welt”Chefredakteur): der Porsche-Fahrer nimmt die deutsche Autoindustrie in Schutz.

Er brauche sein Auto, stellt Marin Ivankovic zu Beginn der Sendung klar. Der Diplom-Kaufmann müsse künftig zwei seiner Kinder in verschiedene Kitas fahren, ein weiteres in die Schule, am Nachmittag alle wieder abholen und die Kinder zu Freizeitaktivitäten wie Sport und Musik bringen. Wird das Diesel-Fahrverbot im April dieses Jahres eingeführt, darf er seinen Mercedes nicht mehr vor seinem Haus in Stuttgart parken. Es sei “schäbig”, was die Klagen der Deutschen Umwelthilfe angerichtet hätten.

Diese verklagte reihenweise Städte wegen zu hoher Stickstoffwerte. Ivankovic sieht Diesel-Fahrer als Leidtragende: “Grundsätzlich dürfen wir die Suppe auslöffeln, die in der Kupplung von Politik und Automobilindustrie gebraut wurde” Es gehe jetzt darum: “Wer holt die Kuh vom Eis?”

Automobilindustrie soll zahlen

Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe nimmt Stellung: “Ich kann Sie verstehen. Aber es gibt gesetzlich festgelegte Grenzwerte.” Und diese gebe es bereits seit 2010. Die Umwelthilfe klage daher nicht wegen Dieselfahrverboten, sondern damit die Grenzwerte für die Luftqualität eingehalten werden, “um die Schwächsten zu schützen.” Metz meint damit lungenkranke Menschen sowie Senioren und Kinder. Für sie liege die Lösung auf der Hand: Autos durch eine Hardwarenachrüstung reparieren und die Automobilindustrie dafür zahlen lassen.

“Sentimentalisierung”, wirft Porsche-Fahrer Ulf Poschardt daraufhin vor. Man argumentiere mit Schwachen und Alten, um eine sachliche Diskussion zu verhindern. Natürlich wolle auch er keine dreckige Luft, aber die Deutsche Umwelthilfe agiere als “Abmahnverein” und stachle eine hysterische Debatte an.

“Hart aber fair”: Umweltschutz predigen, Kaffee aus dem Plastikbecher trinken

Journalist Franz Alt hingegen sieht die Schuld eher in der Verkehrspolitik, die vor der Autolobby in die Knie gehe und ihre schützende Hand über die Industrie halte: “Wir brauchen Verkehrspolitik. Wir haben aber nur Autopolitik und einen Autominister.” Alt kritisiert, dass die Industrie von der Regierung nicht angestachelt wurde, saubere Lösungen zu entwickeln. Auch der Einstieg in die Entwicklung von Elektroautos sei verschlafen worden.

Die Runde bei “Maischberger”. (Foto: Screenshot ARD)
Die Runde bei “Maischberger”. (Foto: Screenshot ARD)

Autoliebhaber Poschardt verteidigt: “VW investiert Abermilliarden, um emissionsfreie Elektromobilität zu entwickeln. Die tun alles, was in ihren Möglichkeiten steht.” Eine Umstellung brauche eben Zeit. Das sorgt bei Metz für Kopfschütteln. Sie meint, dass diese Entwicklungen nur entstünden, wenn Druck herrsche. Auch Alt ist der Meinung, dass ohne den Druck der Umwelthilfe das Bewusstsein für CO2-Ausstöße nicht geschärft werden würde. Doch Poschardt verteidigt die Marktwirtschaft: “Kapitalismus funktioniert über Verführung, nicht über Zwang.”

“Die Menschen verbringen mehr Stunden im Stau als beim Sex”

FDP-Politiker Wolfgang Kubicki bringt ein weiteres Problem als Ursache für den hohen CO2-Ausstoß ein: Stau. Gebe es eine vernünftige Verkehrspolitik, gebe es weniger Stau und kein Problem mit den Grenzwerten. Franz Alt stimmt zu: “Die Menschen verbringen mehr Stunden im Stau als beim Sex. Wo bleibt die Lebensqualität?”

Diesel-Diskussion bei Maybrit Illner: CSU-Minister für Messstationen in Fußgängerzonen

Grenzwerte seien immer eine Abwägungssache, da es keinen genauen Schwellenwert gebe, ab dem etwas von “nicht schädlich” zu “schädlich” umschlage, erklärt Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim. Sie finde die Debatte der Lungenärzte über Diesel-Grenzwerte “beschämend” und bezeichnet sie als “unwissenschaftliche Stellungnahmen”. Dennoch sei es eine Tatsache, dass Stickoxide gesundheitsschädlich sind und daher sollte gelten: “je weniger, desto besser”.

Fahrverbote gehen ihrer Meinung nach nicht weit genug: “Auch wenn wir alle Dieselautos loswerden, würden wir nicht unter den Grenzwert von 40 Mikrogramm kommen.” Es brauche drastischere Maßnahmen, schließlich sei es wichtig “die Jüngsten, die Ältesten und die mit Lungenkrankheiten zu schützen.”

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