UN-Friedensmission im Libanon beklagt die schwierigste Lage seit 2006

Seit dem Libanonkrieg 2006 war die Friedensmission der Vereinten Nationen im Libanon noch nie in einer so angespannten Lage. UNFIL wurde 1978 gegründet und unterstützt seitdem Libanons Sicherheitskräfte. 10.000 Friedenssoldaten aus 50 Ländern bewachen die Blauen Linie, eine von den Vereinten Nationen gezogenen Grenze zwischen Libanon und Israel. Zugleich bemühen sich die Vereinten Nationen um eine Deeskalation der Spannungen zwischen Israel und der Hisbollah.

Nach einer neuen Angriffswelle Israels auf Ziele der Hisbollah im gesamten Libanon steht das Land nun vor einer neuen humanitären Krise. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind über 600 Menschen bei den israelischen Luftangriffen getötet worden. Mehr als 90.000 sind seit Kurzem auf der Flucht.

Im Gespräch mit Euronews beschrieb Andrea Tenenti, Sprecher der UNFIL, die Herausforderungen, mit denen die Mission konfrontiert ist.

Ein UNIFIL-Bataillon auf einem Beobachtungsturm in Abbassiyeh, einem libanesischen Grenzdorf zu Israel am 10. Januar 2024.
Ein UNIFIL-Bataillon auf einem Beobachtungsturm in Abbassiyeh, einem libanesischen Grenzdorf zu Israel am 10. Januar 2024. - Hussein Malla/Copyright 2019/AP. Alle Rechte vorbehalten.

"Dies ist sicherlich die schwierigste Zeit für die Mission und das Land seit 2006 und vielleicht sogar davor", sagte Tenenti. "Die Intensität der Bombardierungen ist im Vergleich zu den vergangenen 13 Monaten beispiellos. Seit Oktober vergangenen Jahres haben die grenzüberschreitenden Feuerkämpfe nicht aufgehört. Die Zahl der Todesopfer hat fast das Niveau von 2006 erreicht."

Die derzeitige Lage erschwere die Arbeit der Friedensmission, sagte Tenenti. "Unsere Truppen bleiben hauptsächlich in den 50 Stützpunkten, die wir in der Nähe der Blauen Linie haben. Es ist schwierig, die Lage zu überwachen", erklärte er. "Wir setzen unsere Radargeräte ein, aber das Wichtigste sind die Vermittlungsaktivitäten des Missionsleiters, die die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft benötigen."

Vorbereitungen für eine Bodenoffensive

Israel bereitet sich nach eigenen Angaben auf eine Bodenoffensive vor. "Es ist schwierig vorherzusagen, wie sich die Dinge entwickeln könnten", sagte Tenenti. "Israel hat gesagt, dass es sich auf eine Bodeninvasion vorbereitet, aber es ist auch wichtig, dass wir dort präsent sind und noch sehen wir keine Bewegungen. Selbst 2006 blieb die Mission während der israelischen Invasion vor Ort, sodass wir nicht der Meinung sind, dass dies zwangsläufig bedeutet, dass die UNIFIL-Mission abgezogen werden sollte. "

Die UN-Friedensmission würde man nur dann abziehen, wenn ihre Arbeit wegen der schwierigen Lage vor Ort unmöglich werden würde. Dies sei jedoch eine Entscheidung, die vom UN-Sicherheitsrat getroffen werden müsse.

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Am 11. September hat EU-Außenbeauftragter Josep Borrell das Hauptquartier der UN-Friedensmission in Naqura besucht und sich mit Vertretern der Mission aus 16 EU-Mitgliedstaaten getroffen. "Die starke Unterstützung der EU für die Menschen im Libanon und eine diplomatische Lösung auf der Grundlage der Rerosulution 1701 sind notwendig, um Stabilität wiederherzustellen", schrieb UNIFIL danach auf X.

Es sei noch möglich, den Konflikt zu lösen, sagte Tenenti: "Es gibt eine Lösung, und das sagen wir schon seit geraumer Zeit, und zwar dieselbe, die beide Ländern erwähnt haben: Die Umsetzung der Resolution 1701, die auch dazu beigetragen hat, den Krieg 2006 zu beenden." Das bedeutet, dass mehr libanesische Armeeangehörige in den Süden des Landes gebracht und vor allem eine waffenfreie Zone vom Litani-Fluss bis zur Blauen Linie durchgesetzt werden muss. Demnach würde sich in diesem Gebiet nur die libanesische Armee aufhalten.

Am Mittwoch erklärte die Hisbollah, sie habe das Hauptquartier des israelischen Auslandgeheimdienstes Mossad mit einer auf Tel Aviv abgefeuerten Rakete ins Visier genommen. Israelise Armee hat die Rakete erst dann abgefangen, wenn sie bereits tief in das israelische Gebiet reingeflogen war.

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Die USA und Frankreich haben zu einer 21-tägigen Waffenruhe aufgerufen. Israel hat den Vorschlag abgelehnt und erklärt, es werde weiter gegen die Hisbollah kämpfen. "Dieser Vorschlag ist sehr wichtig", betonte Tenenti, "er zeigt, dass neben Frankreich und den USA auch andere Länder, darunter Italien, bereit sind, eine Lösung zu finden, denn ein regionaler Konflikt könnte Auswirkungen auf die gesamte Region haben."

Libanesische Soldaten riegeln das Gebiet am Ort eines israelischen Luftangriffs in den südlichen Vororten von Beirut am 26. September 2024 ab.
Libanesische Soldaten riegeln das Gebiet am Ort eines israelischen Luftangriffs in den südlichen Vororten von Beirut am 26. September 2024 ab. - Hussein Malla/Copyright 2019/AP. Alle Rechte vorbehalten.

Tenenti erklärte, dass UNIFIL den Dialog sowohl mit der libanesischen Armee und den dortigen Behörden als auch mit anderen Parteien wie der Hisbollah und der israelischen Armee fortgesetzt werde. "Wir versuchen immer noch durch Vermittlungsbemühungen und die Arbeit des Missionsleiters, der diesen Kommunikationskanal mit beiden Seiten aufrechterhalten hat, eine Lösung zu finden, um die Risiken zu mindern, obwohl die Lage sehr ernst ist", sagte er. "Wir versuchen, diese Verhandlungen zu erleichtern, aber unsere Mission ist nicht politisch", fügte Tenenti hinzu.

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Die Mission leistet auch humanitäre Hilfe für die lokale Bevölkerung, einschließlich medizinischer Hilfe und Unterstützung für Krankenhäuser, sagte Tenenti. Er erklärte, dass die Einwohner die meisten Dörfer im Südlibanon verlassen haben und nach Beirut oder in die nördlichen Gebiete geflüchtet sind.

Unterdessen hat Israel seine Luftangriffe auf Ziele der Hisbollah fortgesetzt und den Einsatzgebiet ausgeweitet. Die Angriffe beschränken sich nicht mehr auf den Osten und Süden Libanons. Die Menschen im Libanon befürchten einen allumfassenden Krieg.