"Unserer Wirtschaft ginge es besser": So kontrovers wird in Ingo Zamperonis Familie über Trump disktiert

Politische Diskussionen lassen sich beim Aufeinandertreffen von Ingo Zamperoni (rechts), seiner Ehefrau Jiffer Bourguignon und deren Vater Paul nicht vermeiden.  (Bild: NDR / Martin Kobold)
Politische Diskussionen lassen sich beim Aufeinandertreffen von Ingo Zamperoni (rechts), seiner Ehefrau Jiffer Bourguignon und deren Vater Paul nicht vermeiden. (Bild: NDR / Martin Kobold)

Zwei Jahre nach seiner letzten USA-Dokumentation bereiste Ingo Zamperoni das Land erneut. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Zwischenwahlen fragte er in der ARD-Dokumentation "Trump, Biden, meine US-Familie und ich": Ist die amerikanische Demokratie in Gefahr?

Ingo Zamperoni ist mit der USA schon lange eng verbunden: Der heutige "Tagesthemen"-Sprecher studierte Anglistik, verbrachte ein Auslandsjahr in Boston und ist mit einer US-Amerikanerin verheiratet. Im Herbst 2020, während der heißen Phase des US-Wahlkampfs, wollte er mehr über die politische Zerrissenheit der Staaten erfahren. Ausgehend von einem privaten Besuch bei der angeheirateten Familie bereiste er deshalb verschiedene Ecken des Landes. 4,40 Millionen Menschen (Marktanteil: 13,3 Prozent) erreichte die dabei entstandene Doku "Trump, meine amerikanische Familie und ich" bei der Erstausstrahlung im November 2020 im Ersten. Nun, kurz vor den Midterms, den wichtigsten Zwischenwahlen im November, ist Zamperoni erneut für Dreharbeiten in die USA gereist: Die Doku "Trump, Biden, meine US-Familie und ich" war am Montag im Rahmen eines Themenschwerpunkts im Ersten zu sehen.

Auch der neue Film von Ingo Zamperoni und Birgit Wärnke begann mit einem Familienfest: Die Tante von Zamperonis Ehefrau Jiffer lud auf ihr Farmhaus in Montana ein. Es war das erste große Treffen seit Ausbruch der Pandemie. Unter den Gästen war auch Jiffers Vater Paul, ein überzeugter Republikaner: Er hofft, dass Trump 2024 nicht mehr kandidiert, sollte er es tun, würden er und seine zweite Ehefrau ihn wieder wählen - für die Partei: "Unserer Wirtschaft ginge es besser", meinten sie im Film, "die Lage an der Grenze wäre besser, Inflation wäre niedriger". Und es gäbe weniger Kriminalität. Pauls Töchter sehen das anders. Politische Diskussionen stehen damit auf der Tagesordnung. Wenigstens beim Sturm auf das Kapitol 2021 sei sich die Familie einig, kommentierte Zamperoni: "Das ging eindeutig zu weit!"

In der ARD-Dokumentation "Trump, Biden, meine US-Familie und ich" besucht Ingo Zamperoni unter anderem die berühmte Mauer, mit der Donald Trump die USA vor illegalen Einwanderern aus Mexiko schützen wollte.  (Bild: NDR / Martin Kobold)
In der ARD-Dokumentation "Trump, Biden, meine US-Familie und ich" besucht Ingo Zamperoni unter anderem die berühmte Mauer, mit der Donald Trump die USA vor illegalen Einwanderern aus Mexiko schützen wollte. (Bild: NDR / Martin Kobold)

Leichen sammeln sich im Kühlhaus

Die Politik spaltet viele US-amerikanische Familien: Es gibt sogar Werbespots, die empfahlen, politische Themen an Thanksgiving oder Weihnachten auszuklammern. Um herauszufinden, welche Themen die US-Bevölkerung am meisten beschäftigt, reiste Zamperoni in den Süden: In der texanischen Stadt El Paso traf er einen alten Mitbewohner aus Uni-Zeiten, der ihn zu Trumps berühmter Mauer führt: Das Metallgebilde, welches die Einreise illegaler Migranten aus Mexiko verhindern soll, wurde nie fertiggestellt. Es hört mitten in der Landschaft auf. Ein absurder Anblick.

Der texanische Sheriff Benny Martinez forderte eine komplette Schließung der Grenzen. Seine Beweggründe machte er in der Doku auf erschreckende Weise deutlich: Auf dem Hinterhof der Polizeistation von Falfurrias, einem kleinen Ort mit 5.000 Einwohnern, steht seit kurzem ein Kühlcontainer. Darin sammelt Martinez die Leichen von Mexikanern, die auf ihrem Weg in die USA in der Wüste verdursteten. "Hier ist bald kein Platz mehr", sagte er: "Wir müssen schon stapeln." Zamperonis Einwand, dass sich das Problem durch eine Mauer doch nur auf die andere Seite verlagere, lies er nicht gelten: "Das ist denen ihr Problem, nicht unseres."

Paul (links) ist überzeugter Republikaner. Warum er dennoch hofft, dass Trump nicht wieder kandidiert erklärt er Ingo Zamperoni in der Doku.  (Bild: NDR / Martin Kobold)
Paul (links) ist überzeugter Republikaner. Warum er dennoch hofft, dass Trump nicht wieder kandidiert erklärt er Ingo Zamperoni in der Doku. (Bild: NDR / Martin Kobold)

Eine gesellschaftliche Zwickmühle

Doch auch demokratische Stimmen kamen in der 45-minütigen Dokumentation zu Wort: Zamperonis Stiefschwiegervater Greg etwa erinnerte sich noch an die Zeit der Rassentrennung. Die rassistischen und spalterischen Ansätze von Trumps Politik bereiteten ihm große Sorge: "Es ist beängstigend, dass unsere Demokratie so fragil ist."

Das gesellschaftliche Gleichgewicht, so hieß es weiter, käme seit der Wahl von Joe Biden nur sehr langsam zurück. In Hillsdale an der Grenze zu Massachusetts leben viele, die den liberalen linken Flügel der Demokraten unterstützen. Einer davon ist Ian, ein ehemaliger Mitbewohner von Jiffer: "Es gab ein kollektives Aufatmen nach Bidens Sieg", sagte er, "aber bei den aktuellen Entwicklungen kommt es mir vor, als lebten wir immer noch in der Hölle." Vor allem die Abschaffung des Abtreibungsrechts hat die Menschen hier zutiefst schockiert: "Ich habe schon Universitäten komplett ausgeschlossen, die nicht in extrem liberalen Staaten liegen", erzählte eine Freundin von Ian: "Ich will nicht in einem Staat leben, in dem meine Rechte nicht geschützt werden."

"Es ist eine Zwickmühle", bilanzierte Ingo Zamperoni nach 45 Minuten: "Was meinen New Yorker Freunden viel zu wenig Fortschritt ist, ist anderen in meiner amerikanischen Familie viel zu viel." An das Ende der amerikanischen Demokratie wollte er dennoch nicht glauben: "Vielleicht ist sie nicht am Ende, sondern einfach nur unvollendet."

Sein Stief-Schwiegervater Greg (links) zeigt Ingo Zamperoni die Schäden des Hurrikans Katrina. Viele Häuser wurden auch nach 17 Jahren nicht wieder aufgebaut.  (Bild: NDR / Martin Kobold)
Sein Stief-Schwiegervater Greg (links) zeigt Ingo Zamperoni die Schäden des Hurrikans Katrina. Viele Häuser wurden auch nach 17 Jahren nicht wieder aufgebaut. (Bild: NDR / Martin Kobold)