"Ich versuche, einfach nur den Tag zu überstehen"

In der Sky-Comedyserie "Run" spielt Merritt Wever eine Frau, die 17 Jahre nach der Trennung mit ihrem Ex-Freund durchbrennt. Im Interview spricht die 39-jährige Schauspielerin über ihren derzeitigen Alltag, die Zukunft und die Frage, wie sie mit Problemen umgeht.

Was tun, wenn man eine SMS bekommt, in der nur das Wort "Run" steht? Im Falle von Ruby (Merritt Wever) ganz klar: Man lässt alles stehen und liegen, läuft los, trifft seinen Ex-Freund Billy (Domhnall Gleeson), den man seit 17 Jahren nicht mehr gesehen hat, um herauszufinden, ob das Gras auf der anderen Seite grüner ist ... Aber ist es das? - Die Antwort gibt die neue Sky-Comedy-Serie "Run" von Drehbuchautorin Vicky Jones, Produzentin Phoebe Waller-Bridge ("Fleabag") und Regisseurin Kate Dennis ("The Handmaid's Tale"). In der Hauptrolle: Merritt Wever - Frauenpower pur also! Wie es für Wever war, mit so vielen straken Frauen zu arbeiten und ob die 39-Jährige sich ihren Problemen lieber stellt oder davor wegläuft, erzählte sie im Telefon-Interview aus der Corona-Quarantäne im New Yorker Stadtteil Brooklyn.

teleschau: Wir hoffen, es geht Ihnen gut?

Merritt Wever: Ja, und dafür bin ich sehr dankbar. Bei vielen unserer Mitmenschen sieht das gerade alles viel schlimmer aus. Aber es ist schon schwer und vor allem seltsam, täglich zu versuchen, ein normales Leben zu führen, obwohl uns sicherlich nicht danach zumute ist.

teleschau: Wie verbringen Sie Ihren Tag in der Haus-Quarantäne, wenn Sie nicht gerade Interviews geben?

Wever: Um ehrlich zu sein, kann ich nicht so tun, als ob ich meine Zeit interessant nutzen würde. Die Wahrheit ist, dass ich mich auf nichts konzentrieren kann. Kein Buch, keine Serie. Ich kann mich nicht davon ablenken, was gerade auf der ganzen Welt passiert. Ich hoffe, das ändert sich. Ich bin auf jeden Fall für sämtliche Vorschläge offen.

Über ihre Scheu vor Interviews und die Frage, worauf sie besonders stolz ist

teleschau: Sie sagen von sich selbst, dass Sie nicht wirklich gerne Interviews geben. Stimmt das?

Wever: Ich glaube, es ist weniger so, dass ich keine Interviews geben mag, sondern eher, dass ich meist nicht besonders gut darin bin (lacht). Manche finde ich toll, und sie laufen super und bei anderen kann ich mich nicht wirklich gut ausdrücken und finde, dass meine Antworten nicht richtig verstanden werden. Es ist einfacher für mich, über meine Arbeit zu sprechen, als über mein persönliches Leben. Auf dem Gebiet kann ich mich einfach bei weiten besser ausdrücken. Vielleicht liegt es daran, dass meine Arbeit interessanter ist als mein privates Leben (lacht).

teleschau: Worauf sind Sie als Schauspielerin besonders stolz?

Wever: Das ist eine interessante Frage. Am stolzesten bin ich, wenn ich am Ende eines langen Drehtages mit mir selbst zufrieden bin. Schließlich möchte ich den Leuten, die mir die Rolle gegeben haben, beweisen, dass es die richtige Entscheidung war. Das ist manchmal sehr schwer.

Über "Run" und ihren Umgang mit Problemen

teleschau: Das Produktionsteam von "Run" ist stark weiblich geprägt.

Wever: Ja. Ich muss gestehen, dass ich bis jetzt immer ziemliches Glück hatte und schon öfter mit starken Frauen zusammenarbeiten durfte. Bei "Run"' war es gleich ein ganzes Team an Frauen, das mich für die Rolle als Ruby gecastet hat. Am Set vergesse ich aber sowieso, ob es Frauen oder Männer sind, mit denen ich gerade zusammenarbeite. Vielleicht sieht Domhnall Gleeson, der in der Serie meinen Ex Billy spielt, das ein bisschen anders, wenn er am Set nur von Frauen umgeben ist (lacht).

teleschau: Apropos "Run": Wo würden Sie gerne in diesem Moment hinlaufen?

Wever: Zu meiner besten Freundin. Ich vermisse sie.

teleschau: Stellen Sie sich Problemen eher oder laufen Sie lieber davor weg?

Wever: Ich muss gestehen, dass ich mir schon mehrfach gewünscht habe, einen Führerschein zu haben. Hätte ich diese Möglichkeit, wäre ich sicherlich schon vor einigen Situationen einfach weggelaufen. Ins Auto und ab. Anstatt mich etwas zu stellen, vor dem ich Angst habe.

Rubys Charakter und die größte Herausforderung am Set

teleschau: Ihr Charakter Ruby ist manchmal vielleicht ein bisschen unehrlich...

Wever: (lacht laut) ... Sie lügt sehr viel!

teleschau: Würden Sie Ruby als unsympathisch bezeichnen?

Wever: Ich würde sie auf keinen Fall unsympathisch nennen. Hat sie etwas getan, was nicht in Ordnung ist? Vielleicht. Aber es kommt immer darauf an, aus welcher Sicht man es betrachtet. Ich glaube, sie war lange sehr unglücklich. Der Schritt, den sie wagt, ist sehr mutig: Sich selbst zu wählen, das können nur wenige. Sie hat jahrelang nichts Mutiges gewagt und greift bei dieser Möglichkeit zu. Jeder fragt sich doch, ob das Gras auf der anderen Seite grüner ist - nur hat nicht jeder den Mut, es auch herauszufinden.

teleschau: In den ersten vier Episoden der Serie sieht man Sie in einem Zug...

Wever: Das war gar nicht so leicht, wie man sich das vielleicht vorstellt. Wir hatten viele Nacht-Szenen, und es war bitterkalt. Ich hasse es, wenn ich meine Konzentration verliere, weil ich müde bin oder mir kalt ist. Wir drehten in einem Zugabteil am Set, und durch die moderne Technologie von heute hatten wir Hintergründe, die an den Fenstern vorbei rasten. Das Abteil wurde durchgerüttelt, als ob wir in einem echten Zug wären. Ich hatte keine Ahnung, wie desorientierend diese Erfahrung sein würde. Dein Körper bewegt sich nicht, aber deine Augen sehen die vorbeirasenden Szenen. Mir wurde sogar übel, wie bei einer echten Reiseübelkeit. Das war ziemlich schwer zu bewältigen.

Ein Blick auf die Karriere und die eigene Zukunft

teleschau: Sie sind seit Ihrem 15. Lebensjahr Schauspielerin, doch Sie befinden sich momentan auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere. Können Sie deshalb freier entscheiden, welche Rollen Sie annehmen?

Wever: Schauspieler haben generell wenig Kontrolle darüber, für welche Rollen sie vorgeschlagen werden oder wie sie dadurch ihre Karriere besser gestalten können. Diese Realität ist, für mich zumindest, noch ziemlich weit entfernt. Aber ich kann auch nicht entscheiden, wie das Publikum auf mich reagiert. Ob die Zuschauer mich toll finden oder nicht, ist ganz alleine ihre Entscheidung.

teleschau: Gibt es die perfekte Rolle?

Wever: Ich weiß nicht, ob ich die perfekte Rolle schon gespielt habe. Manche entwickeln sich perfekt für mich. Manchmal habe ich das Glück, dass die Rollen zum richtigen Zeitpunkt zu mir kommen. Es ist gar nicht lange her, da hatte ich mir gewünscht, mal eine Ermittlerin zu spielen. Kurz darauf kam das Angebot zur Netflix-Serie "'Unbelievable". Es war ganz so, als ob das Universum mir diese Rolle geschickt hat. Die Dreharbeiten zu "Unbelievable" waren ziemlich extrem und es war schwer, danach wieder abzuschalten. Ich wünschte mir, dass ich als nächstes in eine lockere, unbeschwertere Rolle schlüpfen kann - da kam das Angebot zu "Run". War das Zufall?

teleschau: Und in welche Rolle würden Sie gerne als nächstes schlüpfen?

Wever: Um ehrlich zu sein, weiß ich das gerade nicht. Ich versuche aktuell, einfach nur den Tag zu überstehen und hoffe, dass unsere Welt und unser Leben bald wieder normal sein wird ...

(Die achtteilige HBO-Comedyserie "Run" ist in der Nacht zum 13. April parallel zur US-Ausstrahlung in der Originalfassung auf Sky Ticket, in Österreich Sky X, Sky Go und über Sky Q abrufbar. Voraussichtlich im Sommer ist sie dann wahlweise auf Deutsch oder im Original auf Sky Atlantic HD zu sehen).