Videos „und noch viel mehr“ - Jetzt wittern Bewohner des Solinger Flüchtlingsheims das große Geld

Das Flüchtlingsheim in der Goerdeler Straße<span class="copyright">Frank Gerstenberg</span>
Das Flüchtlingsheim in der Goerdeler StraßeFrank Gerstenberg

Einige Bewohner des Flüchtlingsheims in Solingen, in denen der mutmaßliche Attentäter Issa al Hasan wohnte, haben ein Geschäftsmodell entdeckt. Sie bieten den Medien ihre Geschichten für Geld an.

„Haben wir gestern nicht gesagt 500 Euro?“, fragt der kleine Mann mit Halbglatze und Bauchansatz, der zur kurzen Jeans ein dunkelblaues Polohemd trägt.

Er platzt in ein Gespräch mit einem Algerier, der, wie er erzählt, erst seit anderthalb Monaten in dem Solinger Flüchtlingsheim an der Goerdeler Straße wohnt, das auch eine Sozialwohnung ist. Seine Frau habe ihn verlassen. Er sei aus der Familienwohnung ausgezogen, weil er „keinen Stress“ haben wollte. Die Stadt habe ihm das Zimmer in der 1. Etage zugewiesen. Im Stockwerk über ihm habe Issa al Hasan gewohnt.

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Bewohner des Flüchtlingsheims bieten Videos „und noch viel mehr“ für Geld an

Weiter kommt er nicht. Der Mann mit dem Polohemd grätscht in das Gespräch und stellt sich als „Manager“ des Algeriers vor. „Videos“ vom Zimmer des Attentäters, vom SEK-Einsatz in der Nacht zu Samstag auf Sonntag, als die Polizei mindestens einen Mann aus der Unterkunft mitgenommen haben soll, „und noch viel mehr“ könnten wir haben. „500 Euro“. Nach unserer Absage bietet er sich anderen Medien an.

Am Sonntagmorgen klang er noch weniger selbstbewusst: Er sei „froh, wenn ich hier raus bin“, erzählte er FOCUS online. Aus Polen sei er, man habe ihn „betrogen“, er habe seine Wohnung verloren und müsse deshalb jetzt hier wohnen. Weniger Stunden vorher hatte das SEK die Unterkunft gestürmt. Er sei in dem Moment im Waschraum gewesen. Zwei Stunden musste er dort hocken, erzählt er. Eine „scheiß Angst“ habe er gehabt. „Es kann ja sein, dass einer schießt.“

Das Flüchtlingsheim am Sonntagmorgen nach dem Einsatz: Die Security macht klar, dass sie „keine Auskunft“ gebe. Die Bitte um ein Gespräch mit dem Chef der Unterkunft  bleibt erfolglos. Nur wenige Journalisten versuchen ihr Glück.

„Ich habe Angst vor diesem Gebäude bekommen“

Ali Khalaf aus Syrien ist bereit zu sprechen. Ein höflicher junger Mann, seine schwarzen Airpods legt er sorgfältig in seine Box, bevor er den Google Übersetzer einschaltet. „Ich habe Angst vor diesem Gebäude bekommen.“ Er wisse nicht, was hier los sei, schreibt er. In der Nacht „stand die gesamte Polizei auf unserer Etage und im Gebäude. Dann ging ich ins Internet und war mir sicher, dass es sich um den Mörder handelte“. Das alles mache ihm Angst; er wisse nichts von „diesem Terroristen, er „liebe Deutschland“ und sei „dankbar“, dass ihm als Flüchtling aus Aleppo geholfen werde.

Während am Sonntag nur wenige Bewohnerinnen und Bewohner das Haus an der Goerdeler Straße verlassen, herrscht einen Tag später reger Betrieb im ehemaligen Finanzamt , das nur wenige hundert Meter vom Tatort entfernt liegt, an dem der Attentäter am Freitagabend drei Menschen ermordet und acht teilweise schwer verletzt hat.

Das Flüchtlingsheim in Solingen steht im Mittelpunkt des Interesses<span class="copyright">Frank Gerstenberg</span>
Das Flüchtlingsheim in Solingen steht im Mittelpunkt des InteressesFrank Gerstenberg

 

Seit dem frühen Montagmorgen postieren sich Journalistinnen und Journalisten mit Kameras , Mikrofonen und Notizblöcken vor dem fünfstöckigen, grauen Flüchtlingsheim, dessen verblichene Fassade zum tristen Umfeld im Zentrum der 160.000 Einwohnerstadt passt.

In der Solinger Innenstadt wird für den „Tag des Messers“ geworben

Viele Geschäfte und Häuser haben schon bessere Zeiten erlebt. Die Klingenstadt ist immer noch für ihre Messer weltberühmt - ausgerechnet. Auf Plakaten in der Innenstadt wird für den „Tag des Messers“ geworben. Die Solingerinnen und Solinger konnten am Samstag kostenlos ihre Messer schleifen lassen.

Kadri, der Algerier aus der Unterkunft, hatte kurz vor dem Gespräch mit FOCUS online für 70 Euro einem Privatsender erzählt, dass die Polizei ihn in der Nacht mit den Täter verwechselt habe und sein Bild „in den Medien“ gewesen sei. Seine Frau und seine Freunde hätten ihn angerufen und gefragt, was los sei. Immerhin lebe er schon neun Jahre in Solingen, er sei mit einer Deutschen verheiratet, er kenne „viele Leute“.

Mit dem Attentäter habe er nicht persönlich gesprochen, doch er habe ein Video aus seinem Zimmer. Dafür wolle er 100 Euro haben.

Ob seine Geschichte stimmt und was auf dem Video zu sehen ist, bleibt unklar.

Andere Bewohnerinnen und Bewohner der Unterkunft sind zurückhaltender: Ja, er kenne Issa al H., sagt ein junger Türke, der auch in dem Haus an der Goerdeler Straße wohnt. Er habe auch mit ihm „gesprochen“, mehr möchte er nicht sagen und geht schnell auf die andere Straßenseite, als die Ampel auf Grün umschlägt.