Werbung

Aktivisten: Kein Beleg für Giftgasangriff in Syrien

Assads Truppen hatten den Rebellen zuletzt Einflussgebiete in Hama und der Provinz Idlib abgerungen. Foto: Anas Alkharboutli
Assads Truppen hatten den Rebellen zuletzt Einflussgebiete in Hama und der Provinz Idlib abgerungen. Foto: Anas Alkharboutli

Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien hat es Dutzende Berichte über den Einsatz von Chemiewaffen gegeben. Jetzt prüft Washington Hinweise auf einen neuen Giftgasangriff der Regierung - und droht zugleich.

Damaskus/Washington (dpa) - Syrische Aktivisten haben einem Bericht des US-Außenministeriums über einen neuen Giftgasangriff der Truppen von Staatschef Baschar al-Assad widersprochen.

«Wir haben keinen Beleg für einen solchen Angriff», meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch. Auch die in Oppositionsgebieten aktive Rettungsorganisation Weißhelme erklärte, es gebe keine offizielle Bestätigung für einen Giftgaseinsatz.

Das US-Außenministerium hatte am Dienstag von Anzeichen gesprochen, dass Assads Streitkräfte am vergangenen Sonntag im Nordwesten des Landes Chemiewaffen eingesetzt hätten. Die Hinweise würden geprüft. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums warnte zugleich, «dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten schnell und in angemessener Weise reagieren werden, falls das Assad-Regime Chemiewaffen benutzt».

US-Präsident Donald Trump und seine Regierung hatten Assad in der Vergangenheit mehrfach mit schwerwiegenden Konsequenzen gedroht, falls Chemiewaffen eingesetzt werden sollten. Bereits 2017 und 2018 hatten die USA und Verbündete nach Giftgasangriffen syrische Regierungstruppen in Vergeltungsaktionen bombardiert.

Die Bundeswehr war bei den Angriffen nicht dabei. Im vergangenen September forderten die USA Deutschland aber offen auf, sich an möglichen weiteren Vergeltungsaktionen zu beteiligen. Während SPD-Chefin Andrea Nahles das kategorisch ausschließt, hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bisher nicht festgelegt.

In einem Telefonat Merkels mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ging es am Dienstag auch um dieses Thema. Merkel und Macron hätten dabei an «ihre äußerste Wachsamkeit» hinsichtlich möglicher Chemiewaffeneinsätze erinnert, hieß es aus dem französischen Präsidentenpalast.

Das Mediensprachrohr der Al-Kaida-nahe stehenden Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hatte am Sonntag als erstes gemeldet, Anhänger des Regimes hätten im Norden der Provinz Latakia drei mit Chlorgas bestückte Raketen abgeschossen. Verletzte habe es nicht gegeben. Syriens Regierung wies den Bericht als frei erfunden zurück.

Die Gesundheitsbehörde der Nachbarprovinz Idlib teilte mit, ein Krankenhaus habe am Sonntag vier Menschen behandelt, die an der Front Giftgas ausgesetzt gewesen seien. Das medizinische Personal habe einen Geruch wahrgenommen, der Chlorgas geähnelt habe.

Die Region rund um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens ist das letzte große Rebellengebiet des Bürgerkriegslandes. Dominiert wird sie vor allem von der radikal-islamischen HTS-Miliz.

Obwohl sich Russland als Verbündeter der syrischen Regierung sowie die Türkei als Unterstützer der Region auf eine Deeskalationszone für das Gebiet geeinigt hatten, kommt es dort seit Wochen immer wieder zu Luftangriffen und Kämpfen. Bei einem Gegenangriff konnten die Rebellen am Mittwoch die strategisch wichtige Stadt Kfar Nabudah zurückerobern, wie die Menschenrechtsbeobachter meldeten.

Seit dem Beginn des Bürgerkriegs in Syriens im Frühjahr 2011 hatte es mehrfach Berichte über den Einsatz von Chemiewaffen gegeben. Der UN-Menschenrechtsrat machte die Assad-Regierung im März für mindestens 32 von 37 untersuchten Angriffen verantwortlich. Ermittler der UN und der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) sahen die Regierung auch hinter dem verheerenden Angriff auf die Stadt Chan Scheichun mit mehr als 80 Toten im April 2017.

Trumps Vorgänger Barack Obama hatte 2012 Syriens Regierung gewarnt, mit dem Einsatz von Giftgas werde eine «rote Linie» überschritten, was der Drohung mit einem Militärschlag gleichkam. Nach einem verheerenden Angriff auf das Rebellengebiet Ost-Ghuta nahe Damaskus im August 2013 nahm er davon jedoch Abstand. Stattdessen ließ sich Obama auf einen Kompromiss ein, die syrischen Vorräte an Giftgas außer Landes zu bringen und zu vernichten. Chlorgas war davon allerdings ausgenommen, da es auch für zivile Zwecke genutzt wird.