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US-Sanktionen und Corona: Die Pandemie lähmt den Iran total

Eine Abbildung des menschlichen Atmungssystems wird in Gedenken an Menschen, die von einer Infektion mit dem Coronavirus betroffen sind, an den Freiheitsturm am Azadi-Platz projiziert.
Eine Abbildung des menschlichen Atmungssystems wird in Gedenken an Menschen, die von einer Infektion mit dem Coronavirus betroffen sind, an den Freiheitsturm am Azadi-Platz projiziert.

Den Iran trifft die Corona-Pandemie besonders hart. Denn schon seit langem leidet das Land unter den Auswirkungen scharfer US-Sanktionen. Doch auch mit Hilfe von außen tut sich der Gottesstaat schwer.

Teheran (dpa) - Mehr als eine Woche ist es jetzt her, dass ein Notfallteam der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) in der iranischen Hauptstadt Teheran landete.

Zwei Frachtflugzeuge brachten alles, was man für ein Behandlungszentrum mit 50 Betten in der besonders hart von der Corona-Pandemie getroffenen Provinz Isfahan im Zentraliran braucht, in das Land. «Unsere Teams waren bereit, die Arbeit Ende vergangener Woche aufzunehmen», sagt Michel Olivier Lacharité, MSF-Programmverantwortlicher in Paris.

Doch es kam anders. Das iranische Gesundheitsministerium lehnte den nach Konsultationen mit dem Außenministerium in Teheran und der Botschaft in Paris genehmigten Einsatz völlig überraschend ab. Am 24. März erklärte die Behörde, das Land brauche keine zusätzlichen Behandlungskapazitäten bei der Behandlung von Covid-19-Erkrankten. Der Iran könne mit Hilfe der Armee selbst mobile Krankenhäuser für Coronavirus-Infizierte errichten. Angeblich gab es Bedenken bei den Hardlinern im Land, dass es sich bei den Experten von MSF - die ihre Arbeit im Iran nach eigenen Angaben ausschließlich aus privaten Spenden finanzieren - um westliche Spione handeln könnte.

Seitdem wartet das neunköpfige internationale Team - darunter auch zwei Intensivmediziner - darauf, zu erfahren, wie es weitergehen soll. Und MSF überlegt, seine Mini-Klinik womöglich in anderen Ländern einzusetzen. Noch ziehe das Team einen Einsatz im Osten des Irans in Betracht, sagt Lacharité der Deutschen Presse-Agentur.

DAS LAND STEHT WEGEN DER CORONA-KRISE STILL

Der Gottesstaat ist von der Pandemie besonders hart getroffen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums hat sich die Zahl der Toten bis Anfang April auf mehr als 3000 erhöht, die der Infizierten auf fast 48 000. Um eine Ansteckungswelle zu verhindern, wurden Schulen, Universitäten, Kinos, Theater und sogar das Parlament sowie die für schiitische Gläubige bedeutenden heiligen Stätten des Landes erst einmal geschlossen.

Nur ein Drittel der Beamten darf zur Arbeit, alle Geschäfte außer Supermärkten und Apotheken mussten schließen. Das Land steht still. Sogar Zeitungen sollen vorerst nicht mehr gedruckt werden und nur online erscheinen. Die Polizei sperrte vor und nach dem persischen Neujahrsfest am 20. März Autobahnen und Landstraßen, um Reisen in die Provinzen zu vermeiden.

Mindestens bis zum 8. April soll dieser Ausnahmezustand im Land weiter herrschen. Die Devise bis dahin lautet: zu Hause bleiben, Kontakte vermeiden, alte Angewohnheiten vergessen und lernen, das Leben der Corona-Pandemie anzupassen. Präsident Hassan Ruhani und das Gesundheitsministerium hoffen, bis dahin die Krise in den Griff zu bekommen – Beobachter halten dieses Vorhaben für unrealistisch.

Überschattet wird die Krise noch durch die drakonischen Sanktionen der USA. Vor der Corona-Krise bezeichnete der Iran die Strafmaßnahmen als «wirtschaftlichen Terrorismus». «Aber jetzt ist es nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch noch medizinischer Terrorismus», twitterte Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. Seit Beginn der Epidemie Ende Februar ist Sarif in Telefonkontakt auch mit dem UN-Generalsekretär und dem EU-Außenbeauftragten. Sarif fordert, die internationale Gemeinschaft solle Druck auf die USA ausüben, wegen der Corona-Krise einige Sanktionen gegen den Iran aufzuheben.

Auch Ruhani redet inzwischen von «unmenschlichen» US-Sanktionen. Es gehe derzeit nicht mehr um politische Differenzen, sondern um Menschenleben. «Zwar ist die ganze Welt von der Corona-Krise betroffen, aber wir im Iran müssen an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen: Corona und US-Sanktionen», so der iranische Präsident.

POMPEO: HABEN IRAN HILFE ANGEBOTEN

US-Außenminister Mike Pompeo betonte erst am Dienstag in Washington mit Blick auf Länder unter US-Sanktionen: «Die Güter, die jedes dieser Länder braucht, um das Coronavirus-Problem in den jeweiligen Nationen zu lösen, sind nicht von Sanktionen betroffen.» Er unterstrich erneut: «Wir haben dem Iran Hilfsangebote gemacht.»

Das iranische Außenministerium bestritt, dass es in der Corona-Krise ein Hilfsangebot aus Washington gab. Teheran brauche ohnehin keine ausländische Hilfe, sondern nur Zugang zu seinen von den USA gesperrten Konten. Dann könnte sich das Land selbst Medikamente und medizinische Logistik für die Behandlung seiner Corona-Patienten besorgen, so Außenamtssprecher Abbas Mussawi.

US-SANKTIONEN VERWEHREN IRAN ZUGANG ZU KONTEN IM AUSLAND

Seit dem Ausstieg der USA aus dem Wiener Atomabkommen von 2015 und der Verhängung neuer Sanktionen hat Teheran keinen Zugang mehr zu seinen Konten im Ausland. Fast alle internationalen Banken haben seit Einführung der US-Sanktionen 2018 die Zusammenarbeit mit dem Iran eingestellt. Die Sanktionen hatten zu einer akuten Wirtschaftskrise in dem Land geführt. Dazu kommt die Corona-Krise, die Medienberichten zufolge mehr als 70 Prozent der iranischen Wirtschaft lahmgelegt hat.

Es könnte sich aber nach Worten des iranischen Zentralbankchefs einiges ändern. «Einige der Konten in Ländern, mit denen wir (vor den US-Sanktionen) Geschäfte führten, werden allmählich freigegeben», sagt Abdolnasser Hematti. Ein erstes positives Zeichen kam jüngst aus Berlin. Über die von Deutschland, Frankreich und Großbritannien gegründete Gesellschaft Instex zur Aufrechterhaltung des Handels mit dem Iran wurde ein erstes Geschäft abgewickelt. Mit der ersten Transaktion sei die Ausfuhr medizinischer Güter aus Europa in den Iran ermöglicht worden, teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit.

Experten sehen das Problem der Corona-Krise im Iran aber nicht nur in den US-Sanktionen. Es geht ihrer Meinung nach nicht nur um die Behandlung infizierter Patienten, sondern um die Verhinderung der Ansteckungsgefahr. Nach dem Ende der zweiwöchigen persischen Neujahrsferien soll langsam der Alltag im Land wieder einkehren. Eine Reduzierung sozialer Kontakte wird dann besonders in Großstädten wie der Millionenmetropole Teheran schwierig. Die Frage sei, ob dann alle wieder zur Arbeit gehen, die Geschäfte öffnen und Millionen Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen können - oder nicht.

Der iranische Epidemiologe Hamid S. bringt es auf den Punkt: «Die Aufhebung der US-Sanktionen wäre finanziell schon hilfreich, aber damit allein ist die Corona-Krise im Land nicht vom Tisch.»