"Ungeklärte Fälle" im TV: Warum uns Verbrechen faszinieren

Christoph Hoffmann moderiert "Ungeklärte Fälle - Deine Hilfe zählt"

Der brutale Mord an der 27-jährigen Joggerin Carolin G. löste im November 2016 landesweites Entsetzen aus. Im Rahmen der Sendung "Ungeklärte Fälle - Deine Hilfe zählt" (RTL II, 20:15 Uhr) schildert Oberst Walter Pupp, Leiter des Landeskriminalamtes Tirol, heute die aktuellsten Erkenntnisse. Nicht das einzige Verbrechen, das Gegenstand der Sendung ist. Ob Entführung, Vermisstenfall, Vergewaltigung, Mord oder Totschlag - Moderator Christoph Hoffmann präsentiert kriminalistische Hintergründe, befragt Experten und ruft die TV-Zuschauer zur Mithilfe auf. Wie sehr ihn selbst diese ungeklärten Fälle berührt haben, erzählt der Polizeireporter und TV-Journalist im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Wie unterscheidet sich "Ungeklärte Fälle - Deine Hilfe zählt" vom Kultformat "Aktenzeichen XY... ungelöst"?

Christoph Hoffmann: Der größte Unterschied: Wir sind schon in den Fahndungsfilmen an den echten Tatorten. Unsere Schauspieler stellen die Verbrechen dort nach, wo sie passiert sind - also auf dem tatsächlichen Weg zum Haus der Studentin, die in Göttingen angegriffen wurde. Oder genau in den Straßen in Berlin-Kreuzberg, in denen der Spanier Alejandro G. erstochen wurde. Außerdem begleiten wir die Kommissare an die Tatorte: Sie zeigen uns noch einmal die wichtigsten Punkte und erklären ihre Ermittlungsmethoden.

In der Sendung wird es unter anderem um die aktuellsten Erkenntnisse zu dem Mordfall in Freiburg an einer Joggerin gehen. Der Fall bestimmte tagelang die Presse, warum bewegte ausgerechnet dieser Mordfall Deutschland so sehr?

Hoffmann: Weil er uns bewusst macht: Wir können alle jederzeit Opfer eines Verbrechens werden. Weil wir uns dafür noch nicht mal in eine gefährliche Situation begeben müssen - also nachts durch ein zwielichtiges Viertel zu laufen. Es reicht schon, an einem Sonntagnachmittag in der gewohnten Umgebung im Hellen joggen zu gehen - Carolin war zur falschen Zeit am falschen Ort und das macht ein Verbrechen noch tragischer und noch schwieriger zu begreifen. Was die Menschen auch an dem Fall bewegt: Die mögliche Verbindung zu einem weiteren Mordfall in Österreich. Die Polizei hat Hinweise, dass es sich um denselben Täter handeln könnte, womöglich ein Serienmörder, der immer noch nicht gefasst ist. Das gibt dem Fall noch mal Brisanz.

Sind Sie selbst in Ihrem persönlichen Umfeld schon einmal mit einem Verbrechen konfrontiert worden?

Hoffmann: Ich persönlich hatte Glück, mir ist bisher noch nicht mal Geld gestohlen worden. Ein Freund wurde allerdings mal brutal überfallen: Als er sein Fahrrad gerade aufschließen wollte, sah er nur noch einen Fuß auf sich zukommen. Er hatte schwere Verletzungen im Gesicht.

Wie sehr beschäftigen Sie die Fälle, können Sie zuhause von den tragischen Geschichten abschalten?

Hoffmann: Während der Arbeit für die Sendung geht es. Da konzentriere ich mich auf die Moderationen und meine Gespräche mit den Ermittlern im Studio. Das ist die berufliche Distanz, die ich mir - zum Glück - in den Jahren als Polizeireporter und TV-Journalist angeeignet habe. Aber auch die bricht mal ein. Zum Beispiel beim Fall der Joggerin Carolin. Ich habe versucht, mich in ihren Mann hineinzuversetzen: Nach Hause zu kommen, die Partnerin ist nicht da, kommt auch nach Stunden nicht nach Hause, diese aufsteigende Angst... und dann wird sie Tage später tot aufgefunden. So etwas wirkt sehr nach und sorgt auch mal für eine unruhige Nacht. Ich bin aber trotzdem froh, dass ich mir da das Mitgefühl bewahrt habe. Mein Gegenprogramm sind mein enger Freundeskreis und meine Familie, die mich auffangen und ablenken!

Befriedigen Formate, die echte Verbrechen zum Thema machen, die Sensationslust oder warum schalten Zuschauer bei solchen Sendungen ein?

Hoffmann: Ich glaube, ein Stück weit ist das unsere Natur. Menschen sind neugierig. Besonders auf das, was sie nicht kennen und selbst im Leben niemals machen würden. Verbrechen zeigen uns immer, wozu wir fähig sind. Wenn Menschen aus dem geregelten Leben ausbrechen und zum Beispiel jemanden umbringen. Wie kam es dazu? An welcher Stelle hat derjenige sich entschieden, aus dem "normalen" Leben auszubrechen? Das übt auf viele eine - düstere - Faszination aus. Für mich persönlich sind Sendungen, die sich mit Kriminalität befassen, immer auch eine Art Warnung: Ich bin dadurch im Alltag vorsichtiger geworden! Weil es mir klar macht, wie schnell mir etwas passieren kann.

Auch fiktive Verbrechen wie etwa im "Tatort" bannen ein Millionenpublikum vor den Bildschirmen. Woher kommt dieses Krimifieber?

Hoffmann: Ich denke, hier kommt die Faszination von etwas anderem: Bei Krimis kann man sich sehr gut für eine begrenzte Zeit auf ein Verbrechen einlassen und weiß - bis auf wenige Ausnahmen - dass es gelöst wird. Der Spannungsbogen ist überschaubar: Grusel für begrenzte Zeit.

Sind Sie selbst ein Krimi-Fan?

Hoffmann: Nein, komischerweise gar nicht. Weder in Buch- noch in Filmform. Es packt mich nicht so wie reale Fälle. Dafür habe ich zu Hause eine Wand voll mit Büchern über Ermittler, Profiler, Serientäter und mysteriöse Verbrechen. Das echte Leben ist spannend genug, finde ich.

Foto(s): © RTL II / Magdalena Possert