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"Uns als die Buhmänner hinzustellen, ist furchtbar": Virologe kritisiert Umgang mit Christian Drosten

Am Dienstag wurde kritisch über eine neue Studie von Christian Drosten zur Viruslast bei Kleinkindern berichtet. Bei "Markus Lanz" bezog ein Wissenschaftskollege klar Stellung dazu.

Morddrohungen, Vergleiche mit Nazi-Verbrechern - und jetzt auch noch die "Bild"-Zeitung im Nacken: Der Virologe Dr. Christian Drosten wird in diesen Tagen von Teilen der Öffentlichkeit hart und zum Teil weit über jedes vertretbare Maß hinaus angegangen. "Furchtbar" fand das sein Wissenschaftskollege Dr. Martin Stürmer als Gast von "Markus Lanz" am Dienstagabend im ZDF.

"Wir sind Wissenschaftler, und wir machen unseren Job. Wir sind nicht perfekt, denn wir produzieren gerade Daten auf einer Basis, die relativ dünn ist." Schließlich kenne man das Virus erst seit wenigen Monaten, und man dürfe keine Wunder erwarten. In ihrer Berichterstattung über eine neue Studie von Drosten habe "Bild" dagegen einen wissenschaftlichen Diskurs ad absurdum geführt, Zitate von anderen Forschern aus dem Zusammenhang gerissen oder zum Teil falsch übersetzt und in einer Form dargestellt, wie wissenschaftliche Diskussion nicht stattfinden dürfe, befand Stürmer.

Eine bedenkliche Situation

Der Virologe kritisierte vor allem die Art und Weise, wie Drosten unter Druck gesetzt worden sei. Das Boulevardblatt hatte am Dienstag kritisch über eine als Vorab-Papier veröffentlichte neue Studie von Drosten über die Virusmenge bei Kleinkindern berichtet ("Schulen und Kitas wegen falscher Corona-Studie dicht") und darin Wissenschaftler angeführt, die die Ergebnisse der Studie angeblich infrage stellen. Die Zeitung hatte Christian Drosten im Vorfeld eine Frist von einer Stunde gesetzt, sich dazu zu äußern, was dieser am Montagnachmittag über Twitter öffentlich gemacht hatte. Inzwischen haben sich die Forscher, die von "Bild" als angebliche "Kronzeugen" gegen die Studie angeführt worden waren, von der Berichterstattung der Zeitung distanziert.

"Wie steht Herr Dorsten jetzt da?", fragte Dr. Martin Stürmer in der Sendung. "Er wird von der 'Bild'-Zeitung zerpflückt und als jemand dargestellt, der eine völlig falsche Aussage getroffen hat. Und das stimmt nicht. Für uns ist das eine bedenkliche Situation. Wir haben unsere Expertise, die wird gefragt und zurecht auch hinterfragt. Wir machen aber keine Politik und keine Verordnungen."

Er beklagte, dass die Virologen mit vielen Dingen in Verbindung gebracht werden würden, für die sie gar nichts könnten. "Unsere Verantwortung ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, damit die Politik Entscheidungen treffen kann. Das dann miteinander zu vermischen und uns als die Buhmänner hinzustellen, das ist furchtbar." An dieser Stelle konnte ihm der SPD-Politiker Ralf Stegner, der ebenfalls zu Gast in der Sendung war, nur zustimmen: "Das passiert natürlich auch deswegen, weil diese wissenschaftliche Erkenntnis Leuten im Weg steht."