US-Wahl-Talk bei "Illner": Mit Trump ist "die stabile Demokratie in Amerika gefährdet"
Bei "Maybrit Illner" (ZDF) wurde über einen möglichen US-Präsidenten Trump und die Auswirkungen für die USA, Deutschland und Europa diskutiert. Die Aussichten der Runde bezüglich einer möglichen Präsidentschaft Trumps fallen düster aus, doch es gibt noch Chancen für die Demokraten.
"Besser könnte es für die Republikaner gerade nicht laufen", so der ehemalige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Was er damit meinte: Die Verehrung der Republikaner für Donald Trump hat seit dem Attentat ganz neue Ausmaße erreicht. "Sie versammeln sich jetzt wie ein Mann hinter Trump", erklärte Ischinger am Donnerstag im ZDF-Polittalk "Maybrit Illner". Für einige sei Trump nun ein Wunder, ein Märtyrer, erklärte der Politikwissenschaftler Peter Neumann. Für andere stehe bereits fest, dass es Gottes Wille sei, dass er Präsident wird.
Und die Demokraten haben es schwer, dagegen anzukommen, da war man sich in der Runde einig. Die Politikwissenschaftlerin Liana Fix meinte etwa, "dass die Tage (des Präsidentschaftskandidaten Joe Biden) gezählt sind". Seine am Donnerstag bekannt gewordene Corona-Erkrankung verstärke ein Narrativ. "Hier wird der Gegensatz zwischen dem kränklichen Biden und dem vitalen Trump verstärkt", führte Historikerin Fix aus. Doch, so ihre Einschätzung, je nachdem wer letztlich für die Demokraten kandidiere, "kann es noch mal knifflig werden für Trump".
Die Journalistin und Autorin Annika Brockschmidt ist sich sicher, dass die Demokraten "per Tröpfchentaktik versuchen, Biden zum Rücktritt zu zwingen". Es sei "noch der Versuch, ihm die Chance zu geben, das Gesicht zu wahren. Aber die Sturheit scheint bei Biden sehr ausgeprägt zu sein", sagte sie. Ihre Meinung: "Es kommt darauf an, wer die Wähler stärker mobilisieren kann." Da sei das Attentat zwar hilfreich für Trump, aber ein neuer Kandidat bei den Demokraten könne das auch sein.
Journalistin: Potenzieller Trump-Vize ist "Extremist"
Katharina Nocun, ebenfalls als Politikwissenschaftlerin und Autorin tätig, erläuterte, was Trump gerade so stark mache. Verschwörungserzählungen seien nach derartigen Ereignissen nichts Neues, doch das Internet mache die Verbreitung leichter. So könnten Verschwörungstheoretiker sofort posten und das starke Informationsbedürfnis der Menschen ausnutzen, wohingegen seriöse Medien Zeit brauchten, um verlässliche Infos zu bekommen. "Verschwörungserzählungen eignen sich unglaublich gut, um politische Gegner abzuwerten und sich selbst und seine eigenen Positionen aufzuwerten", erklärte Nocun.
Hinzu komme noch ein anderer Punkt. "2016 war Trump überrascht von seinem Sieg", so Peter Neumann. Ein Präsident müsse aber rund 5.000 Positionen besetzen. Wegen der Überraschung habe er diese aber teilweise nicht besetzen können, oder aber mit Menschen besetzen müssen, "die ihn noch nicht mal mochten". Dies habe sich jetzt geändert. "Es gibt viele Leute, die hinter dieser Ideologie stehen", so der Politikwissenschaftler. Trump umgebe sich zunehmend mit Menschen, die ihm gegenüber bedingungslos loyal sind, sagte auch Nocun. "Das Ergebnis ist, dass Amerika gefährdet ist, weiterhin eine stabile Demokratie zu sein", so die Autorin.
Dass Trump nun J.D. Vance zu seinem "Running Mate" ernannt hat, sei ein "Zeichen dafür, wie sicher man sich ist", so Annika Brockschmidt. Denn der Vizepräsidentschaftskandidat sei ein "Extremist", der beispielsweise gegen Abtreibungen und Scheidung sei und "kein Kandidat, mit dem Wechselwähler gewinnen werden können".
Ist Europa unvorbereitet, falls Trump gewinnt?
Ruprecht Polenz ist CDU-Mitglied und Autor und sieht auch in der Außenpolitik große Probleme mit einem möglichen Duo Trump-Vance auf Europa und Deutschland zukommen. "Das wäre ein amerikanischer Präsident, der Europa spalten will", sagte er. Deshalb müsse mehr für Sicherheit und Verteidigung getan werden.
"Wenn wir ehrlich sind, ist Vance die schlechteste Option, die wir hätten haben können", findet Liana Fix. Trotzdem sei man geopolitisch auf die USA angewiesen. Die Politikwissenschaftlerin wählte deutliche Worte: "Wir sind selbst schuld. Wir hätten uns vorbereiten müssen. Dieser Fehler wird ein Problem werden. Das ist ein Fehler Europas, den wir uns selbst ankreiden müssen."
Für Peter Neumann seien mit diesem potenziellen Präsidenten-Duo zwei zentrale Fragen zu klären. Einerseits: "Wird die Glaubwürdigkeit des Nato-Versprechens aufrechterhalten?" Und: "Ist Trump in der Lage, Amerika aufrechtzuerhalten?" Daraus resultierend kam er zum selben Ergebnis wie Liana Fix. "Wir müssen uns endlich überlegen, was wir hier machen - und zwar mit Amerika, aber auch ohne Amerika", so der Politikwissenschaftler. "Wir müssen uns tatsächlich darauf vorbereiten, auf eigenen Beinen zu stehen."