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Börse China: Vertrauen ist eine zarte Pflanze*

Chinas Börsen haben neue heftige Anfangsverluste etwas eingedämmt – tags zuvor hatten sie den größten Kursrutsch seit acht Jahren erlitten und damit auch andere Börsen weltweit nach unten gezogen. Der knappe Faktor: Vertrauen, besonders bei Kleinanlegern. Vor allem sie hatten – oft auf Pump – den Leitindex in Shanghai vor dem Absturz binnen eines Jahres um über 150 Prozent nach oben gejagt. “Es war eine Preisblase mit Ansage und nun ein Platzen mit Ansage”, sagte Commerzbank-Fachmann Ralph Solveen. Besonders Privatanleger hätten ihr Geld am Aktienmarkt investiert, nachdem der lange boomende Immobilienmarkt ins Stocken geraten war. Anleger Wang (50), Shanghai: “Der Markt ist tot. Die Regierung hatte die Öffentlichkeit informieren sollen, wie sie den Markt retten will. Wenn Sie Schwierigkeiten haben, sollten Sie das der Öffentlichkeit sagen. Nicht solche Parolen wie `Wir haben die Fähigkeit. Wir haben das Vertrauen. Wir haben die richtigen Konditionen.’ Das ist Volksbetrug. Diesen Slogans sollten schnell detaillierte Verfahren folgen. Der Markt ist stark gefallen am Montag, aber ich habe keine offiziellen Nachrichten in den Medien gesehen. Es ist Trick, um das Volk dranzukriegen.” Eine Analyse der australischen ANZ Bank beschreibt den Vertrauensverlust so: “Wenn es der Regierung nicht gelingt, das Vertrauen in die Märkte wieder herzustellen, wird China sein Wachstumsziel von sieben Prozent bis Ende des Jahres kaum erreichen”. Enzio von Pfeil, Investmentstratege, Private Capital, Hongkong: “Ich fürchte, sie werden die Spekulation auf Kredit leider nicht stoppen. Sie werden wahrscheinlich noch einmal die Zinsen senken, sie werden mehr Geld in das System pumpen. Aber sie werden nicht das Nötige tun, um diesen Markt-Terrorismus zu stoppen. Das wäre ein Abgraben der Spekulation auf Kredit. Und so schaffen sie den Nährboden für die nächsten Spekulantenkämpfe.” Mit radikalen Eingriffen hatte die Regierung die Kurse zunächst stabilisiert: Die Zentralbank senkte die Zinsen auf ein Rekordtief, die Behörden setzten neue Börsengänge aus. Die chinesische Börsenaufsicht CSRC initiierte mit Geld der Zentralbank ein riesiges Kaufprogramm für Aktien. An der Börse notierte Unternehmen konnten sich selbst vom Handel aussetzen. Bis zu 50 Prozent der an den Börsen des Landes gehandelten Aktien waren zwischenzeitlich eingefroren. Um einen weiteren Ausverkauf mit allen Mitteln zu verhindern, wird nach “bösartigen Leerverkäufern” gefahndet – laut chinesischen Medien vor allem ausländische Investoren. Bei Leerverkäufen setzen Anleger auf fallende Kurse und beschleunigen so noch die Abwärtsspirale. Der Aktienmarkteinbruch habe jetzt schon eine stark destabilisierende Wirkung, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger (zu Reuters). Dies strahle auch auf andere Länder aus. “Das ist nachteilig für die deutschen Exporte und für die Autoindustrie.” Konzerne wie BMW oder Daimler dürften das besonders spüren: “Die Leute, die bei Aktienverkäufen verlieren, sind nicht die Armen,” so Bofinger, “sondern die, die richtig Geld haben”. su mit Reuters ____________________________________________ *Vertrauen ist eine zarte Pflanze. Ist es zerstört, kommt es sobald nicht wieder. Otto Eduard Leopold Fürst von Bismarck (1815 – 1898), preußisch-deutscher Staatsmann und 1. Reichskanzler