Dieses Video von rasenden Autofahrern wurde in der Ukraine und nicht in der Slowakei gedreht
Die über 100.000 ukrainischen Flüchtlinge, die seit dem russischen Einmarsch in der Slowakei leben, sind oft Ziel von Desinformation und werden etwa beschuldigt, Einheimischen die Arbeitsplätze wegzunehmen oder kriminell zu sein. In diesem Zusammenhang wird ein Video in sozialen Medien geteilt, das eine Gruppe von randalierenden jungen Männer zeigt, wie sie hochgefährlich auf einer stark frequentierten Straße fahren. Es wird fälschlicherweise behauptet, dass es "Ukrainer in der Slowakei" seien. Der Vorfall ereignete sich jedoch tatsächlich in der Westukraine, wie AFP herausfand.
Hunderte von Nutzerinnen und Nutzern haben einen Facebook-Post geteilt, der zeigt, wie eine Gruppe von jungen Männern in einem Auto hochgefährlich durch den Verkehr rast und sich nicht von der Polizei anhalten lässt. Der tschechische Titel des Videos lautet "Ukrainer in der Slowakei" und in einem slowakischen Text im Video heißt es: "Das sind die Leute, die wir hereinlassen. Was werden sie hier machen?"
Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 20. Februar 2022 flohen Millionen Menschen ins Ausland. Mehr als zwei Jahre später leben nach Angaben des Europäischen Rates etwa 4,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer in der Europäischen Union. Während Deutschland, Polen und die Tschechische Republik die meisten dieser Kriegsflüchtlinge aufgenommen haben, erhielten im November 2023 etwa 113.000 Ukrainerinnen und Ukrainer auch in der Slowakei einen "vorübergehenden Schutzstatus".
Falschbehauptungen über Menschen aus der Ukraine und den Krieg im Allgemeinen sind in der Slowakei weit verbreitet, wo Desinformation und kremlfreundliche Propaganda fruchtbaren Boden finden. AFP hat Dutzende solcher Falschmeldungen in mehreren Sprachen, darunter Tschechisch, Slowakisch und Englisch, widerlegt.
Video wurde in der Ukraine aufgenommen
Das online vielfach geteilte Video zeigt eine Gruppe von mindestens drei jungen Männern in einem Auto, die lachen, wenn sie Fahrzeuge trotz Gegenverkehr rücksichtslos überholen. An einer Stelle versucht ein Polizist, sie anzuhalten, aber sie fahren einfach weiter.
Das Video trägt das Wasserzeichen "Shashki.Kyiv". Mithilfe einer umgekehrten Videosuche konnte das gleiche Video, jedoch in besserer Qualität, auf dem Instagram-Profil von "Shashki.Kyiv" ausfindig gemacht werden. AFP versuchte, die Gruppe per Instagram zu kontaktieren, erhielt jedoch keine Rückmeldung.
Es gab trotzdem einige Indizien, dass das Video nicht in der Slowakei gedreht wurde. So waren die Werbetafeln am Straßenrand in kyrillischer Schrift verfasst – die in der Ukraine, aber nicht in der Slowakei verwendet wird. Außerdem ist ein grünes Schild zu sehen, das dem ukrainischen Tankstellenbetreiber Okko zugeschrieben werden kann. Dieses Unternehmen betreibt keine Tankstellen in der Slowakei.
In den Kommentaren unter dem Video auf Instagram identifizierten einige Nutzerinnen und Nutzer den Drehort des Videos als Jaremtsche, ein Dorf in der Westukraine unweit der Stadt Iwano-Frankiwsk.
AFP suchte dann mit Google Maps nach der Okko-Tankstelle in der Nähe von Jaremtsche und fand mit Google Street View heraus, dass das Video in der Swobody-Straße in Jaremtsche gedreht wurde. Vergleicht man das Bild aus dem Video mit dem Bild von Google Street View, findet man dieselben Elemente: zwei Werbetafeln auf der linken Straßenseite, das Logo der Okko-Tankstelle auf der rechten Seite und einen bewaldeten Hang am Horizont.
Kurz nachdem das Auto die Tankstelle passiert hat, fährt es an einer Polizeistreife vorbei, die es zu stoppen versucht. Die Beamten stehen bei einem Haus mit einem markanten roten Dach, das auch auf Google Street View zu sehen ist:
AFP hat auch ältere Bilder der Swobody-Straße in Jaremtsche in Google Street View überprüft. Das Bild des oben erwähnten Gebäudes mit dem roten Dach aus dem Jahr 2015 zeigt zwei Polizisten, die ein vorbeifahrendes Auto kontrollieren, während ihr Polizeifahrzeug hinter dem Gebäude geparkt ist. Dies deutet darauf hin, dass die ukrainische Polizei an diesem Ort häufig Verkehrskontrollen durchführt.
Es ist somit klar, dass das Video im ukrainischen Dorf Jaremtsche gefilmt wurde und keine "Ukrainer in der Slowakei" zeigt.
Nach Angaben des slowakischen Innenministeriums waren ukrainische Staatsangehörige im Jahr 2023 für 467 der insgesamt 33.974 aufgeklärten Straftaten verantwortlich. Das sind weniger als 1,4 Prozent aller Straftaten, obwohl die registrierten ukrainischen Flüchtlinge derzeit über zwei Prozent der slowakischen Bevölkerung ausmachen. Die slowakische Kriminalstatistik für die ersten acht Monate des Jahres 2024 zeigt, dass dieser Anteil nur leicht auf 1,6 Prozent gestiegen ist. Die Statistik zeigt auch, dass nur ein sehr geringer Prozentsatz dieser Straftaten als gewalttätig eingestuft wurde.
Fazit: Das Video, das junge Männer bei rücksichtslosen und gefährlichen Überholmanövern zeigt, wurde nicht in der Slowakei, sondern in der Ukraine aufgenommen. Es zeigt daher keine "Ukrainer in der Slowakei".