Werbung

US-Midterms als Abstimmung über Demokratie

Washington (dpa) - Es ist ein Satz, der zu denken gibt: «Ich werde die Wahl gewinnen, und ich werde dieses Ergebnis akzeptieren.» Diese Worte stammen von Kari Lake. Es ist ihre Antwort auf die Frage, ob sie das Wahlergebnis akzeptieren wird.

Die 53 Jahre alte Republikanerin ist glühende Anhängerin von Ex-Präsident Donald Trump und möchte im US-Bundesstaat Arizona Gouverneurin werden. Gewählt wird am 8. November - dann sind die wichtigen Zwischenwahlen in den USA. An dem Tag wird nicht nur über Senatorinnen und Senatoren sowie Abgeordnete im Kongress abgestimmt. In etwa drei Dutzend Bundesstaaten werden auch Gouverneure oder Parlamentarier gewählt. Doch bei diesen Wahlen geht es um mehr als das - am Ende vielleicht gar um das Fortbestehen der Demokratie.

Denn nicht alle Kandidatinnen und Kandidaten erkennen die Integrität von Wahlen an. Einige von ihnen könnten in Positionen gewählt werden, in denen sie selbst für den Ablauf von Wahlen verantwortlich sein werden. Das könnte demokratische Abstimmungen in den USA untergraben und ist mit Blick auf die Präsidentenwahl 2024 brandgefährlich. «Die Zwischenwahlen 2022 könnten die ersten Wahlen überhaupt sein, bei denen die Wahlen selbst auf dem Stimmzettel stehen», warnt die US-Denkfabrik Brookings. Sie hat insgesamt weit mehr als 300 Kandidaten identifiziert, die Trumps widerlegte Behauptung, dass der Republikaner die Präsidentenwahl 2020 gewonnen habe, verbreiten und Zweifel am Ablauf von Wahlen säen. Allesamt sind Republikaner.

Was sind «Election Deniers»?

Eine von ihnen ist Kari Lake - ein aufstrebender Star in der Partei. Die ehemalige TV-Journalistin wird nicht müde, über sogenannte Cancel Culture, Fake News und eben Wahlbetrug zu reden. Und so war sie eben jüngst in einem CNN-Interview nicht bereit zu sagen, dass sie das Wahlergebnis in ihrem Bundesstaat akzeptieren wird, falls sie verliert. Es ist ein Sound, der mittlerweile bei vielen Republikanern zu hören ist. Lakes Parteikollege Mark Finchem will in Arizona Secretary of State werden - also oberster Wahlaufseher in dem Bundesstaat. Er ist ebenfalls glühender «Election Denier». So werden die Wahlleugner in den USA genannt. Secretaries of States haben weitreichende Befugnisse beim Ablauf von Wahlen.

So können sie zum Beispiel die Stimmabgabe erschweren und unerwünschte Gruppen von der Wahlurne fernhalten. Sie können Nachzählungen anordnen und sich letztlich weigern, ein Wahlergebnis zu bestätigen. In vielen Bundesstaaten muss der Secretary of State unterzeichnen, welcher Kandidat oder welche Kandidatin dort die Präsidentenwahl gewonnen hat. «Ein skrupelloser Beamter könnte sich grundlos weigern, die Ergebnisse zu unterschreiben», warnt die «Washington Post». Zwar gebe es Schutzmechanismen wie Gerichte und Gouverneure. Problematisch wird es aber, wenn Wahlleugner auf all diesen Ebenen die Fäden in der Hand halten.

Nicht nur in Arizona treten Wahlleugner für das wichtige Amt an. In gut einem Dutzend Staaten wollen Kandidaten Secretary of State werden, die Zweifel an demokratischen Wahlen säen - darunter auch in sogenannten Swing States. Das sind womöglich wahlentscheidende Bundesstaaten, die weder Republikanern noch Demokraten klar zuzuordnen sind. Arizona ist so ein Swing State. Die Denkfabrik Brookings hat zum Beispiel ermittelt, dass für die wichtigen Positionen Gouverneur, Secretary of State und Generalstaatsanwalt in den Bundesstaaten rund 30 Kandidaten hohe oder mittlere Aussicht auf Erfolg haben.

Beobachter fürchten um freie US-Wahlen in 2024

«Wissen Sie, wir sind im Moment näher an Ungarn als an Deutschland», sagt der Rechtswissenschaftler Richard L. Hasen der Deutschen Presse-Agentur in Washington über den Zustand der Demokratie in den USA. Er forscht an der renommierten Universität von Kalifornien, Los Angeles (UCLA) zum Thema Wahlen. «Ich denke, es besteht ein echtes Risiko, dass wir 2024 keine freien und fairen Wahlen haben werden», warnt er. Er habe nie erwartet, dass er sich einmal solche Sorgen um die Vereinigten Staaten machen müsse. Doch warum ist das so - wo kommen diese Wahlleugner plötzlich her? «Ich denke, sie folgen dem Anführer der Partei», sagt Hasen über die Republikaner. Und das ist Donald Trump, der selbst immer wieder andeutet, bei der Präsidentenwahl 2024 noch einmal anzutreten. Und viele fürchten, dass er für einen Sieg am Ende die Wahl gar nicht wirklich gewinnen muss, weil an wichtigen Schaltstellen Wahlleugner sitzen.

Der 76-Jährige hat immer noch eine treue Anhängerschaft und die Republikaner fest im Griff. Die Lüge von der gestohlenen Wahl verbreitet er seit bald zwei Jahren gebetsmühlenartig. Wenn es darum geht, ein legitimes Wahlergebnis nicht anzuerkennen, dürfte er vielen in seiner Partei als Vorbild dienen. Und Republikaner, die sich gegen Trump gestellt haben, wurden zuletzt eiskalt verstoßen. Von einer republikanischen Partei, die extrem weit nach rechts gerückt ist. Und die zu einer Partei geworden ist, die Verschwörungstheoretiker und Demokratiefeinde in ihren Reihen nicht nur toleriert - sondern hofiert.

Wie werden Wahlleugner in den USA gesehen?

«Ich hoffe, dass es immer noch prinzipientreue Republikaner in Machtpositionen geben wird, die die Rechtsstaatlichkeit unterstützen», sagt Hasen. Aber angesichts des Umgangs mit ihnen, werde es immer weniger von ihnen geben. Prominentestes Beispiel ist sicherlich Liz Cheney. Die erzkonservative Republikanerin hatte sich nach der Attacke auf das Kapitol am 6. Januar 2021 gegen Trump gestellt und wurde von ihrer Partei entmachtet. Hasen warnt, dass sich die Versuche, das Wahlergebnis 2020 zu kippen, bei den Präsidentenwahlen 2024 wiederholen könnten. «Es würde dann nicht die Art von Heldentum geben, die wir bei einigen Republikanern gesehen haben, die damals dagegen gehalten haben.»

Doch schrecken all diese Wahlleugner die Menschen in den USA nicht ab? Nicht unbedingt. Einer aktuellen «New York Times»-Umfrage zufolge würden sich 39 Prozent der Befragten «wohl» oder «einigermaßen wohl» damit fühlen, einen Kandidaten zu wählen, der behauptet, die Präsidentenwahl 2020 sei Trump «gestohlen» worden. Und die Umfrage hat auch noch einmal deutlich gemacht: Wirtschaft und Inflation treiben die Menschen bei der Stimmabgabe am meisten um - und nicht etwa der Zustand der Demokratie.