OECD: Ungleichheit kostet Wachstum

Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in der westlichen Welt so groß wie seit 30 Jahren nicht. Nach einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nahm die Ungleichheit in den meisten Industriestaaten zu – auch in Deutschland. Besonders stark ist sie danach in Chile und Mexiko, der Türkei, Israel und den Vereinigten Staaten. Besonders geringe Einkommensunterschiede fanden die Sozialforscher auch in den 34 untersuchten Ländern – vor allem in Norwegen, der Slowakei und Slowenien. Sie wirkten wie ein lang angelegtes Konjunkturprogramm: “Steigende Ungleichheit ist schädlich für langfristiges Wirtschaftswachstum”, so die Autoren der Studie mit dem Untertitel “Warum weniger Ungleichheit allen nützt.” Würden die untersten 40 Prozent einer Gesellschaft abgehängt – also auch größere Teile der Mittelschicht – dann nutzten Volkswirtschaften nur einen Teil ihres Potenzials. In ungleicheren Gesellschaften hätten es Familien aus schwächeren sozialen Schichten schwerer, ihre Chancen auf Bildung und damit auf sozialen Aufstieg zu verwirklichen. Die Botschaft scheint bisher noch nicht weit gedrungen: Während die reichsten zehn Prozent der Gesellschaft vor 30 Jahren sieben Mal so viel verdienten wie die ärmsten zehn Prozent, sind es inzwischen zehn Mal so viel. Nach Berechnungen der Studienautoren hat die steigende Ungleichheit seit 1985 dazu geführt, dass die Wirtschaft in 19 OECD-Ländern zwischen 1990 und 2010 um 4,7 Prozentpunkte weniger gewachsen ist als das bei unveränderter Ungleichheit der Fall gewesen wäre. “Die Politik hat also nicht nur gesellschaftliche Gründe, gegen Ungleichheit anzugehen, sondern auch wirtschaftliche”, so OECD-Generalsekretär Angel Gurría. “Handeln die Regierungen nicht, dann schwächen sie das soziale Gefüge ihrer Länder und längerfristig auch das Wachstum.” Als Gründe für die Öffnung der Schere werden ausgemacht: Ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen. Aber auch “atypische Arbeitsverhältnisse” wie befristete Stellen, Teilzeitarbeit und Selbstständigkeit. Sie machten seit Mitte der 1990er Jahre mehr als die Hälfte aller neuentstandenen Jobs aus, so der Bericht. In Zahlen für Deutschland: 40 Prozent “Atypische” (2013) verdienten im Schnitt nur etwas mehr als die Hälfte (56 Prozent) des jährlichen Arbeitseinkommens eines Festangestellten. Die Vermögensungleichheit sei in Deutschland weitaus stärker ausgeprägt als in vielen anderen OECD-Ländern. Die obersten 10 Prozent der Vermögenden besäßen nahezu 60 Prozent des gesamten Nettohaushaltsvermögens. Dieser Wert liege deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 50 Prozent. su mit dpa, AFP