Der Vatikan im Discofieber

Wenn Jude Law im Koma liegt, wird eben John Malkovich Papst. Paolo Sorrentino hat in der Fortsetzung seiner Serie "The Young Pope" jedoch nicht nur Stars zu bieten. Der italienische Oscar-Preisträger feiert ein atemberaubendes Fest der Sinne, wie man es im Fernsehen sonst nicht zu sehen bekommt.

In einer Welt der Haltlosigkeit haben Päpste derzeit Fiction-Hochkonjunktur. Nach dem zu Recht als schauspielerischem Meilenstein gefeierten Netflix-Film "Die zwei Päpste" kommt nun eine weitere Erzählung aus dem Inneren des Vatikans: Paolo Sorrentinos Serienfortsetzung "The New Pope" (ab Donnerstag, 20. Februar, 20.15 Uhr, bei Sky Atlantic HD oder auf Abruf). Dass der gebürtige Neapolitaner Sorrentino einer der größten Bewegtbild-Künstler unserer Zeit ist, weiß man seit seinem Römer Sittengemälde "Die große Schönheit" (Auslands-Oscar, Golden Globe und vier europäische Filmpreise 2014). Auch das Nachfolgewerk "Ewige Jugend" war ein opulentes Meisterwerk, das so viele Ideen und zum Niederknien verrückt-schöne Bilder enthielt, wie sie Sorrentino-Vorbild Federico Fellini nicht besser hätte erschaffen können. Weil die größten Filmemacher ihre künstlerischen Freiheiten heute eher im Fernsehen als auf der großen Leinwand finden, ging auch Sorrentino den Weg zur Serie und legte 2016 das zehnteilige Satire-Drama "The Young Pope" mit Jude Law in der Hauptrolle als jungem, ersten US-amerikanischen Papst vor.

Der liegt in der Fortsetzung "The New Pope" zwar im Koma, ist aber nicht völlig aus der Handlung draußen. In Träumen und Visionen anderer spielt Serien-Koproduzent Jude Law noch eine Nebenrolle in den neun neuen Folgen. In den Schuhen des Fischers steht nun jedoch ein anderer, ebenso prominenter Schauspieler: John Malkovich verkörpert Sir John Brannox, einen englischen Aristokraten und Intellektuellen, der von der Kurie rund um Vatikan-Strippenzieher Angelo Voiello (Silvio Orlando) auf seinem englischen Landgut zum Amt überredet wird. Davor sieht man anderthalb Folgen mit einem Übergangspapst, der wohl Sorrentinos Parodie auf den aktuellen Amtsinhaber Franziskus sein soll. Marcello Romolo spielt einen Franziskaner, der eigentlich als schüchterne Marionette gedacht war, aber schließlich mit radikalen Methoden wie dem Postulat eines Klerus, der in Armut leben soll, die alten Strukturen gegen sich aufbringt.

Sharon Stone und Marilyn Manson besuchen den Papst

Fans des Großschauspielers Malkovich müssen bis zur zweiten Hälfte von Folge zwei warten, bis "ihr" neuer Papst das erste Mal auftritt. Danach gewinnt "The New Pope" mehr und mehr Profil als Dramaserie. Die bildersatte, unglaublich opulent ausgestattete Satire rückt ein wenig in den Hintergrund, ohne - Gott und Sorrentino sei Dank - wirklich zu verschwinden. Der Mix aus intellektuellem Tiefgang mit starken philosophischen Dialogen mit den wohl schönsten Bildern, die man derzeit von Filmemachern bekommen kann, machen den großen Reiz von Sorrentinos Arbeiten aus. Ein wichtiger Baustein ist jedoch auch die Musik. Sorrentinos Kleriker schreiten oder tanzen zu Electro-, Disco- und Clubtracks, als würde das Nachtleben im Vatikan keine Sperrstunde kennen.

Besonders hübsch die Idee, ein Konvent mit jungen Nonnen, die zum Abend in einem großen Schlafsaal mit neonfarben erleuchtetem Kreuz Bettruhe verordnet bekommen, in eine Art Tanztempel zu verwandeln. Hier übernimmt während der Nachtstunden die Disco-Ekstase das Kommando. Zum enervierenden Sound des Soffi-Tucker-Stückes "Good Time Girl" geht hier - in übrigens stets neuen Szenen pro Folgeneröffnung - die Post ab.

Wer sich auf die absurde, satirische und ultra-blasphemische Filmkunst Paolo Sorrentinos einzulassen vermag und zudem die haarscharf an der Grenze zum Überkandidelten angesiedelten Folgen eins und zwei übersteht, kommt mit "The New Pope" in den Genuss einer der wohl besten Fernsehserien, die das Jahr 2020 zu bieten hat. Dem Ruf des Paolo Sorrentino folgten übrigens auch Gaststars wie Marilyn Manson oder Sharon Stone, die sich in zwei Eröffnungsszenen von "The New Pope"-Folgen selbst spielen (beide übrigens sehr gut). Als Superstars erhalten sie jeweils Audienzen bei Papst Johannes Paul III., wie sich der aktuelle Serien-Papst nennt.

Während sein Vorgänger ja auf Künstler stand, die kein Bild von sich an die Öffentlichkeit herausgeben (daher war Daft Punk die Lieblingsband der "jungen Papstes"), steht der "neue Papst" auf Kreative, die ihre Entscheidungen maximal unabhängig von anderen treffen. Ein diesbezügliches frühes Statement des neuen Papstes, das den Besuch seiner prominenten Gäste in späteren Folgen vorbereitet - und ein durchaus geniales Beispiel für Paolo Sorrentinos wunderbare Fähigkeit, Pop und Tiefgang mit einem kreativen Fingerschnippen miteinander zu verbinden.