Unfassbar dreister "Enkeltrick" bei "Aktenzeichen XY": 64-Jährige verliert 131.000 Euro

Dieser "Enkeltrick" machte alle sprachlos: Bei "Aktenzeichen XY ... ungelöst" wurde am Mittwochabend ein realer Kriminalfall nacherzählt, bei dem eine 64-jährige Frau um 131.000 Euro "erleichtert" worden war.

Dieser "Enkeltrick" sorgt für Fassungslosigkeit: "Irmgard, du bist die Einzige, der ich vertraue", flehte der Mann mit der jungen Stimme. "Bitte kannst du mir was leihen? Du bekommst alles von der Versicherung wieder!" Am Ende verlor die 64-jährige "Frau Pietsch" (nachgestellte Szene) 131.000 Euro. Sachdienliche Hinweise erbittet die Polizei NRW Duisburg, Tel: 0203 - 280 0. (Bild: ZDF / Screenshot)

Das war einmal mehr richtig harte Kost zur Primetime. Es waren einige besonders brutale Kriminalfälle, die in der jüngsten Ausgabe des ZDF-Fahndungsklassikers "Aktenzeichen XY ... ungelöst" am Mittwochabend präsentiert wurden. Doch der Einspieler, der am meisten Kopfschütteln auslöste, war ein ausnehmend perfider Fall von Betrug: eine Enkeltrickvariante, die den Zuschauer fassungslos zurücklässt. Auf der Facebookseite der Sendung wird nun heftig diskutiert - über die Kaltschnäuzigkeit der Täter, aber auch über die Naivität des Opfers.

Nachgestellt wurde der Fall einer Frau, die im Film "Irmgard Pietsch" genannt wurde. Zwei Tage lang klingelt das Telefon der 64-Jährigen beinahe durchgehend. Als die Anrufe endlich Ruhe gaben, ist das Opfer um 131.000 Euro ärmer. Die Ermittlungen liegen bei der Polizei NRW Duisburg, sie bittet unter Telefon: 0203 - 280 0 um sachdienliche Hinweise. Wer sind die Täter? Und wie konnte das passieren? - Letzteres wurde in einem rund elfminütigen Filmbeitrag akribisch nacherzählt. "Telefonterror mit bösem Ende", lautete der Titel.

"Irmgard, du bist die Einzige, der ich vertraue"

Alles begann mit einem Anruf: "Irmgard? Hi, ich bin es. Du musst mir unbedingt helfen!" - Die Stimme klang jung und ein bisschen verzweifelt. Irmgard Pietsch meinte, sie zuordnen zu können: "Thomas? Bist du's?", fragte sie. - Ein entscheidender Fehler. Wie später in der Sendung erläutert wurde, hat die Frau mit dieser Frage die Tür für den folgenden Betrug weit aufgerissen. In solchen Fällen niemals nach dem Namen des vermeintlichen Angehörigen fragen, lautete die klare und wichtige Botschaft von "Aktenzeichen XY ... ungelöst"-Moderator Rudi Cerne.

Sie sei sich "absolut sicher" gewesen, "dass das die Stimme von meinem Neffen Thomas war", beteuert Irmgard, als sie später bei der Kriminalpolizei vorstellig wird, um Anzeige zu erstatten. Sie schenkte dem Mann am Telefon also Glauben. Und "Thomas" schilderte ihr, was passiert sein soll: "Ich hatte einen Unfall. Handy, Auto - alles kaputt!" Ihm geht es "zum Glück gut", antwortete er auf die entsprechende Nachfrage der 64-Jährigen, die sich um das Wohl ihres Neffen sorgte. "Aber mein Wagen ist hin. Und der vom anderen Fahrer leider auch. Und das war auch noch ein sauteurer SUV."

Dann nahm die unfassbare Räuberpistole erst richtig Fahrt auf. Er sei schuld gewesen, erläuterte Thomas, weil er das Handy während der Fahrt benutzt habe. Deshalb: "Keine Polizei!" Denn: "Wenn die Polizei Wind davon bekommt, dann nehmen die mir meinen Führerschein weg. Vielleicht lande ich sogar im Knast!" Das Gespräch führe er bereits aus einer "großen Autowerkstatt in Essen". Der Unfallgegner sei anwesend, und er habe sich bereiterklärt, so Thomas, "die Polizei außen vor zu lassen, wenn er den Schaden sofort in bar bezahlt".

Enkeltrick aufgeflogen: 81-Jährige liefert Geld bei Polizei statt bei Gaunern ab

"Irmgard, du bist die Einzige, der ich vertraue", flehte der Mann mit der jungen Stimme. "Bitte kannst du mir was leihen? Du bekommst alles von der Versicherung wieder!" Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, reichte er irgendwann den Hörer weiter, und es meldete sich ein "Herr Kaiser", angeblich der Leiter der Autowerkstatt. Jener "Herr Kaiser" veranschlagte zunächst einen Schaden von 20.000 Euro. Irmgard Pietsch ging also zur Bank, um das Geld abzuheben. Kaum war sie zu Hause, klingelte das Telefon schon wieder. Thomas war am Apparat und jubelte: "Tausend Dank, du bist die Beste!" - Dann reichte er das Telefon wieder an "Herrn Kaiser" weiter, der nach den Seriennummern einiger Geldscheine fragte. "Eine reine Formalität", versicherte er. Die Polizei erklärt später auf der Wache, dass dies in solchen Fällen Usus sei: "Die wollen damit sichergehen, dass Sie wirklich Geld abgehoben haben."

"Solche Typen sind speziell geschult, die machen solche Anrufe ständig"

Nun folgte die (erste) Geldübergabe: Unten an der Haustüre wartete bereits ein "Herr Schwarzer" - gut gekleidet, ausnehmend höflich begrüßte er Irmgard Pietsch und nahm die 20.000 Euro entgegen. Kurz darauf meldete sich jedoch erneut der vermeintliche Neffe bei der Dame: "Die 20.000 reichen nicht!" Gemeinsam mit Herrn Kaiser veranschlagte er nun "80.000 - mit Mehrwertsteuer" ... Nach einigem Zögern und Nachfragen stimmte die 64-Jährige erneut zu: "Gut. Ich habe noch ein Konto bei einer anderen Bank, da kann ich 60.000 abheben."

Weniger Einbrüche, mehr Trickbetrug? - Kriminalität in Corona-Zeiten

"Solche Typen sind speziell geschult, die machen solche Anrufe ständig", erfährt Irmgard Pietsch später von der Kriminalpolizei. Das habe also "nichts mit Dummheit zu tun". Sie sei einfach nicht zu Nachdenken gekommen, schüttelt die Frau nun den Kopf über sich selbst. "Die haben mich ständig angerufen, ständig auf mich eingeredet."

Doch es ging weiter. Mit den 80.000 Euro gaben sich die Betrüger nicht zufrieden. Am Morgen nach der zweiten Geldübergabe klingelte erneut "Thomas" durch. "Es tut mir leid, dass ich schon wieder störe", sagte er, um kurz darauf zu erläutern, dass eine Reparatur seines Autos keinen Sinn mehr mache. Er brauche ein neues Auto. Also dann: "Kannst du mir noch mal unter die Arme greifen?" - Natürlich war Frau Pietsch nun besonders skeptisch. Doch Thomas wusste sie schließlich zu beruhigen. Er habe schon mit der Versicherung gesprochen. "Nächste Woche hast du dein Geld. Jeden einzelnen Cent." Wenig später sieht man die betrogene Dame wieder bei der Kriminalpolizei sitzen und mit den Tränen kämpfen: "131.000 Euro - einfach weg. Wie konnte das passieren?" Die Antwort der Polizistin kam so prompt wie trocken: "Die suchen sich aus dem Telefonbuch einfach Leute mit alt klingenden Vornamen. Dann probieren sie's einfach."

Hitzige Debatte auf Facebook

Ein Fall, der offenbar einen Nerv getroffen hat und für einen hohen Erregungspegel unter den Facebookfans von "Aktenzeichen XY" sorgt. Nachdem der Einspieler am Donnerstag von der Redaktion gepostet wurde, nahm eine angeregte Debatte ihren Lauf. "Ich habe mich gestern Abend so über diesen Beitrag aufgeregt. Ich habe kein Verständnis für so viel Naivität", hieß es etwa. Aber auch: "Ich finde es vor allem grausam, wie hartnäckig und gewissenlos diese Räuber sind, dass sie mehrere Tage nicht locker lassen, bis nichts mehr da ist. Und ich bin schon sprachlos, wie empathielos hier viele reagieren. Genau DESWEGEN funktioniert der Enkeltrick bzw. die psychologische Manipulation und der Psychodruck so gut! Alle meinen, das würde Ihnen nie passieren, und wer weiß wie vielen es nachher doch passiert."

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