Israel erteilt Aufruf zu einer Waffenruhe mit der Hisbollah eine Absage

Israel hat der Forderung mehrerer Staaten nach einer 21-tägigen Waffenruhe in den Kämpfen mit der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon eine Absage erteilt. Regierungschef Benjamin Netanjahu wies seine Armee am Donnerstag an, die Kämpfe "mit voller Kraft" fortzusetzen. (Hassan FNEICH)
Israel hat der Forderung mehrerer Staaten nach einer 21-tägigen Waffenruhe in den Kämpfen mit der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon eine Absage erteilt. Regierungschef Benjamin Netanjahu wies seine Armee am Donnerstag an, die Kämpfe "mit voller Kraft" fortzusetzen. (Hassan FNEICH) (Hassan FNEICH/AFP/AFP)

Israel hat dem Aufruf mehrerer Staaten zu einer 21-tägigen Waffenruhe im Konflikt mit der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon eine Absage erteilt. Regierungschef Benjamin Netanjahu wies seine Armee am Donnerstag an, die Kämpfe "mit voller Kraft" fortzusetzen. Sein Außenminister Israel Katz erklärte im Onlinedienst X, "bis zum Sieg" und der sicheren Rückkehr der Bewohner von Nordisrael werde es keine Waffenruhe geben. Die Armee griff eigenen Angaben zufolge in der Nacht 75 Ziele der Hisbollah im Libanon an.

In einer Erklärung von Netanjahus Büro hieß es, der Ministerpräsident habe auf den Vorschlag für eine Waffenruhe "nicht einmal geantwortet". Er habe das Militär angewiesen, "die Kämpfe mit voller Kraft" fortzusetzen. Bereits zuvor hatte der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich die Waffenruhe auf X mit den Worten abgewiesen: "Die Kampagne im Norden sollte mit einem einzigen Ergebnis enden: der Zerschlagung der Hisbollah und der Beseitigung ihrer Fähigkeit, den Bewohnern des Nordens zu schaden."

Nach Tagen intensiver Kämpfe zwischen der Hisbollah und Israel hatten Frankreich und die USA am Mittwoch einen Vorschlag für eine 21-tägige Waffenruhe vorgelegt. Zahlreiche weitere Staaten schlossen sich der Forderung an. "Es ist an der Zeit, eine diplomatische Lösung zu finden", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der USA, der EU, Deutschlands, Saudi-Arabiens und weiterer Staaten. Die Situation im Libanon sei "unerträglich" geworden.

Ungeachtet dessen setzte die israelische Armee ihre Angriffe fort. In der Nacht zu Donnerstag wurden den Angaben zufolge "rund 75 Terror-Ziele" in der Bekaa-Ebene im Osten des Landes sowie im Süden getroffen, darunter "Waffenlager, schussbereite Raketenwerfer" und andere Infrastruktur sowie Kämpfer. Bei einem Angriff in der Nähe der antiken Stadt Baalbek kamen nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums mindestens 20 Menschen ums Leben. Die staatliche Nachrichtenagentur NNA bezeichnete die nächtlichen Angriffe als die "heftigsten" der vergangenen Tage.

Am Vormittag teilten die israelischen Streitkräfte mit, die Angriffe fortzusetzen. Kampfjets hätten an der syrisch-libanesischen Grenze von der Hisbollah genutzte Infrastruktur getroffen, hieß es. Diese diene dem Transport von Waffen, "welche die Terror-Organisation gegen israelische Zivilisten einsetzt", aus Syrien in den Libanon.

Die Hisbollah gab ihrerseits an, Einrichtungen der Verteidigungsindustrie in der Nähe der nordisraelischen Stadt Haifa angegriffen zu haben. Laut israelischen Angaben wurden 45 Raketen aus dem Libanon abgefeuert. Einige seien abgefangen worden, weitere seien in unbewohnten Gebieten gelandet.

Seit dem beispiellosen Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas am 7. Oktober auf Israel und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen haben sich die regionalen Spannungen deutlich verschärft. Israels Norden steht seitdem unter Dauerbeschuss durch die mit der Hamas verbündete Hisbollah und reagiert darauf mit Gegenangriffen im Libanon. Mehrere zehntausend Menschen auf beiden Seiten der Grenze mussten ihr Zuhause verlassen.

In den vergangenen Tagen hatte sich der Konflikt noch einmal deutlich verschärft. Dazu beigetragen hatte die Tötung mehrerer hochrangiger Hisbollah-Kommandeure durch Israel sowie die Explosionen von hunderten Pagern und Walkie-Talkies der Miliz, bei denen Mitte September 39 Menschen getötet und fast 3000 weitere verletzt wurden.

Zuletzt startete Israel zudem mehrere massive Angriffswellen gegen die Hisbollah, auf welche die Miliz ebenfalls mit Beschuss reagierte. Israels offiziell erklärtes Ziel ist eine sichere Rückkehr geflohener Bewohner Nordisraels in ihre Heimat. Angesichts der anhaltenden Kämpfe flüchteten nach Angaben aus syrischen Sicherheitskreisen in dieser Woche mehr als 22.000 Menschen aus dem Libanon nach Syrien.

Bereits am Mittwoch hatte der israelische Armeechef seine Soldaten angewiesen, sich für eine mögliche Bodenoffensive im Libanon bereitzuhalten. Zuvor hatte die Miliz erstmals Tel Aviv mit einer Rakete angegriffen, das Geschoss wurde jedoch von der israelischen Armee abgefangen. Aus dem US-Pentagon hieß es jedoch, eine israelische Bodenoffensive stünde wohl nicht "unmittelbar bevor".

Der letzte Krieg zwischen Israel und der Hisbollah hatte im Juli 2006 begonnen. Binnen 34 Tagen wurden fast 1400 Menschen getötet, darunter 1200 auf libanesischer Seite, die meisten von ihnen Zivilisten. Beendet wurde der damalige Libanon-Krieg durch die Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates. Sie enthielt unter anderem Forderungen nach der Entwaffnung der Hisbollah und ihrem Rückzug hinter den Litani-Fluss, die nördliche Grenze der vereinbarten entmilitarisierten Zone.

lt/yb