Urlaubssperren und Überstunden - Gewerkschafter schlägt Alarm: Die bittere Wahrheit über die Grenzkontrollen
Die scharfen Grenzkontrollen während der EM waren „ein voller Erfolg“, bilanziert die Polizeigewerkschaft. Eine Verlängerung der Maßnahmen scheitere jedoch an Personal- und Geldmangel. Die Politik blockiere hartnäckig den wirksamen Schutz unserer Grenzen.
Die scharfen Kontrollen entlang der innerdeutschen Grenze während der Fußball-EM haben sich gelohnt: Tausende illegale Migranten, gesuchte Straf- und Gewalttäter sowie kriminelle Schleuser gingen den Beamten der Bundespolizei ins Netz.
Eine beeindruckende Bilanz, die zeigt, wie wirksam eine engmaschige Überwachung unserer Grenzen ist.
Doch jetzt kommt die bittere Kehrseite der Erfolgsmeldung ans Licht:
Deutschland ist offenbar nicht in der Lage, seine Grenzen dauerhaft auf diese Weise zu sichern und seine Bürger zu schützen! Schon der EM-Sondereinsatz war offenbar ein personeller Kraftakt – und muss damit höchstwahrscheinlich eine Ausnahme bleiben.
Grenzkontrollen: „Nur mit Urlaubssperren und Überstunden“
„Die großen Erfolge bei den Grenzkontrollen während der EM konnten neben der absolut professionellen und motivierten Arbeit unserer Kollegen auch nur durch Urlaubssperren und Aufbau von Überstunden erzielt werden“, sagt der Polizeigewerkschafter Andreas Roßkopf zu FOCUS online. „Dies ist dauerhaft in dieser Art und Weise für die Bundespolizei nicht durchhaltbar.“
Roßkopf, der bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für die Bundespolizei zuständig ist, sagte weiter: „Die Grenzkontrollen sind zu 100 Prozent wirksam gewesen und somit ein voller Erfolg.“ Die Bilanz sei erfreulich.
„Wir haben über 1000 Haftbefehle vollstrecken können, über 100 politisch motivierte Straftäter festgestellt, über 100 gewaltbereite Hooligans und gut 8000 unerlaubte Einreisen.“
Der Gewerkschafter konstatiert, dass die Aufgriffszahlen „bei solch intensiven Kontrollen wie zur EM natürlich höher ausfallen“ als zu normalen Zeiten. Gleichwohl seien Bundespolizei und Zoll auch abseits solcher Großereignisse „tagtäglich an den Binnengrenzen“ unterwegs und würden im Rahmen der Schleierfahndung „all diese Dinge feststellen und bearbeiten“.
Polizei: „Europäischer Außengrenzschutz funktioniert nicht“
Auf die Frage von FOCUS online, ob die Grenzkontrollen aus sicherheitspolitischer Sicht fortgeführt werden sollten, antwortet der 52 Jahre alte Roßkopf: „Solange der europäische Außengrenzschutz nicht so funktioniert wie er funktionieren muss, müssen wir natürlich hier in Deutschland an unseren Binnengrenzen Maßnahmen treffen.“
Dazu bedürfe es „moderner, flexibler Grenzkontrollen, also Grenzkontrollen ohne Wartezeiten für Berufspendler oder den Warenverkehr“. Roßkopf betont, dass die Bundespolizei hierfür effektive Einsatzmittel wie Drohnen und Kameras, moderne Fahndungs- und Bearbeitungsfahrzeuge sowie flexible Kontrolleinrichtungen brauche.
„Bundespolizei fehlen dieses Jahr rund 500 Millionen Euro“
„Gerade Letzteres wurde bereits 2019 erprobt und von allen Fachleuten für gut und wichtig befunden. Leider ist bis heute in diesem Bereich nichts passiert“, klagt der Gewerkschafter. „Daher fordern wir dringend, diese Dinge anzuschaffen, um uns die Möglichkeiten zu geben, moderne, flexible Kontrollen an unseren Grenzen durchführen zu können.“
„Wir brauchen keine Schlagbäume an unseren Grenzen“, stellt Roßkopf klar. „Was wir brauchen, sind moderne Instrumente, um personalschonend und mit möglichst wenig Behinderungen für berechtigte Grenzübergänger kontrollieren zu können.“ Moderne Grenzkontrollen seien „kein Widerspruch zu einem freizügigen Europa“.
Im Moment sei man von solchen Zuständen jedoch weit entfernt, weil es schlicht und ergreifend nicht bezahlbar ist. Roßkopf zu FOCUS online: „Der Bundespolizei fehlen alleine in diesem Jahr rund 500 Millionen Euro, um anständig arbeitsfähig zu bleiben.“ Er forderte „zwingend schon in diesem Jahr“ einen Nachtragshaushalt beziehungsweise ein Sondervermögen „Innere Sicherheit“.
Roßkopfs klare Ansage in Richtung Nancy Faeser (SPD): „Die Bundesinnenministerin muss hier mit Nachdruck beim Bundesfinanzminister Geldmittel einfordern.“
„Brauchen einige Hundert Beamte an Grenzinspektionen“
Doch nicht nur an Geld mangelt es, es fehlt auch Personal. „Wir brauchen auf jeden Fall einige Hundert Beamte an den Grenzinspektionen, sodass wir im Bereich Ermittlungsdienst und bei den Kontroll- und Streifenbeamten vernünftig arbeiten können“, so Roßkopf. Im Moment seien diese Tätigkeiten „nur mit starker Unterstützung der Bereitschaftspolizei möglich“.
Zwar habe man der Bundespolizei zugesichert, 2025 und 2026 jeweils 1000 Stellen zusätzlich zu bekommen. „Dies ist ein guter Ansatz, welcher dringend notwendig ist“, so Roßkopf. Doch die Nachwuchskräfte müssten erst ausgebildet werden, bevor sie in den Einsatz könnten. Tatsächlich im Dienst seien sie deshalb „erst zweieinhalb Jahre später“.