US-Wahlkampf - „Bitte wer?“: Tim Walz irritiert als neuer Mann an der Seite von Kamala Harris

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Es gibt neue Entwicklung im Wahlkampf um die US-amerikanische Präsidentschaft. Kamala Harris hat ihren Vize ausgewählt: Tim Walz. Wer ist der Mann an ihrer Seite? Eine Frage, die sich viele stellen.

Mehrfach gehen die Worte von Kamala Harris im Lärm unter. Um die 59-Jährige herum johlen Tausende Zuschauer, klatschen, jubeln. Immer wieder starten ihre Anhänger Sprechchöre. Die demokratische US-Präsidentschaftskandidatin strahlt. Noch mehr strahlt der Mann schräg hinter ihr: Tim Walz.

 

Tim Walz und Kamala Harris in Philadelphia.<span class="copyright">IMAGO/ZUMA Press Wire</span>
Tim Walz und Kamala Harris in Philadelphia.IMAGO/ZUMA Press Wire

 

Tim Walz startet in den US-Wahlkampf

Den Gouverneur von Minnesota kannten bis vor kurzem nur wenige außerhalb seines Bundesstaates. Doch an diesem Abend ist er der große Star. Harris stellt den 60-Jährigen in einem Sportstadion in Philadelphia als ihren neuen Vizepräsidentschaftskandidaten vor. Walz hört mit breitem Grinsen zu, fasst sich immer wieder mit der Hand ans Herz, faltet die Hände zu einer Dankesgeste, deutet mehrere Verbeugungen an.

Dann gibt er zum Besten, wofür Harris ihn engagiert hat: Botschaften, die geradeaus sind, mit hemdsärmeligem Einschlag aus dem Mittleren Westen. Über Harris' republikanischen Kontrahenten Donald Trump etwa sagt Walz, in dessen Amtszeit sei die Kriminalitätsrate in den USA nach oben gegangen, „und da sind nicht mal die Straftaten mitgerechnet, die er selbst begangen hat“. Die Menge johlt.

Tim Walz polarisiert auf politischer Ebene – und bei den Wählern

„Bis zu Bidens Ausstieg war die Stimmung wirklich unten“, sagt Ken Grimes, der aus einem Vorort von Philadelphia zu der Kundgebung gekommen ist. „Jetzt ist das anders. Alle sind begeistert.“ Menschen bei der Kundgebung schwärmen von neuer „Energie“ und „Enthusiasmus“ in der Partei – Männer, Frauen, Junge, Alte, Schwarze, Weiße gleichermaßen.

Harris ist in beiderlei Hinsicht schon Pionierin im Vizepräsidentenamt. Bei schwarzen Wählern, bei Frauen und bei Jungen kann sie mehr punkten als Trump. Bei der Kundgebung in Philadelphia sind auffallend viele Frauen im Publikum. Aber die Ex-Staatsanwältin aus dem Westküstenstaat Kalifornien tut sich schwerer bei männlichen weißen Wählern aus der Arbeiterschicht. Und genau da soll Walz helfen – auch wenn einige Zuschauer in Philadelphia einräumen, dass sie bis vor kurzem nicht mal wussten, dass es ihn gab.

 

Das Walz keine unumstrittene Wahl ist, zeigt sich auch in unzähligen Kommentaren auf Instagram wieder. Unter dem Post, in dem Kamala ihren Vize bestätigt, tummeln sich viele Kommentare, die ihre Verwunderung zum Ausdruck bringen. „Bitte wer? Ich hab von ihm bis gerade noch nie was gehört“, „Walz? Wer soll Walz sein?“ oder „Nett sieht er ja aus, auch wenn ich eben erst von seiner Existenz erfahren habe“, sind da in etwa zu lesen. Dazu gesellen sich jedoch auch viele positive Stimmen, die Harris zur Wahl ihres Vizen beglückwünschen und sich schon siegessicher in den anstehenden Wahlen sehen. „Welch ein Duo! Jetzt haben wir die Wahl in der Hand“.

Walz als Gegenstück zu Harris

Der Demokrat wuchs auf dem Land auf, in einem kleinen Ort im Bundesstaat Nebraska, war beim Militär, diente bei der Nationalgarde, wurde später Lehrer und Football-Trainer, bevor er in die Politik wechselte, erst als Abgeordneter im Repräsentantenhaus, seit 2019 ist er Gouverneur in Minnesota. Walz hat einen weit weniger glamourösen Lebenslauf als andere, die für den Vizeposten im Gespräch waren. Er kommt nicht aus einem der Swing States, der am meisten umkämpften und potenziell wahlentscheidenden Bundesstaaten, und ist bislang auf nationaler Bühne kaum bekannt. Er bringt aber einiges mit, was Harris dringend braucht.

Walz ist weißer Mann aus dem Mittleren Westen, der in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, bodenständig, pragmatisch, einer, der gerne jagen geht, eigene Waffen hat. Gleichzeitig ist er einer mit liberalen Ansichten, der sich für das Recht auf Abtreibung einsetzt oder für kostenlose Mahlzeiten für Schüler. Er hat vor allem Rückhalt im linken Flügel der Partei. Trump wettert, es handele sich um das „linksradikalste Duo in der amerikanischen Geschichte“. Tatsächlich könnte allerdings auch manchen in der demokratischen Basis die Kombination aus Harris und Walz zu liberal sein.

In den kommenden Tagen machen die beiden eine Blitz-Wahlkampftour durch alle Swing States. Der Stopp in Philadelphia im Bundesstaat Pennsylvania ist dafür der Auftakt. Trump schickt als Kontrastprogramm seinen Vize J.D. Vance parallel zum Demokraten-Duo an all jene Orte.

Tim Walz: „weird“ und  liebevoll

Der unscheinbare Mann aus Minnesota änderte in den vergangenen Wochen nach und nach die Art und Weise, wie die ganze Partei über Trump spricht. Walz ist der Erfinder des Stempels „weird“ für den Ex-Präsidenten – auf Deutsch in etwa: schräg, komisch, seltsam. Walz begann damit in einem Interview, und nach und nach nahmen alle prominenten Köpfe in der Partei die Losung auf. Auch in Philadelphia platziert Walz seinen Wahlkampfrenner und sagt über Trump und Vance: „Diese Typen sind unheimlich, und ja, sie sind verdammt seltsam.“

Doch auch Kritik an Walz wird laut. Der Gouverneur von Florida Ron Desantis, ein bekannter Republikaner, meint beispielsweise, Walz habe in seinem Bundestaat Minnesota zugesehen, als dort im Jahre 2020 die „Black Lives Matter“-Demos begannen. „Er sah zu und ließ Minneapolis brennen“, so Desantis, wie Reuters berichtet. Auch im Netz ist dies immer wieder Thema. Einerseits wird Walz gefeiert – Videos, die ihn im liebevollen Umgang etwa mit Kindern zeigen, fluten X. Gleichwohl auch Videos von einer brennenden Stadt – Minneapolis, 2020, Walz war damals Gouverneur des Staates.