UN-Umweltchef: Jeder kann zum Schutz der Artenvielfalt beitragen

Bei der UN-Konferenz zur Biovielfalt in Südkorea geht es um die Umsetzung strategischer Schutzziele. Jeder könne dabei helfen, dass diese Ziele erreicht werden, sagt der Chef des UN-Umweltprogramms, Achim Steiner. Foto: Daniel Irungu

Es wird schwierig, die internationalen Ziele zum Schutz der Arten und Biovielfalt wie geplant bis 2020 zu erreichen. Das geht aus einem UN-Zwischenbericht hervor, der auf der 12. Vertragsstaatenkonferenz zur Biodiversität im südkoreanischen Pyeongchang präsentiert wurde.

Die Vorgaben wurden 2010 in der japanischen Präfektur Aichi (Aichi-Ziele) formuliert. Es müsse noch viel mehr als bislang getan werden, um sie zu erreichen, sagt der Leiter des UN-Umweltprogramms, Achim Steiner, in Pyeongchang im Interview der Nachrichtenagentur dpa. Jeder könne dabei mitwirken.

Frage: Wie bewerten sie den UN-Zwischenbericht zum Schutz der Biovielfalt?

Antwort: Der Bericht ist beides, Ermahnung und Ermutigung. Wir müssen uns viel mehr anstrengen, damit die Ziele zur Erhaltung von Artenvielfalt und Biodiversität bis 2020 erreicht werden. Ermutigung, weil wir bei vielen dieser Ziele eine Reihe von Indikatoren haben, die beweisen, dass sich Länder bei den Finanzen und ordnungspolitischen Maßnahmen beim Erhalt der Biodiversität voranbewegt haben. Und dass nicht nur in den traditionellen Industrieländern, sondern vor allem auch in den Entwicklungsländern.

Ein Beispiel ist die Ausweitung von Naturschutzgebieten, eines der wenigen Ziele, bei denen wir die Hoffnung haben, bis 2020 die Zielmarge von 17 Prozent aller auf dem Land basierenden Schutzgebiete zu erreichen. In den Weltmeeren tun wir uns sehr viel schwerer.

Frage: Wo sehen sie noch den größten Handlungsbedarf?

Antwort: Wir müssen aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die wir heute haben, akzeptieren, dass die größte Bedrohung für Artenschutz und Biodiversität letztlich der Verlust von Lebensraum ist. Mit einer Weltbevölkerung, die heute schon sieben Milliarden übersteigt und wahrscheinlich bis zur Mitte des Jahrhunderts neun bis zehn Milliarden erreichen wird, und auch mit dem Wachstum unserer Volkswirtschaften und der urbanen Zentren verlieren wir sehr viel Lebensraum.

Die Artenvielfalt bedarf der Naturräume, in denen sie gedeihen kann. Das führt unweigerlich dazu, dass wir uns zum Beispiel mit zwei Phänomenen intensiv befassen müssen. Die Städte (...) haben eine signifikante Wirkung auf die Artenvielfalt. Hier muss bei den Verbrauchern und Städteplanern viel stärker beachtet werden, wie sich ein Zentrum mit zwei, fünf, zehn, manchmal 20 Millionen Menschen auf die Umwelt und die Artenvielfalt auswirkt.

Zweites Beispiel ist die Landwirtschaft. Wir sind heute schon an einem Punkt, an dem wir den jährlichen Nettoverlust an landwirtschaftlicher Ackerbaufläche erleben. Gleichzeitig müssen wir in den nächsten Jahrzehnten für zwei bis drei Milliarden Menschen mehr Nahrungsmittel produzieren. Die Landwirtschaft ist mit ihrem Verbrauch an Land und natürlichen Ressourcen ein bedeutender Faktor. Zum Beispiel gehen 70 Prozent des Süßwasserverbrauchs auf die Landwirtschaft. Die Art und Weise, wie wir effizienter produzieren können, hat direkte Auswirkung auf den Erhalt der Artenvielfalt.

Frage: Müssen die Aichi-Ziele verschoben werden?

Antwort: Manche sagen, warum setzen wir uns Ziele, die wir nicht erreichen können. Meine Antwort darauf ist immer: Wenn uns die wissenschaftlichen Erkenntnisse letztlich vermitteln, dass wir uns diese Ziele setzen müssen, dann macht das diese Ziele nicht falsch, wenn man sie nicht erreicht. Der Bericht trägt eine sehr klare Aussage, dass diese Ziele weder unerreichbar noch unumsetzbar sind in der heutigen Realität, sondern es ist eine Frage der politischen Priorität und finanziellen Ressourcen, die bereitgestellt werden. Und es ist eine Frage der Unterstützung der Öffentlichkeit und wie weit die Wirtschaft bereit ist, einen aktiven Beitrag zu leisten.

Frage: Was kann der einzelne Bürger tun?

Antwort: Als Verbraucher können wir sehr bewusst die Einkaufspolitik von Supermärkten und die Produktqualität von Unternehmen auch dahingehend bewerten, ob sie sich dem Erhalt der Artenvielfalt verpflichten. Beispiel Palmöl: Wir wissen heute, dass Palmöl in den letzten Jahrzehnten enorm dazu beigetragen hat, dass Tropenwälder zerstört wurden. Inzwischen gibt es Unternehmen (...), die sich dazu bekannt haben, kein Palmöl mehr zu kaufen, das in einer Region produziert wird, wo Tropenwald gerodet wird.

Die Verbraucher haben sehr wohl die Wahl, bewusster einzukaufen, das ist das beste Signal in einer Marktwirtschaft. Mein Appell: sich einmal in der Region umschauen und sich fragen, wo die Artenvielfalt bedroht ist. Was kann ich dazu tun, wenn ich mich engagiere? Und jeder wird enorme Möglichkeiten finden, um seinen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt zu leisten.

ZUR PERSON: Der 1961 geborene Achim Steiner ist der ranghöchste deutsche Mitarbeiter der Vereinten Nationen und seit 2006 Leiter des UN-Umweltprogramms (Unep). Im März hatte ihn die UN-Vollversammlung für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt.

Vertragsstaatentreffen zur Biovielfalt