Verschärfte Grenzkontrollen - Griechen toben wegen Deutschlands Grenz-Plan und rügen unseren Sozialstaat
Die Wiedereinführung der deutschen Grenzkontrollen an allen Grenzen sorgt in Griechenland für Empörung. Ministerpräsident Mitsotakis fordert statt Alleingängen echten EU-Außengrenzschutz und kritisiert Berlin scharf. Die griechischen Medien warnen: Deutschlands Kurs gefährdet die Einheit Europas.
Die Grenzkontrollen in Deutschland sind seit Tagen Thema Nummer eins in den griechischen Medien, die Griechen sind verärgert über die Ampel-Beschlüsse zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen an allesn Binnengrenzen. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis legte am Donnerstag nach und schickte eine öffentliche Botschaft nach Berlin.
In einem Talk-Radio-Interview sagte er, Europas Antwort auf das Migrationsproblem könne nicht die einseitige Abschaffung von Schengen sein. Am Vortag hatte er bei seinem Staatsbesuch in Wien in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer der Regierung in Berlin indirekt vorgeworfen, ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben.
Sozialhilfe als Pull-Faktor
„Es gibt heute in Europa Länder, die sehr attraktiv für Migration sind und Einwanderer und Flüchtlinge anziehen, die das Recht haben, sich legal zu bewegen. Das sollte Deutschland für sich selbst reflektieren. Wir werden den Deutschen nicht vorschreiben, wie ihr Wohlfahrtsstaat organisiert wird“, erläuterte Mitsotakis in Wien, um Berlin daran zu erinnern, dass Griechenland nicht bereit sei, die Last der aus seiner Sicht falschen politischen Entscheidungen der Ampel zu tragen. Die Regierung Mitsotakis hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie in den hohen Sozialleistungen in Deutschland einen Pull-Faktor für Migration sieht.
Die Furcht vor faktischen Grenzschließungen im Schengen-Raum betrifft auch Griechenland. Zwar haben die Hellenen keine Landgrenzen zu Deutschland, aber intensivere Kontrollen auf deutschen Flughäfen würden auch die griechische Luftfahrt wirtschaftlich belasten. „Die Antwort auf das Migrationsproblem kann nicht darin bestehen, Schengen einseitig aufzukündigen und die Ersteintrittsländer im Regen stehen zu lassen.
Deshalb gab es eine Reaktion aus Ländern, die Landgrenzen mit Deutschland teilen. Die Antwort auf das Problem kann dagegen ein fairer Kompromiss zum Schutz der europäischen Grenzen sein“, erklärte der griechische Premier im Radio. Die Hellenen pochen auf die Einhaltung der europäischen Verträge und des EU-Asylpakts.
Hat Habeck den Griechen Geld angeboten?
Aus den üblichen „gut unterrichteten Kreisen“ sickerte zudem durch, dass die Ampel versucht habe, Griechenland mit großzügigen Zahlungen dazu zu bewegen, Flüchtlinge im Land zu halten. Zuletzt hatte Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck bei seinem Besuch zur Eröffnung der 88. Internationalen Messe Thessaloniki versucht, Mitsotakis davon zu überzeugen, die Sozialhilfe für Flüchtlinge an deutsches Niveau heranzuführen. „Man kann nicht verlangen, dass Griechenland einen besseren Sozialschutzrahmen für Flüchtlinge hat als für die griechischen Bürger selbst“, kommentierte Mitsotakis diesen Vorschlag in Wien.
Nach griechischen Medienberichten soll Habeck auch das Thema Rückführungen angesprochen haben. Hintergrund ist, dass deutsche Gerichte die Rückführung von Flüchtlingen nach Griechenland wegen der schlechten Lebensbedingungen ablehnen. Wenn die Flüchtlinge in Griechenland von Deutschland finanzierte Sozialhilfe bekämen, würden sie lieber dort bleiben, so der Plan, den die Griechen nicht akzeptieren wollen.
Bereits im vergangenen November, berichtet „To Proto Thema“, habe der deutsche Regierungschef Olaf Scholz seinem Amtskollegen Mitsotakis bei dessen Besuch in Berlin zusätzliche finanzielle Mittel für die Länder an den EU-Außengrenzen in Aussicht gestellt. Die Griechen sehen darin einen verzweifelten Versuch der Ampel, Deutschland zu entlasten, de facto aber den EU-Asylkompromiss aufzukündigen. „So etwas wird nicht einmal im Scherz diskutiert“, so die sibyllinische Antwort eines hohen Regierungsmitarbeiters auf „To Proto Thema“.
Außengrenzschutz und Grenzzäune als Lösung
Aus griechischer Sicht liegt der Schlüssel zur Lösung des Problems im effektiven Schutz der Außengrenzen und nicht in kleinstaatlichen Grenzschließungen innerhalb der EU. „Wir können das Problem der Sekundärströme nicht lösen, wenn wir die Zahl der Grenzübertritte an den Außengrenzen nicht eindämmen können“, meint Mitsotakis. Seit seinem Amtsantritt im Sommer 2019 seien die Flüchtlingszahlen dank eines effektiveren Grenzschutzes deutlich zurückgegangen.
Sein Land würdenunerbittlich gegen Schlepper vorgehen, versicherte der Premier, „Hunderte von Menschenhändlern sitzen jetzt im Gefängnis und müssen mit harten Strafen rechnen“. Die Einwanderung betrifft nicht nur Griechenland, sondern Europa und insbesondere Deutschland, das eine lockere Einwanderungspolitik betreibt. Eine Zusammenarbeit mit der Türkei sei notwendig, so Mitsotakis. Dank der Entschlossenheit seiner Regierung und der EU habe diese Zusammenarbeit inzwischen ein zufriedenstellendes Niveau erreicht.
In den Medien sind die Kommentare zu den deutschen Plänen weniger diplomatisch. Deutschland werde seiner Führungsrolle in Europa nicht gerecht, heißt es im staatlichen Fernsehen ERT, das zu den gemäßigteren Medien zählt. Die deutschen Grenzkontrollen würden Sprengstoff in die Fundamente der europäischen Einheit legen, heißt es in einem weiteren Kommentar von ERT, der der Ampel eine „kleinkarierte Politik“ vorwirft.