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Auto-Gipfel in Genf: Gute Geschäfte, ungute Gefühle

Gute Geschäfte vor allem in Übersee, aber auch Sorgen angesichts politischer Krisen und der drohenden Konkurrenz aus der IT-Branche – die Autoindustrie zeigt sich auf dem Genfer Autosalon in wechselhafter Stimmung. Daimler-Chef Dieter Zetsche glaubt nicht daran, dass die Autobranche irgendwann nur noch Zulieferer für Internet-Konzerne wie Apple und Google sein wird, räumte aber ein, dass durch das Vordringen der IT-Branche in das Geschäft der Autoindustrie große Veränderungen anstünden. Zuvor hatte es Berichte gegeben, Apple plane ein Auto mit Elektroantrieb. Und der Suchmaschinen-Riese Google arbeitet bereits an selbstfahrenden Autos. “Wir haben keine Angst”, betonte Zetsche. “Wir wissen genau, wenn man den ersten Platz in der Champions League hat, darf man keine Sekunde schlafen,” heißt das bei Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Und BMW-Chef Norbert Reithofer verglich die eigene Branche mit der Schreibmaschinen- oder Fotoindustrie, die in den vergangenen Jahren durch Neuentwicklungen wie Laptops und Digitalkameras an den Rand gedrängt wurden. Davor sei auch die stolze Automobilindustrie nicht gefeit. “Das geht am Anfang ganz langsam, und man unterschätzt das, und plötzlich geht die S-Kurve für die neue Technologie hoch.” Die digitale Vernetzung von Fahrzeugen sei deshalb enorm wichtig. Jim Holder, Redakteur bei What car? magazine: “Dieses Jahr konzentriert sich der Genfer Automobilsalon vor allem auf Supersportwagen, das ist ein bisschen wie ein Richtungswechsel in der Branche. Alles redet vom autonomen Fahren und umwelt-schonenden Autos. Aber die SUVs (S-Utility Vehicle) sind das am schnellsten wachsende Segment der Branche. Und so stoßen viele Luxus-Autobauer zum erstenmal in dieses Segment vor, das ist ein richtiger Boom. Ich meine, das bleibt viele Jahre so.” Vernunft gegen Gasfuß. Die Abgasvorschriften in aller Welt werden immer strenger, die Hersteller treiben Milliardenaufwand mit alternativen Antrieben. Doch die verwöhnte Kundschaft zeigt Elektroautos meist die kalte Schulter und kauft lieber teure und spritfressende Geländewagen. Gleichzeitig erreicht viele Junge die Faszination Auto überhaupt nicht mehr. Bei der Generation bis Mitte 30 habe das Automobil “als Statussymbol ausgedient, es wird zum Gebrauchsgegenstand”, so eine Studie der US-Beratungsfirma Prophet. In manchen Weltregionen sei die Lage immer schwerer zu kalkulieren, sagte BMW-Chef Norbert Reithofer. So habe man viele Pläne für den Wachstumsmarkt Russland gehabt, die über Jahre auch funktioniert hätten. 2014 habe sich das geändert. “Bumm hat’s gemacht und vorbei war es mit diesen schönen Plänen.” So etwas passiere möglicherweise in Zukunft noch häufiger als bisher. Der westeuropäische Automarkt kommt nach Branchenprognosen 2015 zwar weiter voran – bleibt aber noch weit weg vom früheren Niveau. Bis zum Jahresende dürfte der Absatz in Westeuropa laut Verband der Automobilindustrie (VDA) auf 12,3 Millionen Fahrzeuge zulegen – das wäre ein Plus von 2 Prozent. 2007 waren es allerdings noch 14,8 Millionen Autos. Danach hatten Finanzkrise und Euro-Schuldenkrise den Absatz vor allem in südeuropäischen Ländern massiv belastet. “Für ein nachhaltiges Wachstum müssen die politischen Konflikte gelöst und die richtigen industriepolitischen Rahmenbedingungen gesetzt werden”, meint VDA-Präsident Wissmann. “Da gibt es in Europa, nicht nur mit Blick auf Griechenland, noch Einiges zutun.” Der russische Markt dürfte laut VDA in diesem Jahr um ein Fünftel zurückgehen. Zugpferde bleiben demnach China und die USA. In Deutschland arbeiten laut heimischer Autoindustrie (Audi, BMW, Bosch, Ford, Mercedes-Benz, Opel, Porsche, smart und Volkswagen) 720.000 Menschen direkt bei Herstellern und Zulieferern. Jeder siebte Arbeitsplatz hänge vom Automobil ab. Und der ADAC schätzt, dass vom Baugewerbe bis zur Versicherungswirtschaft insgesamt 5,8 Millionen Menschen vom Straßenverkehr leben. Sigrid Ulrich mit dpa, Reuters