Vertrauliches Schreiben an Habecks Ministerium: Anwälte fordern Bundesregierung auf, Verkauf eines deutschen Tech-Unternehmens an China in letzter Minute zu stoppen

Ein Roboter "Production 3" der Firma Franka Emika im Einsatz. - Copyright: picture alliance/dpa | Swen Pförtner
Ein Roboter "Production 3" der Firma Franka Emika im Einsatz. - Copyright: picture alliance/dpa | Swen Pförtner

Schnappt sich China erneut ein deutsches Tech-Unternehmen? Die Münchner Robotik-Firma Franka Emika soll offenbar schon am Donnerstagmorgen an einen Investor mit chinesischer Beteiligung verkauft werden. Das geht aus einem vertraulichen Anwaltsschreiben von PricewaterhouseCoopers (PWC) an Robert Habecks (Grüne) Bundeswirtschaftsministerium hervor, das Business Insider vorliegt. Demnach beabsichtigt der Insolvenzverwalter der Franka Emika, das Robotik-Unternehmen am Donnerstag, den 2. November, um 9 Uhr an die Agile Robots AG aus München zu veräußern. Laut Informationen von Business Insider soll Agile 28,5 Millionen Euro für das 200 Mitarbeiter zählende Startup geboten haben.

Die PWC-Anwälte appellieren an Habecks Behörde, in den geplanten Vertragsabschluss einzugreifen, um den Verkauf in letzter Minute zu verhindern. Die Franka Emika, die in der Vergangenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Zukunftspreis erhalten hat, verfüge über weltweit besondere Fähigkeiten in der Entwicklung und Herstellung von Robotern, die mit hochexplosiven Stoffen umgehen können, so die Anwälte. Durch die geplante Veräußerung, heißt es im Schreiben vom 1. November, bestehe "insbesondere die Gefahr, dass die Produkte des Unternehmens über die Volksrepublik China letztlich auf russischer Seite im Ukrainekrieg eingesetzt werden".

Sechs von sieben Aufsichtsratsmitgliedern sind Chinesen

Vergangene Woche wurde durch Medienberichte bekannt, dass Franka Emika insolvent ist. Seitdem streiten sich Investoren. Einer der potenziellen Käufer: die Agile Robots AG. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, chinesisch kontrolliert zu sein. Die Münchner Unternehmerbrüder Christoph und Martin Schoeller, die ebenfalls an einem Kauf von Franka Emika interessiert sind, schrieben vergangene Woche einen Brief an Habecks Behörde. Darin warnten sie, "dass es sich bei Agile faktisch um ein durch in China ansässige Gesellschaften und Institutionen kontrolliertes Unternehmen" handele. Investoren der Agile Robots AG seien unter anderem die Firma Foxconn Industrial mit Sitz in China sowie ein ebenfalls dort registrierter Fonds des Venture Capitals Sequoia. Agile produziere vornehmlich in Peking und Shenzhen und von den sieben Mitgliedern des Aufsichtsrats seien sechs chinesische Staatsbürger. Tatsächlich zeigt ein Blick in die Aufsichtsratsliste: Fünf der sieben Mitglieder sind Unternehmer und Investmentmanager aus Shanghai und Peking. Ein weiterer ist ein chinesischer Professor mit Sitz in Hamburg.

Was ebenfalls dafür spricht: Wie Insider unserer Redaktion berichteten, soll Agile so sehr an dem Münchner Robotik-Unternehmen interessiert sein, dass man eine für ein Privatunternehmen ungewöhnliche finanzielle Leichtfertigkeit an den Tag legt. Demnach soll der Insolvenzverwalter die Investoren gefragt haben, was mit ihrem Geld passieren solle, sollte der Kauf vom Bund rückabgewickelt werden. Agile soll auffällig gelassen reagiert haben: In diesem Fall solle der Verwalter das Geld behalten. Ein derartiges Vorgehen wird in Branchenkreisen der chinesischen Regierung unterstellt.

Heikel wäre ein Verkauf an von China kontrollierte Firmen deswegen, weil die Bundesregierung besonders in Schlüsseltechnologien wie der Robotik die Abhängigkeit von China reduzieren will. Der chinesische Staat hätte bei einem Zuschlag Zugriff auf zahlreiche wichtige Patente des Unternehmens.

Die Robotik-Technologien könnten für militärische Zwecke Russlands missbraucht werden, sagen die Anwälte

Die PWC-Anwälte fordern in ihrem Schreiben, das von den Schoeller-Brüdern in Auftrag gegeben wurde: Die Transaktion müsse gemäß des Außenwirtschaftsgesetzes verhindert werden. Einer der Gründe: Franka Emika sei Entwickler von Robotern, die "besonders konstruiert für die Handhabung hochexplosiver Stoffe" seien. Zudem erstelle das Unternehmen Technologien "für den Bereich Dual-Use", die also sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könnten. "Als Beispiele für den Bereich Dual-Use kann etwa die Produktion kritischer Wehrtechnologie (insbesondere Drohnen oder autonome Montage von Feuerwaffen)" genannt werden, so die Anwälte. Des Weiteren würden "die Produkte des Unternehmens auch im Bereich Raumfahrt und Luftfahrt verwendet, etwa für die autonome Produktion von Kleinstsatelliten oder autonomen Flugsystemen".

Angesichts der guten Beziehungen Chinas zu Russland bestehe deswegen die Gefahr, dass die Produkte des Unternehmens im Ukrainekrieg eingesetzt werden.

Das BMWK will sich auf Anfrage von Business Insider nicht dazu äußern, ob es plane, den Vertragsabschluss zu unterbinden. "Angaben über etwaige Investitionsprüfverfahren sind nicht möglich, weil schützenswerte Geschäftsgeheimnisse betroffen sind, die nur etwaig betroffene Unternehmen offenlegen können", teilt ein Sprecher mit. Der Insolvenzverwalter ließ eine kurzfristige Anfrage am Mittwoch unbeantwortet.