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Untergangsstimmung bei "Hart aber fair": Ist Deutschland ein Sanierungsfall?

Die Gäste bei “Hart aber fair” (von links): Peter Altmaier (CDU), Steffi Neu (WDR), Frank Themen (VOX), Hermann Lohbeck (Landmaschinen) Foto: Screenshot ARD
Die Gäste bei “Hart aber fair” (von links): Peter Altmaier (CDU), Steffi Neu (WDR), Frank Themen (VOX), Hermann Lohbeck (Landmaschinen) Foto: Screenshot ARD

Das Handy ohne Empfang, der Zug ständig verspätet, Autofahren endet im Dauerstau. Die Wut vieler Bürger darüber wächst: Muss der Alltag in Deutschland so aussehen? Wird zu viel gespart, zu wenig saniert? Wann packen Politik und Konzerne die Probleme endlich richtig an? Diese Fragen stellte Moderator Frank Plasberg am Montagabend bei „Hart aber fair”.

Zweifellos wichtige Fragen. Leider wurde keine davon beantwortet. Dafür erlebten die Zuschauer einen gut gelaunten Bundeswirtschaftsminister, der erklärte: Alles nicht so schlimm.

Altmaiers Parteifreundin, die CDU-Bundesforschungsministerin Karliczek, hatte kürzlich behauptet, man brauche nicht an jeder Milchkanne ein schnelles Mobilfunknetz. Der Satz zeugt von beeindruckender Unkenntnis. Denn ausgerechnet der für Forschung zuständigen Ministerin ist offenbar in entgangen, dass mittlerweile Mähdrescher untereinander vernetzt, Felder mit Drohnen und Milchkühe mit Mikrochips überwacht werden können. Falls Internet vorhanden.

In vielen Regionen existiert zudem gar kein Funknetz. Die WDR-Moderatorin Steffi Neu erzählte, dass sie in der Badewanne telefoniert, weil die unterm Dach ihres Hauses steht, wo der Empfang am besten ist. Und das, obwohl sie für ihren Handyvertrag monatlich 90 Euro zahle. 90 Euro? Anscheinend hat die Frau ein Smartphone aus purem Gold. Denn selbst das modernste I-Phone mit Flatrate bekommt man für schon die Hälfte.

Aus der „Höhle des Löwen” in die Planwirtschaft: Frank Thelen will Mobilfunk verstaatlichen

Realistischere Zahlen präsentierte Lina Ehrig, Leiterin Team Digitales und Medien bei der Verbraucherzentrale. Sie sagte: „Nur 1,6 Prozent der Mobilfunkkunden bekommen die Geschwindigkeit, die ihnen vertraglich zugesichert wurde.” Woran liegt das?

Frank Thelen, Start-Up-Investor und bekannt als Juror der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen” sieht den Staat in der Verantwortung. Der versteigere die Mobilfunklizenzen zu Höchstpreisen, weshalb den Mobilfunkanbietern nicht genügend Geld für den Breitbandausbau bleibe.

Überraschenderweise erklärte Thelen: „Ich bin für ein Staatsnetz, auf das alle Unternehmen ihre Dienstleistungen daraufsetzen.” Ein westdeutscher Unternehmer, der große Teile der Industrie verstaatlichen möchte. Wenn das Erich Honecker noch erlebt hätte. Wer allerdings in der DDR jahrelang auf einen Telefonanschluss warten musste, der weiß, dass Verstaatlichung nicht immer die beste Lösung ist.

CDU-Wirtschaftsminister Altmaier: Deutsche Bahn war früher noch schlechter

Gut gelaunt am Montagabend: Wirtschaftsminister Altmaier freut sich über Schnellradwege und Funkloch-Apps. Foto: Screenshot ARD
Gut gelaunt am Montagabend: Wirtschaftsminister Altmaier freut sich über Schnellradwege und Funkloch-Apps. Foto: Screenshot ARD

Peter Altmaier, CDU-Bundesminister für Wirtschaft und Energie, glänzte mit einem sonnigen Gemüt. Zwar hatte er kürzlich noch gebarmt, während Autofahrten nicht mehr mit ausländischen Kollegen telefonieren zu wollen, weil die Verbindungen regelmäßig unterbrochen werden. Doch bei „Hart aber fair” gab er den Optimisten. Immerhin habe der Verkehrsminister eine Funkloch-App entwickeln lassen, mit der man Funklöcher finden kann. Altmaier meinte das wirklich ernst. Die App hilft zwar nicht weiter beim telefonieren, aber man weiß, was vorher schon klar war: Dass man in einem Funkloch steht. Altmaier analysierte messerscharf: „Wenn man aus dem Netz fliegt, dann hat das was mit Technik zu tun. Ach nee. In diesem Stil fuhr Altmaier fort:

Verstopfte Straßen? Schuld seien Naturschützer, die gegen den Straßenausbau protestieren, so der Minister. Außerdem fördere die Bundesregierung neuerdings den Bau von Radschnellwegen. Vermutung: Die Pendler, die zwischen Sachsen und Baden-Württemberg unterwegs sind, werden Radwege nicht beruhigen.

Flächendeckendes Bahnchaos mit verspäteten Zügen? Altmaier wiegelt ab: „Es ist viel positives geschaffen wurden in den vergangenen Jahren.” Was genau verriet er nicht. Nur soviel: „Mitte der neunziger Jahre war alles noch viel schlechter”, so Altmaier.

Abschließend durfte jeder Gast sein schlimmstes Bahnerlebnis zum besten geben. Moderator Plasberg berichtet von verstopften Toiletten und VOX-Mann Thelen verkündete: „Ich vermeide die Bahn, wenn es irgendwie geht – extrem unzuverlässig und der Service ist grausam.” Immerhin erfuhren die Zuschauer, dass defekte Klos bei der Bahn „Komfortschäden” genannt werden. Der Toilettengang als Luxusausflug. Darauf muss man auch erst einmal kommen. Ein Vertreter der Deutschen Bahn wollte in der Sendung übrigens nicht Stellung nehmen. So manövriert man sich aufs Abstellgleis.

Fazit: Aufklärung über Ursachen und Hintergründe der zweifellos vorhandenen Infrastrukturprobleme hierzulande hatten Frank Plasberg und seine Gäste nicht zu bieten. Dafür gab es jede Menge amüsanter Anekdoten. Oder wie die WDR-Frau passenderweise erklärte: „Interessiert mich doch nicht, wie das alles heißt, ich will nur telefonieren können.”