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Unionsfraktion probt den Aufstand

Kaufprämie für E-Autos - Unionsfraktion probt den Aufstand

Die Bundesregierung hat sich mit den Spitzen der Autoindustrie auf eine Kaufprämie von 4000 Euro und andere Fördermaßnahmen für Elektro-Autos verständigt. Ziel sei es, auf dem Heimatmarkt zu zeigen, dass man diese Antriebsform beherrsche und „massenmarktfähig“ mache, sagte Bundeswirtschaftsminister (SPD) am Mittwoch in Berlin. Mit den vereinbarten Fördermaßnahmen hoffe man, die Zahl der E-Autos in Deutschland über die Schwelle von 500.000 zu heben.

Dies wäre immer noch weit entfernt von dem ursprünglichen Ziel von einer Million Fahrzeugen bis 2020, aber das Zehnfache des aktuellen Bestandes. Die Bundesregierung erwarte zugleich, dass die Autoindustrie die Herausforderung „offensiv annimmt“. In Deutschland müsse mehr geforscht und die industrielle Fertigung der Batterien nach Deutschland zurückgeholt werden, forderte Gabriel.

Trotz der Einigung ist die Prämie hoch umstritten. Im Bundestag ist vor allem in s Unionsfraktion die Ablehnung einer Kaufprämie groß. Der mächtige Fraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) redete schon mal Klartext: „Es gibt erhebliche Vorbehalte in unserer Bundestagsfraktion gegen eine Kaufprämie. Darüber werden wir sicher noch zu sprechen haben“. Und er betonte: „Am Ende entscheidet der Deutsche Bundestag – vor allem, wenn es um Haushaltsmittel geht“, drohte er der Kanzlerin mit einer Abstimmungsniederlage.

Die geplanten Kaufprämien für Elektroautos sollen bereits ab dem kommenden Monat gezahlt werden. Der Start sei ab dem Tag des Kabinettsbeschlusses geplant, der im Mai sein solle, sagte Bundesfinanzminister (CDU) am Mittwoch. Die Förderung hat eine befristete Laufzeit bis höchstens 2019, die Mittel würden aber hoffentlich lange vorher aufgebraucht sein. Das Konzept umfasst direkte Kaufzuschüsse von 4000 Euro für reine Elektro- und 3000 Euro für Plug-in-Hybridautos – getragen zur Hälfte von Bund und Industrie – sowie Infrastruktur-Investitionen.

Wenn das Volumen von insgesamt 1,2 Milliarden Euro abgefragt sei, ende die Prämie. „Wer zuerst kommt, bekommt die Förderung“, sagte Schäuble. Er machte deutlich, dass Kunden nur dann eine Prämie erhalten, wenn ihr Hersteller sich an der vereinbarten hälftigen Finanzierung beteiligt. Daimler, VW und BMW sagten dies laut Bundesregierung bereits zu.

Neben Kauder machten allerdings noch weitere Abgeordnete während der Fraktionssitzung ihrem Unmut Luft. „Direkte Kaufprämien sind kein Modell für die Zukunft, das wissen wir spätestens seit der Solarförderung, die vor allem chinesischen Herstellern genutzt hat“, sagte der -Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann dem Handelsblatt. Unionsvize Gitta Connemann hält ebenfalls nichts von der Prämie: „Eine Abwrackprämie für Elektroautos wäre nichts anderes als eine Abwrackprämie 2.0: Ökologischer und ökonomischer Unsinn“.

In der SPD-Fraktion gibt es dagegen bisher eine Mehrheit für die Kaufprämie: „Wir wissen natürlich um die Bedeutung der Automobilindustrie für die Beschäftigung in Deutschland“, hatte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil vor dem Autogipfel dem Handelsblatt gesagt. Umso wichtiger sei es, dass die Industrie bei den Zukunftsthemen Digitalisierung und neue Anriebe voran komme. „Wir erwarten ein klares Bekenntnis der Industrie, Technologieentwicklung und Produktion der Batterien wieder nach Deutschland zu holen und sich an einer Kaufprämie zu beteiligen.“


Ökonomen kritisieren die Kaufprämie

Die SPD-Haushaltspolitiker nehmen zwar das Arbeitsplatz- und das Technologieförderinstrument zur Kenntnis. „Beim Ausbau der Infrastruktur, also dem Aufbau eines Stromtankstellennetzes, kann und soll der Staat helfen. Aber eine Kaufprämie halte ich nicht für sinnvoll“, sagte Johannes Kahrs, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, dem Handelsblatt: Die Autoindustrie verdiene so gut wie nie zuvor und brauche daher keine zusätzliche Subvention. „Wenn ihre Elektroautos am Markt zu teuer sind, müssen sie sie eben billiger machen“, verlangte Kahrs.

In der SPD-Fraktion insgesamt wuchs im Laufe des Mittwochs die Sorge, dass eine Zustimmung zur Prämie sich womöglich im Dialog mit Wählern doch noch als Problem erweisen könnte: In den Medien findet das Arbeitsplatzsicherungsargument kaum Resonanz – weil die Industrie aktuell im Geld schwimmt. Die Ablehnung der Branchensubvention war dagegen in der Presse am Mittwochmorgen einhellig. Die „Bild“-Zeitung etwa titelte: „Vater Staat schiebt den Reichen Geld in die Steckdose“.

Der Ökonom Michael Hüther vom Industrie-nahen Institut der deutschen Wirtschaft wiederum sieht die Bundesregierung als Opfer ihrer eigenen Versprechungen. „Wer eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen sehen will, der muss das angesichts der Kosten auch bezahlen“, sagte er. Ordnungspolitisch sei das nicht zu begründen.

Hüther glaubt, die Befürworter , SPD-Chef und -Chef Horst Seehofer hegten mit der Prämie einen Hintergedanken: Er erwartet nicht, dass die Prämie das Problem für die Autohersteller lösen wird, Entwicklungsaktivitäten hochfahren zu müssen, ohne dass diesen Investitionen absehbar ein entsprechender Markt gegenüberstehe. „Ein Kaufprämie, die das Problem nicht löst, wird immerhin aus Sicht der Politik der Industrie den schwarzen Peter zuschieben, wenn die Ziele nicht erreicht werden“, sagte Hüther.

Auch Ifo-Präsident Clemens Fuest sprach sich gegen die Kaufprämie für Elektro-Autos aus. „Die Prämie für E-Autos halte ich für einen schweren Fehler“, sagte der Chef des Ifo-Instituts am Mittwoch. „Die 600 Millionen Steuergelder wären besser in der Erforschung und Entwicklung neuer Umwelttechnologien angelegt.“

Umweltpolitisch wäre es richtig, die Verursacher von Emissionen zu belasten und nicht das Unterlassen von Emissionen mit Steuergeldern zu fördern. „Zweitens fallen bei der Produktion von Elektroautos und bei der Stromproduktion erhebliche CO2-Emissionen an, so dass die Gesamtbilanz weniger gut ist als oft behauptet wird“, sagte Fuest. „Drittens ist die Technologie, die hier gefördert wird, nicht neu. Sie ist beispielsweise in Kalifornien gut erprobt.“

Der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt ist ebenfalls skeptisch: „Eigentlich ist die Automobilindustrie selbst in der Pflicht, den Kunden bessere Angebote zu machen“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung am Mittwoch. Der Staat trage lediglich die Verantwortung für die Forschungsförderung - beispielsweise in den Bereichen Batterien und Materialien – und für die Infrastruktur.

„Die jetzt beschlossene Kaufprämie auf Kosten des Steuerzahlers dürfte trotz der zu befürchtenden Mitnahmeeffekte dem Absatz von Elektrofahrzeugen zwar einen Schub geben“, sagte Schmidt, der auch Präsident des Essener RWI-Instituts ist. Das Ziel, bis 2020 in Deutschland eine Million Elektrofahrzeuge zu haben, sei ohne zusätzliche Anstrengungen voraussichtlich nicht erreichbar. „Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es allerdings sinnvoller gewesen, stattdessen über eine Verschiebung des unrealistisch gewordenen Ziels um einige Jahre nachzudenken.“

KONTEXT

Wie andere Länder E-Autos fördern

USA

Obwohl es nicht zuletzt dank dem Branchenpionier Tesla mit seinem schillernden Chef Elon Musk einen Hype um Elektroautos gibt, sind die USA von einer E-Revolution meilenweit entfernt. Bislang fristen die Fahrzeuge ein Nischendasein. 2015 hatten nur 0,3 Prozent der knapp 17,5 Millionen verkauften Neuwagen einen E-Antrieb. Zuletzt dämpfte der billige Sprit die Nachfrage noch zusätzlich. Dabei werden E-Autos auch in den USA gefördert. So soll der Kaufpreis für den Chevrolet Bolt EV bei gut 37.000 Dollar liegen, nach Abzug staatlicher Vergünstigungen aber auf etwa 30.000 Dollar sinken.

China

Dank hoher Subventionen ist das Reich der Mitte zum größten Markt für Elektrofahrzeuge aufgestiegen. Etwa 188"‰000 Wagen wurden 2015 abgesetzt. Das ist im Vergleich zum Gesamtmarkt mit jährlich mehr als 20 Millionen Autos zwar noch verschwindend wenig. Peking betont aber, die grüne Revolution zu forcieren: Bis 2020 sollen fünf Millionen E-Autos fahren.

Frankreich

Paris spendiert Käufern bis zu 10"‰000 Euro. Diese Höchstprämie bekommt seit April 2015 jeder, der ein neues E-Auto kauft oder für mindestens zwei Jahre least. Etwas weniger gibt es für einen Plug-in-Hybdriden. Voraussetzung ist, dass ein Dieselauto, das man mindestens ein Jahr besessen hat, verschrottet wird. Der Markt für saubere Autos ist so zwar gewachsen, bleibt aber immer noch klein: Dieses Jahr wurden bisher gut 6"‰000 E-Autos verkauft.

Norwegen

Norwegen gilt als ein Paradies für Elektroautos. Jeder fünfte neu zugelassene Pkw ist ein Stromer. Ziel der Regierung ist es, dass im 5,2-Millionen-Einwohner-Land mindestens 50"‰000 Elektroautos fahren sollen. Um diese Marke zu erreichen, entfällt die 25-prozentige Umsatz- sowie die Kfz-Steuer. Zudem erhalten die sehr schweren Elektrowagen 50 Prozent Rabatt auf die übliche Gewichtssteuer. Dieses Subventionspaket führt dazu, dass ein Elektro-Golf günstiger als sein konventionell angetriebener Bruder ist. Zudem dürfen Elektroautos die Busspuren benutzen, können kostenlos parken und die vielen Ladestationen umsonst benutzen.

Großbritannien

Käufer eines E-Autos haben auf der Insel in den vergangenen fünf Jahren eine Prämie von bis zu 5"‰000 Pfund pro Fahrzeug, umgerechnet rund 6"‰400 Euro, erhalten. Das Programm wurde 2009 von der Labour-Regierung beschlossen und jüngst leicht modifiziert bis 2018 verlängert. Laut Verkehrsministerium haben seit 2011 rund 100"‰000 Autofahrer die Prämie erhalten - nach Einschätzung der Behörde wird sich diese Zahl bis 2018 verdoppeln. Ein echter Verkaufsschlager sind die E-Autos nicht.

Italien

Italien hinkt bei der Elektromobilität hinterher. Zwar gibt es seit 2013 Kaufanreize für Elektro- und Hybridautos und für Niedrig-Emissions-Fahrzeuge, aber die Subventionen lassen die Autokäufer kalt. So waren von den rund 1,5 Millionen Neuzulassungen des vergangenen Jahres nur 1"‰125 Elektroautos. Ein Grund: Es gibt nur gut 400 Ladestationen im Land.