Volkswagen – und die großen Schuhe des Ferdinand Piëch

Nach dem abrupten Abgang von Firmenpatriarch Ferdinand Piëch will Volkswagen möglichst bald einen Nachfolger finden. Piëch, Anteilseigner und bisher Chef des Aufsichtsrats, nahm zum erstenmal seit vielen Jahren nicht an der Hauptversammlung teil – Vorstandschef Martin Winterkorn, den er hatte schassen wollen, versuchte sich an einem neutralen Kommentar. Volkswagen-Vorstandschef Martin Winterkorn “Es ist gut, dass wir in ruhigere Gewässer zurückkehren, dass wir Klarheit über unsere künftige Strategie bekommen und vor allem, dass wir uns voll und ganz auf unser Geschäft konzentrieren.” Winterkorn dankte Piech, mit dem er den Wolfsburger Zwölf-Markenkonzern seit 2007 gemeinsam gesteuert hat. “Ferdinand Piech hat die Automobilindustrie in den vergangenen fünf Jahrzehnten geprägt wie kein Zweiter – als Unternehmer, als Ingenieur, als mutiger Visionär.” Volkswagen habe ihm viel zu verdanken. Vor Piech Lebensleistung habe er großen Respekt, sagte Winterkorn. Piëch hatte Winterkorn in einem beispiellosen Machtkampf aus dem Amt drängen wollen, war damit aber im engeren Führungszirkel gescheitert und deshalb zusammen mit seiner Ehefrau Ursula Piëch zurückgetreten. In der Sache – falsche Modellpolitik für den US-Markt,fehlende Kleinwagen-Strategie und zu wenig Rendite – gaben viele Aktionäre dem polternden Familienunternehmer Piëch recht. VW-Aktionärin Imsold Schroeder: “Ich bin der Meinung, dass der Vertrag von Herr Winterkorn nicht verlängert werden sollte. Ich glaube, dass die Zukunft viele neue Dinge bringt und ich bin nicht sicher, dass ein 68-jähriger das kann …” Winterkorn selbst ließ daran keinen Zweifel aufkommen. In den USA folge VW seinem “Masterplan”, sagte er. Und, ja, die operative Rendite der Hauptmarke VW sei vor allem deshalb vergleichsweise niedrig, weil darin das starke China-Geschäft nicht enthalten sei. Diesen Gewinn verbucht VW im Finanzergebnis. “Das ist wie ein Fußballresultat, bei dem die Tore eines Top-Stürmers nicht mitgezählt werden”, sagte Winterkorn. “Übervater” Piëch war nicht nur genetisch präsent – zwei Nichten übernehmen die vakanten Sitze im Aufsichtsrat – eines seiner Hauptprojekte wird auf jeden Fall realisiert. Der Aufsichtsrat beschlossen die Gründung einer Holding für die beiden Lkw-Marken MAN und Scania. Piech hatte seit Jahren einen eigenen Lkw-Konzern schaffen wollen, um VW auf Augenhöhe mit Konkurrenten wie Daimler und Volvo zu bringen. Über die Beteiligungsgesellschaft Porsche SE halten die Familien rund 50,7 Prozent an Volkswagen und sitzen mit fünf Mitgliedern im Aufsichtsrat. Im Gegensatz zu den im Dax notierten Vorzugsaktien haben diese Papiere Stimmrecht. An der PSE-Holding wiederum hält Ferdinand Piëch gut 13 Prozent der stimmberechtigten Stammaktien. Gemessen am Börsenwert der Porsche SE von zuletzt knapp 27 Milliarden Euro sind Piëchs Anteile knapp 1,8 Milliarden Euro wert. Die Aktionärversammlung wurde vom frühren IG-Metall-Chef Berthold Huber geleitet. Er führt als Stellvertreter Piechs den Aufsichtsrat kommissarisch, bis ein neuer Vorsitzender gefunden ist – und das könnte dauern, meinen Beobachter. su mit Reuters