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Verbrecherisch cooler TV-Trash: Wie Netflix das Netz mit Raubkatzen aufmischt

In Corona-Krisenzeiten boomt nicht nur die Nutzung von TV- und Streaming-Diensten. Auch die Bereitschaft, sich zur Ablenkung auf haarsträubenden Blödsinn einzulassen, steigt derzeit enorm. Bestes Futter liefert derzeit die Netflix-Serie über den "Tiger King", einen neuen Internet-Kultstar.

Deutschland hat Dieter Bohlen. Und Michael Wendler. In den USA - bekanntlich das Land, in dem alles immer eine deutliche Nummer größer, wilder, übertriebener ist, gibt es Joe Exotic. Der Mann mit den blondierten Haaren, dem eigenwillig ausrasierten Hufeisenbärtchen, den Glitzerklamotten und den stets viel zu weit aufgeknöpften Oberhemden wäre für deutsche Reality-TV-Trashformate schon fast zu dick aufgetragen. In der neuen siebenteiligen Netflix-Serie "Tiger King", die auf Deutsch etwas verharmlosend "Großkatzen und ihre Raubtiere" heißt, ist Joe Exotic der Titelheld.

Und dafür qualifiziert ihn eben nicht nur sein exzentrischer Lebensstil als Country- und Westernsänger, seine offen zur Schau getragene Homosexualität, sein grotesk verharmlosender Umgang mit der Teufelsdroge Crystal Meth oder Äußerlichkeiten wie sein bizarr aus der Zeit gefallener Vokuhila-Haarschnitt. Es ist seine Leidenschaft für gefährliche Lebensgefährten: Bei ihm steckt der Tiger nicht - wie das ein bekannter Werbespruch lange suggerierte - im Tank. Die räuberische Großkatze sitzt bei Joe Exotic auf dem Beifahrersitz.

Wenn der Ehemann im Löwenkäfig "verschwindet"

In Zeiten des mehr oder weniger freiwilligen Hausarrests verbreiteten sich in Windeseile mehr oder weniger witzigen Meme-Bilder, Video-Schnipsel und Instagram-Stories zur neuen Netflix-Serie. Es gleicht einem grotesken Panoptikum an sehr eigenwilligen Tierliebhabern. Es sind alles US-Amerikaner, die sich privat den Luxus leisten, Großkatzen wie Tiger, Panther, Jaguare oder Löwen zu halten. Noch den vermeintlich "normalsten" Umgang mit den Raubtieren pflegt Carole Baskin, eine Tierschutzaktivistin, die eine Art privaten Großkatzen-Zoo betreibt, der auch als Auffangstation für vernachlässigte oder ausgesetzte Tiere gilt.

Dabei ist allerdings Baskin die erbitterte Gegenspielerin von Joe Exotic in den vielen, von Folge zu Folge zunehmend verwirrenden Handlungssträngen von "Großkatzen und ihre Raubtiere". Sie wirft dem schrillen Musiker einen zu sorglosen Umgang mit den tödlichen Waffen auf vier Pfoten vor. Der selbsternannte "Tiger King" dagegen hält mit seiner (schlechten) Meinung über seine Rivalin ebenfalls nicht hinter dem Berg. Er streut gern Gerüchte, dass Baskin angeblich einst einen früheren Ehemann im Löwenkäfig "verschwinden" ließ. Unschöne Geschichte, unschöne Andeutungen.

Haarsträubende Doku aus einem bizarr fremd-vertrauten Land

Tatsächlich ist damit der Ton für die neue Netflix-Produktion vorgegeben, die gleichermaßen fasziniert wie gruselt. Immerhin geht es in den sieben, jeweils 45-minütigen Episoden um die irrsten Typen, darunter Hochstapler, Drogenbarone und ganz alltägliche Kriminelle, die sich auch noch ihrer Durchtriebenheit brüsten. Und es sind viel zu viele gefährliche Tiere unterwegs, was allerdings der Realität im Lande entspricht.

Immerhin handelt es sich um eine über einen längeren Zeitraum hinweg recherchierte Dokumentation, für die viele Interviews vor der Kamera geführt wurden. Und demnach ist etwas dran an den Schätzungen, dass aufgrund der lange laxen Regelungen im Kampf gegen Wildtierhandel und -schmuggel in den USA mehr Raubkatzen in Gefangenschaft leben als weltweit in Freiheit. Es ist eben das Land, das einen Reality-TV-Star wie Donald Trump zum Präsidenten gewählt hat. Da passt diese neue Serie perfekt ins Bild.