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"Wenn die USA der coole Typ in der Highschool sind, ist Kanada der Nerd"

Ab 7. Mai begibt sich Serinda Swan in der zweiten Staffel der Crime-Serie "Coroner - Fachgebiet Mord" bei 13th Street auf Spurensuche. Im Interview spricht sie über kanadisches Fernsehen, ihr Engagement für Frauenrechte und verweinte Drehtage.

Der Kampf für die Rechte der Schwächeren wurde Serinda Swan ebenso wie die Schauspielerei bereits in die Wiege gelegt. Als Tochter eines Theaterregisseurs und einer Schauspielerin wuchs sie in einer sozial engagierten Familie in West Vancouver auf, ehe sie als Schauspielerin und Fotomodell Karriere machte. Die Kanadierin setzt sich seit Jahren für die Opfer von Menschenhandel ein und gründete ihre eigene Stiftung. Nachdem sie unter anderem Rollen in Marvel's "Inhumans" sowie der TV-Serie "Ballers" spielte, lief 2019 ihre Serie "Coroner - Fachgebiet Mord" an, deren zweite Staffel am 7. Mai um 20.13 Uhr ihre deutsche TV-Premiere bei 13th Street feiert. Die Geschichte um Jenny Cooper, eine Gerichtsmedizinerin mit Halluzinationen, wurde zum kanadischen Exportschlager. Ein Gespräch mit der 35-Jährigen über die Recherche unter Gerichtsmedizinern, die Ursprünge ihres sozialen Engagements sowie ihre Heimat Kanada.

teleschau: Einige Fälle bei "Coroner" beruhen auf wahren Begebenheiten. Wie gingen Sie damit um?

Serinda Swan: Sowohl die weniger gewalttätigen als auch die wirklich brutalen Fälle sind fesselnd, einige beruhen lose auf wahren Vorfällen. Aber überall auf der Erde geschieht Gewalt, und wenn man sich sehr einfühlt, kann die Welt einem sehr negativ vorkommen. Aber ich lasse meine Figur nach Drehschluss zurück und bringe sie nicht mit nach Hause. Es hilft, sich bewusst zu machen, dass es sich weder um eine echte Leiche noch um ein echtes Messer handelt.

teleschau: Aber bei Ihrer Recherche zur Rolle sah das anders aus ...

Swan: Ja, die Recherche kann dich wirklich fertigmachen, weil du tief in die Fälle involviert bist. Es gilt, diese Dunkelheit zu verdrängen. Aber es ist überraschend, dass die Gerichtsmediziner und Pathologen, mit denen ich gesprochen habe, sehr liebenswürdige und glückliche Menschen sind. Ich habe ihre Abstraktions-Technik für meinen Charakter und die Staffel benutzt. Nur weil du jeden Tag mit dem Tod umgehen musst, heißt das nicht, in düstere Stimmung zu verfallen.

teleschau: Ist es nicht schwieriger als sonst, einen Charakter mit Angstzuständen und Halluzinationen abzulegen?

Swan: Da unterscheiden sich Jenny und ich. Für sie ist ihre Arbeit ein Ausweg, den Halluzinationen zu entkommen. Die Wahrheit ist, dass ich ihre physischen Eigenschaften mit nach Hause nehme. Wenn ich einen Angstanfall gespielt habe, kann ich nicht loslassen: Du verkörperst wirklich diese Emotionen und richtest die Aufmerksamkeit darauf. Ich weinte den ganzen Drehtag. Dann kam ich nach Hause und fühlte mich gut. Es ist, wie ins Fitnessstudio zu gehen, nur dass man einen anderen Muskel trainiert.

"Persönliche Stimme in die Entertainment-Branche tragen"

teleschau: Sie engagieren sich leidenschaftlich für Menschen- und insbesondere Frauenrechte. Was war aufregender für Sie: Ihr erster Fallschirmsprung für den guten Zweck oder Ihre Rede vor der UN-Stiftung am internationalen Frauentag?

Swan: Das war beides auf verschiedene Arten aufregend, aber gleich beängstigend. Einmal hämmerte mein Herz, einmal hatte ich schwitzige Hände (lacht). Beides tat ich aus denselben Gründen: für die Ermächtigung der Frauen, Gleichheit und die Bekämpfung von sexuellem Menschenhandel.

teleschau: Sie gründeten sogar eine eigene Stiftung.

Swan: 2012 rief ich "18for18" ins Leben. Das ist eine Fallschirm-Stiftung, die Aufmerksamkeit generiert und Geld sammelt für die Opfer von Menschenhandel. Dies endete für mich tatsächlich bei der UN, wo ich mehrmals Reden gehalten habe. Ich will aber auch im TV Aufmerksamkeit schaffen. Deshalb schrieben wir in meiner alten Serie "Graceland" eine Staffel über den Handel mit Sex. Es geht darum, seine Stimme persönlich zu nutzen und sie auch in die Entertainment-Branche zu tragen.

teleschau: Gab es einen Schlüsselmoment, an dem Ihr Engagement für Frauenrechte seinen Anfang nahm?

Swan: Es ging schon in jungen Jahren los. Ich stamme aus einer menschenfreundlichen Familie, die mich verstehen ließ, dass meine Welt nicht die einzige Welt und meine Bedürfnisse nicht die einzigen Bedürfnisse sind. So arbeiteten wir mit Organisationen wie Heifer International zusammen.

teleschau: Was war Ihr einschneidendstes Erlebnis hinsichtlich Ihres Engagements?

Swan: Der ergreifendste Moment war eine Radtour durch Kambodscha, um Aufmerksamkeit zu generieren. Ich traf ein sechsjähriges Opfer von Menschenhandel, und wir führten dieses unglaubliche Gespräch. Das Mädchen machte sich ernsthaft Sorgen um meinen Zustand, weil ich aufgrund ihrer Erfahrungen so am Boden zerstört war. Ihre Fähigkeit zu Liebe und Empathie, nach allem, was sie erlebt hat, brachte mich zu dem Schluss: Meine Stimme muss deine Stimme sein, bis du eine Plattform bekommst, auf der du für dich selbst sprechen kannst und die Welt dich hört. Ihre Geschichte erzähle ich immer wieder - auch vor der UN.

"Wir brauchen unperfekte Vorbilder"

teleschau: Glauben Sie, Ihre Serienfigur Jenny kann ein Vorbild für Frauen sein?

Swan: Ich glaube, die Art Vorbilder, die wir brauchen, sind die unperfekten. Sie zeigt ebenso eine starke wie eine schwache Frau. Sie zeigt typische Dinge mit untypischen Folgen. Jenny verliert ständig die Fassung. Ich habe das manchmal auch, dass ich ohne Grund ausflippe. Man kann sich gut mit ihr identifizieren. Um unsere Fehler einzugestehen und das zu sein, was wir an uns lieben ...

teleschau: Sie sagten einmal, "Coroner" würde Ihr Land repräsentieren. Gibt es etwas "typisch Kanadisches" an der Serie?

Swan: Natürlich, es ist eine kanadische Serie, gedreht in Kanada und spielt in Toronto. Wir behandeln kanadische Themen. In dieser Staffel gibt es eine Folge zur indigenen Jugend. Es ist wichtig, ihnen eine Stimme zu geben, da die indigene Bevölkerung ihre Geschichte in diesem Rahmen oft nicht erzählen kann. Man hört sie nur in Dokumentationen oder den Nachrichten, nicht im Entertainment. Aus diesem Grund ist es eine sehr wichtige Serie, auf die ich sehr stolz bin.

teleschau: Was macht kanadisches Fernsehen aus?

Swan: Wir haben viele tolle BBC-Shows, aber ich denke, wir müssen als Kanadier spezifischer werden und kanadische Geschichten zum Thema machen. Wir wollten amerikanische Geschichten erzählen und wie Amerika sein. Nein! Lasst uns unser Kanadischsein nutzen und feiern. Deshalb kam ich aus Hollywood zurück: Um eine Serie zu machen, die uns und unsere Kultur feiert, aber unter anderem auch in Deutschland gezeigt werden kann.

"Ich war als Weiße in der Minderheit"

teleschau: Gibt es einen "Canadian Way of Life"?

Swan: Natürlich sind alle Länder verschieden und keines besser als das andere. Besonders ist die Vielfalt: Ich war auf einer Highschool, in der ich als Weiße in der Minderheit war. Das war normal. Es war cool und bedeutete, sehr interessante Freunde zu haben. Ich konnte zu meinen besten Freunden gehen und Libanesisch, Guayanisch oder Japanisch essen. Natürlich gibt es Spannungen und Dinge, an denen wir arbeiten und als Land wachsen müssen. Aber ich liebe unseren Internationalismus und unser Gesundheitssystem. Ich glaube, wir haben eine "Alle-Für-Einen-Mentalität".

teleschau: Was sollte sich Ihrer Meinung nach noch ändern?

Swan: Ich hoffe, wir hören auf, wie Amerika sein zu wollen. Nicht weil Amerika schlecht ist, sondern weil wir toll sind, wie wir sind. Wenn die USA der große, coole Typ in der Highschool sind, ist Kanada der Nerd, der wie Amerika sein will. Ich sage: "Nein, Nerd. Du bist cool."

teleschau: Wie erleben Sie die Promo-Tour in Europa. Stellen europäische Journalisten andere Fragen als kanadische oder amerikanische?

Swan: Es gibt die allgemeinen Fragen über die letzte Staffel, über diese Staffel und was man sich davon erwartet. Und dann gibt es wirklich interessante Fragen aus verschiedenen Perspektiven. Deshalb liebe ich es, für meine Arbeit zu reisen und verschiedene Länder und Städte kennenzulernen. Die Fragen verschiedener Landsleute unterscheiden sich jeweils nicht, aber die Personen, die die Fragen stellen, sehr wohl. Das hält mich auf Trab.