USA-Expertin im Interview - „Frack, Baby, Frack“: Bei Trumps Wahlsieg freuen sich fossile Energieunternehmen
Der Wahlkampf von Kamala Harris und Donald Trump um die Präsidentschaft in den Vereinigten Staaten geht in die finale Phase. Laura von Daniels leitet die Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik und hält sich gerade in den USA auf, um die beiden Kandidaten intensiv zu beobachten. Was Europa von dem Ausgang erwarten kann, erklärt sie im fondsmagazin-Interview.
Frau von Daniels, seit dem Eintritt von Kamala Harris und ihrem Team ist das Momentum klar bei der Vize-Präsidentin. Kann Donald Trump das noch einmal drehen?
Harris kann sehr hohe Wahlkampfspenden verbuchen, und auch die Umfragen haben sich seit Bidens Rücktritt positiv für sie und die Demokraten entwickelt, sowohl in US-weiten Umfragen als auch in den Swing States. Sie konnte Boden gutmachen, der für die Demokraten schon verloren schien. Offenbar spricht sie Wählergruppen an, die in den letzten Monaten zunehmend Trump zuliefen, wie junge Wählerinnen und Wähler und Angehörige einiger Minderheiten. Auch die Nominierung von Tim Walz als Vizepräsidenten-Kandidat schwächt die Republikaner. Ein auf den ersten Blick recht biederer, weißer Gouverneur aus dem mittleren Westen, ein Lehrer, erfolgreicher Football-Coach, ehemaliger Nationalgardist, der zugleich progressive politische Positionen vertritt. Damit haben Trump und die Republikaner offenbar nicht gerechnet. Aber Trump ist weiter im Rennen, er liegt mit Harris Kopf and Kopf.
Mit einmal ist Trump der alte Mann – wie vital ist er?
Trump erscheint jedenfalls getrieben von dem Ehrgeiz, die Präsidentschaft zu gewinnen. Er hätte dann die Möglichkeit, sich selbst von einem Teil der mutmaßlich begangenen Straftaten freizusprechen. Am Ende könnte dann nur noch der Supreme Court einer Selbstbegnadigung oder der Einstellung von Ermittlungen widersprechen. Viele in den USA sagen, das sei ein großer Ansporn für ihn in diesem Präsidentschaftswahlkampf.
Welche Sektoren in den USA profitieren von wem?
Das lässt sich nicht eindeutig vorhersagen. Ob und in welchem Umfang die Unternehmen davon profitieren, hängt in hohem Maße von der gesamtwirtschaftlichen Situation ab – und diese kann von verschiedenen zum Teil unvorhersehbaren Faktoren beeinflusst werden: Man denke etwa an die Pandemie oder den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mit seinen wirtschaftlichen Folgen für die Weltwirtschaft und auch für die USA. Bekanntermaßen stehen Trump und die Republikaner für eine Unterstützung fossiler Energieunternehmen – „frack baby, frack“ ist das Motto dazu. Es scheint, dass ein Teil der Digital- und Technologieunternehmen von ihm erwartet, dass er die Regulierung reduziert. Insgesamt erhoffen sich Großunternehmen und Spitzenverdiener in den USA eine Fortsetzung der Steuerreform von 2017, die vor allem diesen beiden Gruppen zugutekam. Harris und die Demokraten stehen für eine Wirtschaftspolitik, die eine höhere Besteuerung von Großunternehmen und hohen Einkommen befürwortet, mehr Steuerentlastungen für mittlere und niedrige Einkommen fordert, um so die Nachfrage zu stärken und eine Regulierung von Plattformunternehmen, wie in der EU, nicht völlig ablehnt. Die Vorteile aus den industrie- und klimapolitischen Maßnahmen, also Inflation Reduction Act, Chips and Science Act, dürften sich sicherlich weiterhin Unternehmen erhoffen, die Halbleiter und wichtige Digitaltechnologie herstellen, und solche, die zur grünen Transformation beitragen. Schon aus sicherheitspolitischen Überlegungen, aufgrund des Wettstreits mit China, dürften die Demokraten in der Regierung auch Subventionen auf andere strategische Bereiche wie künstliche Intelligenz, Supercomputer und Biotechnologie, ausweiten.
Was bedeutet welcher Kandidat für die Weltwirtschaft?
Bei Trump weiß man nie, wie er in einer neuen Krise der Weltwirtschaft reagieren wird. Er hat die Axt an internationale Institutionen wie die WTO gelegt, er betrachtet die Weltpolitik als Nullsummenspiel, was eine Kooperation mit anderen Kernstaaten unmöglich macht. Auch im Umfeld der konservativen außenpolitischen Thinktanks in den USA hört man Forderungen nach einem Rückzug aus internationalen Organisationen. Im „Mandate for Leadership“ der Heritage Foundation stehen Vorschläge, wie die Aufgabe der Zentralbankunabhängigkeit der Fed. In einem Kapitel wird gefordert, dass die USA ihre Rolle als Retter in der Not bei internationalen Finanzkrisen aufgeben. Dies könnte schwerwiegende Folgen für die Weltwirtschaft haben. Dem stellt Harris ein progressives, aber auch pragmatisches Wirtschaftsprogramm gegenüber, das zunächst die Binnenwirtschaft stärken soll. Sie will gegen mutmaßliche Preisabsprachen in US-Supermärkten vorgehen und Familien bei der Finanzierung der in den USA sehr hohen Kinderbetreuungskosten unterstützen. Sie will die Klimasubventionen Bidens fortsetzen, von denen derzeit vor allem republikanisch regierte Regionen profitieren. Eine stabile US-Wirtschaft und eine Fortsetzung der grünen Transformation hätte positive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Darüber hinaus wissen wir von Harris noch wenig, wie sie zu Fragen der Handels- und Technologiepolitik steht. Aber auch dort ist zu vermuten, dass sie eher für Kontinuität der Politik Bidens steht.
Und wie sieht es mit Regierungserfahrung und ihrer Rolle zur EU aus?
Sie bringt einige Regierungserfahrung in einer für die Weltwirtschaft sehr unsicheren Zeit mit, nachdem Russland die Ukraine angegriffen hat und die Energiepreise weltweit durch die Decke gegangen sind. Harris kennt die Details der Sanktionen gegen Russland und ist mit den Diskussionen über die möglichen globalen Auswirkungen einzelner Maßnahmen vertraut. Damit will ich nicht sagen, dass es nicht auch unter einer Harris-Regierung wirtschaftliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und der EU geben würde. Aber unter Biden haben sich beide Seiten darauf verständigt, grundsätzliche Fragen regelbasiert zu diskutieren, etwa im Transatlantischen Handels- und Technologierat. Das hat erste Früchte getragen. Es gibt eine grundsätzliche Kompromissbereitschaft, die ich mir unter Trump nur schwer vorstellen kann.
Wo dürften Zölle für Handelshemmnisse sorgen?
Sollte Trump gewählt werden, wird er die Einfuhrzölle auf Waren aus China auf 60 Prozent erhöhen. Er hat auch angekündigt, einen allgemeinen Zoll von 10 bis 20 Prozent auf Importe aus der EU und anderen Ländern einzuführen. Gegenüber der EU könnte er auch die von Biden ausgesetzten US-Zölle auf Aluminium und Stahl wieder einführen. Während seiner Amtszeit hat er mehrfach gedroht, auch Autoimporte aus der EU mit Zöllen zu belegen – das hat er damals schon vorbereiten lassen, und da kann er nahtlos anknüpfen. Neben Zöllen gibt es noch eine Reihe anderer Handelshemmnisse. Er kann die US-Auflagen für Unternehmen anpassen, die von staatlichen Subventionen oder Aufträgen profitieren. Diese müssten dann nachweisen, dass sie keine Vorprodukte oder andere Leistungen aus China beziehen. Auf globaler Ebene ist zu erwarten, dass Trump die WTO weiter unterwandern und aktiv bekämpfen wird. Das bedeutet vor allem, dass Konflikte um Zölle oder Subventionen nirgendwo mehr geschlichtet werden können. Dann droht eine weitere Eskalation der Handelskonflikte.
Welche Risiken gibt es unter Harris, welche unter Trump?
Bei Harris sehe ich weniger Risiken und erwarte eher eine Fortsetzung der US-Außenpolitik unter Biden. Biden hat eine Stärkung des transatlantischen Bündnisses versprochen und in zentralen Punkten geliefert. Für uns bedeutet das in erster Linie die uneingeschränkte Zusage von Sicherheitsgarantien im Rahmen der NATO. Harris hat dieses Versprechen in ihrer Rede auf dem Parteitag der Demokraten unmissverständlich bekräftigt. Sie betonte in der Vergangenheit auch den Wert internationaler Zusammenarbeit und globaler Institutionen, um weltweite Probleme wie Pandemien, Wirtschaftskrisen und die Klimakrise gemeinsam anzugehen. Von Trump und auch seinem Vizepräsidentschafts-Kandidaten J. D. Vance ist in diesen entscheidenden Fragen genau das Gegenteil zu erwarten. Für beide ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe ein Zeichen von Schwäche. Sie teilen ein klientelistisches Verständnis von Außenpolitik: Sicherheitspolitische Unterstützung der USA knüpfen sie an wirtschaftliche Fragen. Staaten, die sich aus ihrer Sicht als „nützlich“ erweisen, können im Ernstfall mit militärischer Unterstützung rechnen, andere nicht. Ein weiteres Risiko mit Trump – vor allem, wenn die Republikaner auch im US-Senat die Mehrheit erringen – sehe ich in einer Verschärfung des Konflikts mit China. Die meisten Republikaner schließen eine Zusammenarbeit mit China aus, selbst in Bereichen wie dem Kampf gegen den Klimawandel oder der globalen Gesundheit. Trump hat bereits angekündigt, die wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen gegenüber China deutlich auszuweiten. Eine rasche Eskalation der Beziehungen zwischen den USA und China birgt für uns in der EU erhebliche wirtschaftliche Risiken.
Wie dürfte sich die Fed-Politik entwickeln und welche Auswirkungen auf die Zinsen hat das?
Die Fed trifft ihre Entscheidungen unabhängig von Regierung und Kongress. Der Vorsitzende sowie die Mitglieder des Gouverneursrates werden zwar vom US-Präsidenten nominiert und müssen vom Kongress bestätigt werden, sind aber danach der Politik nicht rechenschaftspflichtig. Nach ihren eigenen Statuten verfolgt die Fed zwei Ziele: zum einen die Preisstabilität und zum anderen die Stabilität des Arbeitsmarktes. In den letzten Wochen hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass Fed-Chef Jerome Powell nach einer langen Phase der geldpolitischen Zurückhaltung bei der Sitzung am 18. September eine Zinssenkung ankündigen wird. Powell selbst hat in seiner Rede in Jackson Hole zwei Faktoren dafür ins Spiel gebracht: Erstens hat sich die Inflation bei unter drei Prozent stabilisiert. Zweitens ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Damit verbunden ist die Sorge, dass es zu einer Rezession kommen könnte. Um die Konjunktur und damit die Beschäftigung anzukurbeln, hat die Fed daher die Zinsen direkt um einen halben Prozentpunkt gesenkt.
Wird dieser Wahlkampf den Riss durch die Gesellschaft der USA weiter vergrößern oder besteht die Chance, dass die Kluft ein wenig geringer wird?
Im Präsidentschaftswahlkampf ist zu beobachten, dass Trump und Vance ihre politischen Gegner stark dämonisieren. Sie schüren Ängste in der Bevölkerung mit Äußerungen über den Zustand der amerikanischen Wirtschaft und über die Migrationspolitik von Biden und Harris. Sie machen die Steuerpolitik und die Ausweitung erneuerbarer Energien zu einer Glaubensfrage. Auf der anderen Seite versuchen Harris und Walz, den Ton des demokratischen Wahlkampfs zu verändern. Sie weichen von Bidens Strategie ab, zwischen den „Feinden der Demokratie“ – die er auf der Seite Trumps sieht – und ihren „Verteidigern“ zu unterscheiden und die Wählerinnen und Wähler zu einer Entscheidung zwischen diesen beiden Lagern zu drängen. Harris und Walz setzen auf positive Werte, für die sie eintreten wollen, wie Fairness, Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung in der Gesellschaft. Emotionen wie Freude, auch an der Politik, spielen eine zentrale Rolle. Es ist der Versuch, den politisch Unentschlossenen ein anderes, nicht polarisierendes Angebot zu machen.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Wahl einmal mehr vor allem durch das Wahlsystem entschieden wird?
Die Wahlinstitutionen stehen seit Langem unter Druck. Das liegt zum einen am Gerrymandering, also den Versuchen der Parteien, einzelne Wahlkreise so zuzuschneiden, dass sie für die Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber auch in Zukunft leicht zu gewinnen sind. Zum anderen haben die Parlamente auf der Ebene der Bundesstaaten versucht, zentrale Positionen wie die der Staatssekretäre, die unter anderem die Wahlergebnisse bestätigen und weiterleiten, mit Parteifreunden der Mehrheitspartei zu besetzen. Dies ist vor allem eine Domäne der Republikaner. Trump hat als Präsident sogar versucht, direkten Druck auf einzelne Politiker in den Bundesstaaten auszuüben, damit sie falsche, aber für ihn günstige Wahlergebnisse melden. Auch danach und in Vorbereitung seiner Präsidentschaft hat er landesweit versucht, Druck auf Wahlbeamte auszuüben. Abgesehen von solchen direkten Versuchen, das Wahlsystem zu verzerren, ist es in den USA generell kompliziert, die Präsidentschaft zu gewinnen. Die Kandidaten müssen die Mehrheit in den wichtigen Swing States gewinnen, sonst reichen die Stimmen im Electoral College nicht. Hier müssen sie vor allem die noch Unentschlossenen überzeugen. Diese Wahl wird politisch entschieden – die Frage ist, wer am Ende das Momentum behält: wer genügend Wahlberechtigte zur Stimmabgabe motiviert und ihnen eine glaubwürdige Vision für eine bessere Zukunft vermittelt.
Was wird eigentlich Bidens Vermächtnis sein?
Seine Agenda einer „Foreign Policy for the Middle Class“ – also eines Regierungsprogramms, das Innen- und Außenpolitik zusammendenkt und wirtschaftliche sowie außen- und sicherheitspolitische Ziele der US-Regierung miteinander verknüpft. Biden hat eine Renaissance der Industriepolitik eingeläutet. Ein weiteres zentrales Vermächtnis: Biden hat mit dem Abzug aus Afghanistan einen Schlussstrich unter die „forever wars“, die langwierigen Kriege mit US-Truppenverlusten, gezogen. Insgesamt hat er die USA auf die globale politische Bühne zurückgeführt und die Zusammenarbeit mit militärischen Verbündeten und außenpolitischen Partnern ernst genommen, nachdem Trump sie an allen möglichen Stellen unterwandert hatte.
Von Peter Löwen
Der Artikel erschien zuerst auf fondsmagazin.de .