Unfairer Vorteil im Wahlkampf - Experte sicher: Trump gewinnt US-Wahl - weil er eines richtig gut kann
Donald Trump versteht es wie kein anderer, seine Zielgruppe durch Storytelling zu überzeugen. Warum ihm das einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschafft und wie er damit die Wahl gewinnen könnte, erläutert Storytelling-Profi Veit Etzold.
Trump beherrscht Storytelling wie kein Zweiter
Wenn alle das Gleiche tun und anbieten, wird die Story zum unfairen Wettbewerbsvorteil. Nur wenige beherrschen die Technik des Storytelling besser als Donald Trump.
In Deutschland, wo Emotionen in der Politik komplett verpönt sind und man von unserem Bundeskanzler sagt, er habe die Ausstrahlung einer Schrankwand, mögen wir über Donald Trumps Tanzeinlagen den Kopf schütteln. Dennoch: Trotz polarisierender Inhalte versteht es der ehemalige und höchstwahrscheinlich künftige US-Präsident, seine Zielgruppe durch Storytelling zu überzeugen. Er vermittelt seine Botschaften so, dass sie die menschlichen Urinstinkte ansprechen und sich direkt in der VIP Lounge des Gehirns verankern.
Die Struktur erfolgreicher Geschichten
Jede gute Story folgt einer Struktur, die tief in unseren Überlebenstrieb eingebettet ist. Sie basiert auf den vier zentralen Elementen: einer Situation, einer Bedrohung oder Krise, einem Wendepunkt und einem Happy End. Diese Story-Bausteine sind keineswegs zufällig gewählt – sie sind die Grundelemente menschlichen Überlebens und haben sich über Jahrtausende hinweg bewährt. „Facts tell, stories sell“, sagte „Black Swan“-Autor Nassim Taleb und Wirtschaftsnobelpreisträger und Top-Psychologe Daniel Kahneman wusste: „Wir schauen uns die Realität an und machen daraus eine Story. Und wenn diese Story glaubwürdig klingt, dann wird sie geglaubt.“ Glaubwürdig klingen reicht. Die Story muss nicht wahr sein.
Von der Highway to Hell auf die Treppe zum Himmel
So hat es Donald Trump schon im Wahlkampf 2016 vorgemacht: Die Bedrohung, die er schilderte, waren die mexikanischen Einwanderer, gegen die er mit dem Bau einer Mauer ankämpfen wollte. Sein Slogan „Make America Great Again“ vermittelte klar seine Vision. Und warum war er der Richtige für den Bau der Mauer, in Abgrenzung zu Hillary Clinton? Weil er Bauunternehmer ist! So einfach ist das.
Trumps Ansatz folgt dabei immer einem klaren Schema: In der ersten Phase, der Situationsbeschreibung, zeichnet er ein Bild von einem Amerika, das unter den Demokraten leidet. Wirtschaftliche Schwäche, soziale Unzufriedenheit und die Bedrohung durch äußere Feinde wie China und zahlreiche Krisenherde, in denen sich Amerika aufreibt, sind feste Bestandteile seiner Narration. Diese Darstellung trifft das Sicherheitsbedürfnis und die wirtschaftlichen Sorgen seiner Zielgruppe.
Im zweiten Schritt bringt er das Desaster ins Spiel. Dort zeichnet er eine düstere Vision von Amerika unter der Führung der Demokraten, ein Szenario von wirtschaftlichem Niedergang und politischem Chaos – eine „Highway to Hell“, wo nach dem Ursache-und-Wirkungs-Prinzip ein schlechtes Ereignis das nächste noch schlechtere Ereignis hervorruft. Ungeregelte Migration führt zu steigender Arbeitslosigkeit, sozialen Unruhen und am Ende zum Verlust der amerikanischen Vormachtstellung.
Wir erinnern uns an das „Ordnungsprinzip“ des griechischen Philosophen Aristoteles: „Es macht einen großen Unterschied, ob eine Sache nach einer Sache oder aufgrund einer Sache passiert.“ Fakten aneinanderreihen ist langweilig, Ursache und Wirkung ist spannend.
Dann kommt die Wendung in Trumps Story: Er präsentiert sich als denjenigen, der Amerika wieder in die richtige Richtung lenken kann. Er gibt Einblicke in „Erfolge“ seiner Präsidentschaft, als die Inflation niedriger war, der Arbeitsmarkt boomte und das Land außenpolitisch als starker Verhandlungspartner agierte und nicht der Zahlmeister der NATO war.
Schließlich zeichnet Trump ein Happy End, in dem Amerika unter seiner Führung wieder prosperiert. Die Lösung, so Trumps Erzählung, ist seine Wiederwahl. Hier bedingt ein positives Ereignis das nächste, im Gegenzug zur „Highway to Hell“ eine „Stairway to Heaven“. Amerika nutzt seine Ölvorkommen, dadurch werden Jobs geschaffen, die US-Autokonzerne verkaufen Autos mit Verbrennermotoren und niemand ist von China abhängig. Dann gibt es weniger Inflation, mehr Jobs in Amerika und ein „Macher“, der den US-Bürgern sagt, wo es langgeht, sie aber mit „Kleinigkeiten“ wie Minderheiten, Klimawandel und Gender-Themen in Ruhe lässt. Die Story schließt mit dem Versprechen auf eine bessere Zukunft mit dem Slogan „Make America Great Again“. Den Slogan hatte übrigens schon Ronald Reagan genutzt, aber auch das fällt niemandem auf.
Die Macht der Story im Gehirn
Die wissenschaftliche Grundlage dieses Effekts ist eindeutig: Die menschliche Psyche reagiert stark auf narrative Strukturen. In unserem Gehirn fungiert die Amygdala als „Türsteher“, der Informationen emotional bewertet und im limbischen System speichert, bevor sie an den rationalen Teil des Gehirns, den Neokortex, weitergeleitet werden. Informationen, die über eine einprägsame Story vermittelt werden, haben also eine größere Chance, in unser Bewusstsein vorzudringen.
Keine Story hinterlässt ein gefährliches Vakuum
Für Organisationen, Unternehmen und Individuen ergibt sich daraus eine entscheidende Erkenntnis: Eine überzeugende Story ist oft wirkungsvoller als reine Fakten. Wer seine Zielgruppe erreichen will, muss a) sagen, was durch ihn besser wird, b) was ohne ihn schlechter wird und c) warum gerade er oder sie die richtige Person ist.
Wer keine Story erzählt, lässt ein Vakuum. Und dieses Vakuum, da sind wir wieder bei Kahneman, wird immer gefüllt. Im Zweifelsfall mit einer Fakestory. Da Bedrohungsgeschichten evolutionsbedingt eine stärkere emotionale Wirkung entfalten als positive Erzählungen, werden sie eher geglaubt, gemäß der Devise: Besser ein Pessimist, der lebt, als ein Optimist, der tot ist.
Die gnadenlose Konsequenz des Storytelling
Die Konsequenz ist daher genauso einfach wie gnadenlos: Entweder Sie erzählen eine gute Story über sich. Oder andere erzählen eine schlechte Story über Sie.