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Uruguay will Rache für Suárez-Bann - «Mafia-Ding»

Ganz Uruguay will Rache für die Sperre von Stürmerstar Luis Suarez. Foto: Antonio Lacerda

«Wir sind alle Suárez!» - ganz Uruguay erklärt die Rache für die WM-Rekordstrafe des Stürmerstars zur nationalen Aufgabe.

Nach der ersten Fassungslosigkeit über den Bann ihres Angreifers erwarteten zahlreiche Fans den gefallenen Helden begeistert am Flughafen, die stolzen Südamerikaner richteten den Zorn auf das Achtelfinale gegen Kolumbien am Samstag. «Uns kann nichts stoppen», betonte Kapitän Diego Lugano in einer Art trotziger Regierungserklärung an den Sünder Luis Suárez, das Team und die Fans. «Wir werden weitergehen mit Demut, Einheit, Engagement, Erkenntnis der Fehler und mit erhobenem Kopf.»

Uruguays Coach Oscar Tabárez legte aus Protest über die seiner Meinung nach überzogene Suárez-Sperre sein Amt in der von FIFA-Boss Sepp Blatter geleiteten Strategiekommission des Weltverbandes nieder. Auf einer bemerkenswerten Pressekonferenz hielt der 67-Jährige einen 15-minütigen Monolog, in dem er heftig die FIFA und die internationalen Medien für ihren Umgang mit Suárez attackierte. An den Stürmer des FC Liverpool gerichtet sagte er: «Luis, wir wollen, dass du weißt, dass du auf diesem Weg nicht allein bist.»

Schon ehe der Ausgestoßene mit einem Privatjet in der Heimat landete und sich eilig zu seiner Familie zurückzog, ging der Furor über die bisher nie dagewesene Neun-Spiele-Sperre für die Beißattacke noch über die Landesgrenzen hinaus. «Warum schickt ihr ihn nicht gleich nach Guantanamo?», spottete Argentiniens Altstar Diego Maradona über das «unfaire» Strafmaß. Es sei «ein unglaubliches Mafia-Ding».

Selbst das italienische Beißopfer Giorgio Chiellini bewertete die Verbannung vom Team als «übertrieben» und «wirklich entfremdend». Der nationale Verband wollte «sofort» Einspruch gegen den FIFA-Beschluss einlegen, Anwalt Alejandro Balbi flog zur Vorbereitung des Schriftstücks nach Barcelona.

«Die Sanktion ist eine Aggression gegen die Jungs des uruguayischen Volkes», ereiferte sich Staatspräsident Jose Mujica. Der Weltverband sei hart, «weil Uruguay eine winzige Nation ist, und deshalb ist das für sie billig». Am Freitag nannte er die Strafe in einer Rede als «schlimmsten Moment der Fußballgeschichte», der als «eine ewige Schande» in die WM-Geschichte eingehen werde. Allerdings rief er seine Landsleute auch zur Besonnenheit auf. Fußball sei immer noch ein «Sport» und kein «Krieg», sagte Mujica.

Auch die Spielergewerkschaft FIFPro sprach sich für eine Verringerung der Sperre aus. Auf raschen Erfolg des Protests gibt es jedoch keine Aussicht, FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke riet Suárez nach dessen dritter Beißattacke gar zu professioneller Unterstützung. «Er muss einen Weg finden, dass er aufhört, solche Dinge zu tun. Er muss sich behandeln lassen», forderte Valcke am Freitag in Rio de Janeiro.

Mit emotionalen Umarmungen verabschiedete sich der für vier Monate von allen Fußball-Aktivitäten gesperrte Suárez in Natal von den Betreuern der Celeste. «Luis möchte allen uruguayischen Menschen für ihre Unterstützung in den vergangenen Stunden danken», twitterte der Verband am Freitag. Zunächst wurde Suárez am Montevideo-Airport sogar von Regierungschef Mujica erwartet - schwebte jedoch erst elf Stunden später als erwartet ein. Wie in einem Video zu sehen ist, ging es im Blitzlichtgewitter der Fotografen per weißem Kleintransporter zum Haus seiner Mutter in einem Badeort nahe von Uruguays Hauptstadt.

Suárez' Familie ist «sehr bekümmert», sagte Vater Rodolfo Suárez dem kolumbianischen Radiosender «La FM». «Wir sind sehr müde und haben die ganze Nacht nicht geschlafen. Fragt die FIFA, wie es uns geht. Es geht uns schlecht, sie sollen sich vorstellen, sie wären an unserer Stelle. Über das, was passiert ist, können wir mit niemandem reden.»

«Ein Land leidet mit Suárez», schrieb «El País». «Sie kreuzigen Suárez», kommentierte «La República». Aus Spanien verlautete derweil, der FC Barcelona sei nach wie vor an einer Verpflichtung des «Enfant Terribles» interessiert. Der Club versuche, den Preis von 87,5 auf 50 Millionen Euro zu drücken, meldeten die Blätter «Marca» und «Sport».

Ohne den Topstar, der wegen der Affäre seinen Sponsor-Deal mit dem Pokeranbieter 888 verlor, traf das Team von Óscar Tabárez am Abend zuvor in Rio de Janeiro ein. Wo vor 64 Jahren im legendären Maracanã der Sensations-Titelcoup gegen Brasilien gelungen war, soll nun der Verlust von Suárez irgendwie kompensiert werden, der im Alleingang für das wichtige Vorrunden-2:1 gegen England gesorgt hatte. Möglich, dass Diego Forlan, immerhin bester Spieler der WM 2010 in Südafrika, mit 35 Jahren die Lücke an Edinson Cavanis Seite schließen muss.

«Eine Umarmung an Luis, der immer wieder aufsteht und besonders an seine Familie, die am meisten leidet in diesen Fällen», sendete Lugano als öffentlichen Gruß an Suárez. Vor ihrer anstehenden Achtelfinal-Aufgabe gegen das leicht favorisierte Kolumbien dachten alle Spieler an den nun fehlenden 23. Mann im Kader. Die Zeitung «El Pais» legte ihrer Freitagsausgabe sogar ein Poster des zum Märtyrer stilisierten Profis vom FC Liverpool bei, aufgedruckt die Aufforderung: «Todos Somos Suárez!» («Wir sind alle Suárez!»)

Wie ein Team auch ohne seinen Top-Stürmer überragend funktionieren kann, hat Kolumbien bei seinem Sturmlauf zum Gruppensieg und ins erst zweite WM-Achtelfinale der Verbandsgeschichte eindrucksvoll bewiesen. Vor der WM erschütterte der Ausfall von Superstar Radamel Falcao die Mannschaft von Coach José Pekerman. Mit drei Toren ist der 22-Jährige James Rodríguez allerdings bereits nach drei Spielen zum besten Torschützen in der WM-Historie der Los Cafeteros aufgestiegen. «Diese kolumbianische Mannschaft ist hungrig auf Ruhm, darauf, Geschichte zu schreiben, weit zu kommen», bekräftigte Jackson Martínez.

Pekerman wollte die Suárez-Sperre am Abend vor der Partie nicht kommentieren. «Das ist ein sehr sensibles Thema. Wir müssen uns auf Uruguay konzentrieren, das ist alles», sagte der 64-Jährige.

Zumindest Maradona hat seine Unterstützung für den zweimaligen Weltmeister im internen Kontinental-Duell unmissverständlich ausgedrückt. Zum Ende seiner TV-Sendung enthüllte die Legende ein T-Shirt mit der Aufschrift: «Luisito, wir sind mit dir.»

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